Meir Shalev

»Wir haben unsere Chancen verpasst«

Herr Shalev, Verteidigungsminister Ehud
Barak hat jetzt Interesse an der saudischen
Friedensinitiative (vgl. S. 2) bekundet.
Geht wieder etwas voran in Nahost?
shalev: Dass wir uns in die Grenzen von
1967 zurückziehen und Jerusalem teilen sollen,
ist meine, nicht die saudische Initiative.
Ich sage das, seit ich als junger Soldat mit 19
Jahren im Sechstagekrieg gekämpft habe. Die
Saudis haben das geklaut.
Hat Ihre Initiative Aussicht auf Erfolg?
shalev: Das habe ich 40 Jahre lang geglaubt.
Dummerweise lernen wir in diesem Teil der
Welt aber nicht mittels Vernunft und Verstand,
sondern wie in einem zurückgebliebenen
Schulsystem durch Prügel und Gewalt.
Inzwischen glaube ich nämlich, dass wir unsere
Chancen verpasst haben.
Warum?
shalev: Wie sollen wir denn die Siedler, die
wir selbst in die Westbank gesetzt haben, wieder
evakuieren? Regierungen von rechts bis
links haben sie frei gewähren lassen, und
schon die Räumung Gasas war ein traumatisches
Ereignis. Und den Palästinensern geht es
immer weniger um 1967, also die Räumung
der Westbank, sondern um 1948. Sie wollen
nicht auf das Rückkehrrecht der Flüchtlinge
nach Israel verzichten. Das können wir nicht
akzeptieren.
Setzen Sie Hoffnung auf eine Regierung
unter Zipi Livni?
shalev: Ich werde jedenfalls für sie stimmen.
Die Regel ist doch, dass wir von diesen
unglaublich maskulinen Männern mit militärischer
Vergangenheit und zu viel Testosteron
regiert werden. Außerdem hatten Verteidigungsminister
Ehud Barak, der sich für das
Geschenk Gottes an die Menschheit hält, und
Benjamin Netanjahu, der Herausforderer
vom Likud, ihre Chancen. Sie haben sie vermasselt.
Ist hier doch ein Funke Optimismus zu
spüren?
shalev: Schon vor ein paar Jahren wünschte
ich mir in einer Kolumne Livni als Regierungschefin.
Sie ist auf jeden Fall besser als
ihr Vorgänger Ehud Olmert. Der hat 40 Jahre
lang in das falsche Projekt investiert, nämlich
in ein »Groß-Israel«. Jetzt sagt er uns,
dass er sich leider geirrt hat und wir die
Westbank räumen müssen. Guten Morgen!
Wäre er Banker, müsste man ihn feuern.
Mit dem Schriftsteller und Kolumnisten der
israelischen Tageszeitung Yedioth Ahronoth sprach Sylke Tempel.

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025