„Holocaust-Konferenz"

Willige Vollstrecker

von Henryk M. Broder

Es ist so weit: Nächste Woche findet in Teheran die seit langem angekündigte Konferenz über den Holocaust statt. Sie soll zwei Tage dauern und zwei Fragen klären. Hat der Holocaust wirklich stattgefunden? Falls ja: Warum sollen die Palästinenser die Rechnung für die Verbrechen der Deutschen bezahlen? Die Konferenz ist ein Non-Event. Würden sich in Ulan-Bator oder an anderen zentralen Orten der Welt die Mitglieder der »Flat Earth Society« (die es wirklich gibt) treffen und darüber beraten, ob die Erde eine flache Scheibe ist und was man anstellen sollte, um nicht vom Rand in die Tiefe des Universums zu fallen, wäre dies ein Ereignis vom gleichen Rang. Nur unterhaltsamer und garantiert harmlos. Was die Teheraner Konferenz nicht ist.
Der iranische Staatspräsident Ahmadinedschad ist entgegen einer weit verbreiteten Meinung kein Irrer, kein Amateur und kein Dilettant, er ist ein Überzeugungstäter mit einer politischen Agenda. Mag es den Iranern auch ökonomisch schlechtgehen, mag das Land in Korruption, Bigotterie und Religionswahn versinken – Ahmadinedschad hat ein Ziel vor Augen, das er geschickt und ausdauernd verfolgt: »A World Without Zionism.« Seine vielen Äußerungen, wonach Israel von der Landkarte verschwinden müsse, würden für eine Anklage wegen Aufforderung zum Völkermord reichen, wenn es nicht internationaler Brauch wäre, Massenmörder erst nach vollbrachter Tat vor Gericht zu stellen, statt ihnen vorher den Arm abzuschlagen, den sie drohend erheben. Zuletzt hat Ahmadineschad vergangene Woche den palästinensischen Ministerpräsidenten, der ein Gefangener seiner eigenen Politik ist, damit getröstet, die Tage des zionistischen Regimes in Palästina seien gezählt.
Nun ist Ahmadinedschad klug genug, um nicht zu sagen, er werde dafür sorgen, daß Israel ausradiert wird. Aber die Forderungen nach einer »Welt ohne Zionismus«, verbunden mit den nuklearen Ambitionen der iranischen Führung, lassen keinen Zweifel daran zu, wie sich Ahmadineschad die Endlösung der Palästina-Frage vorstellt. Sein Vorschlag, die Israelis sollten in die Länder zurückgehen, woher sie gekommen sind, also nach Polen, Rußland, Deutschland, Marokko, Jemen und so weiter, war kein Witz, sondern ein Versuch, die Sache friedlich zu regeln. Es entspricht der islamischen Tradition, den Feind zur Kapitulation (oder Konversion) aufzufordern und ihn erst dann anzugreifen, wenn er das Angebot ablehnt. So betrachtet ist der Islam tatsächlich eine Religion des Friedens.
Ahmadinedschad hat zudem den schwachen Punkt der Europäer erfaßt. Einerseits haben sie ein schlechtes Gewissen den Juden gegenüber, weswegen sie Holocaust-Mahnmale bauen und tote Juden ehren. Andererseits wäre es ihnen recht, wenn die »jüdische Frage« so gelöst würde, daß sie ihr schlechtes Gewissen ablegen könnten, keine Rücksicht mehr auf die eigene Geschichte nehmen und keine »besonderen Beziehungen« mit Israel unterhalten müßten. Um es mit der Klarheit zu sagen, die dem Ernst der Lage angemessen ist: Sollte Israel tatsächlich durch eine atomare Intervention von der Landkarte verschwinden, würde die vorletzte Endlösung der Judenfrage, die von den Nazis und ihren Verbündeten unternommen wurde, einerseits im Abgrund der Geschichte verschwinden und andererseits mit gespenstischer Konsequenz fortgeführt werden. Und zwar so, daß sich die Europäer die Hände nicht schmutzig machen müßten. Deswegen fallen die europäischen Reaktionen auf die Ankündigungen des iranischen Präsidenten so lau aus. Sie seien, heißt es, »nicht akzeptabel«, als wären es übertrieben hohe Forderungen der Gewerkschaften nach Lohnerhöhungen. Der Mann ist angetreten, den Job der Nazis zu vollenden, und die Europäer fallen vor Entsetzen nicht in Ohnmacht, sondern zeigen Contenance und den Willen zur Kooperation.
Indem Ahmadineschad den Holocaust als »Mythos« bezeichnet, ihn in Frage stellt und zu einer Konferenz einlädt, auf der die historischen »Fakten« geklärt werden sollen, treibt er die Delegitimation Israels voran. Diese Deligitimation findet in Europa seit langem statt, freilich mit anderen Rechtfertigungen. Israel sei ein Staat ohne Grenzen, begründet auf Unrecht und Vertreibung, eine Gefahr für den Frieden in der Welt und das Hindernis zur Demokratisierung der Region. Beide Sichtweisen ergänzen sich organisch und arbeiten einander in die Hände. Die »Holocaust-Konferenz« in Teheran ist nur eine Etappe auf dem Wege von der »Endlösung der Judenfrage« zur Endlösung der Palästinafrage.

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025

Abkommen

»Trump meinte, die Israelis geraten etwas außer Kontrolle«

Die Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner geben im Interview mit »60 Minutes« spannende Einblicke hinter die Kulissen der Diplomatie

von Sabine Brandes  20.10.2025

Washington

Trump droht Hamas mit dem Tod

Die palästinensische Terrororganisation will ihre Herrschaft über Gaza fortsetzen. Nun redet der US-Präsident Klartext

von Anna Ringle  16.10.2025

Terror

Hamas gibt die Leichen von Tamir Nimrodi, Uriel Baruch und Eitan Levy zurück

Die vierte Leiche ist ein Palästinenser

 15.10.2025 Aktualisiert

München

Friedman fordert Social-Media-Regulierung als Kinderschutz

Hass sei keine Meinung, sondern pure Gewalt, sagt der Publizist. Er plädiert für strengere Regeln

 10.10.2025