Entsorgung

Weiberbibel im Karton

Im Blaumann und mit Atemschutzmaske sitzt Elisabeth Singer vor einem staubigen Berg papierner Fragmente. Vorsichtig zieht sie einzelne Textfetzen heraus und schaut nach, ob sich Angaben zu Druckort oder Druckjahr finden. Ist dies der Fall, kommt das Stück in eine gesonderte Kiste. In einem zweiten Karton landen vertrocknetes Laub und dürre Äste. Schließlich gibt es ein Kästchen für Überreste tierischer Skelette. Ein Rattenschädel liegt darin. »Weggeworfen wird nichts«, sagt die Volkskundlerin.
Seit 2001 arbeitet Singer im Genisa-Projekt des Jüdischen Kulturmuseums Veitshöchheim bei Würzburg. In einer Genisa wird abgelegt, was fromme Juden nicht wegwerfen dürfen: Torarollen, Gebetbücher und andere Texte, in denen der Na-
me Gottes vorkommt.
In Veitshöchheim sind Genisa-Funde aus acht fränkischen Landjudengemeinden gesammelt. 1988 begann deren Erforschung. 50 besonders interessante Stücke werden bis zum 19. Juli in der Wanderausstellung »Abgelegt« in Veitshöchheim präsentiert.
Der älteste Fund, ein in Prag gedruckter Machsor (Feiertagsgebetbuch) aus Memmelsdorf, geht laut Projektleiterin Martina Edelmann etwa auf das Jahr 1550 zurück. Aus dem Jahr 1616 stammt eine »Zenne-Renne«, eine »Weiberbibel«, die Frauen in Form kleiner Geschichten jüdische Regeln vermittelt. Zenne-Rennen wurden meist als minderwertige Literatur abqualifiziert, sagt Edelmann. Aus kulturhistorischer Sicht sei ein solcher Genisa-Fund jedoch äußerst wertvoll: »Er belegt, dass jüdische Frauen im 17. Jahrhundert lesen konnten.«
Zwischen den Gebetstexten finden sich Einkaufszettel, Notizbücher von Händlern, Briefe, Quittungen, Rechnungen – allesamt Zeugnisse, die zur Aufarbeitung der Geschichte des Landjudentums verwendet werden können.
Auch in der Synagoge der ehemaligen Gemeinde Weisenau bei Mainz wurde ein Genisa-Fund entdeckt. Ein Team um die Jiddistin Erika Timm erforschte ihn in den vergangenen Jahren an der Uni Trier. In Kürze wird die gerade fertiggestellte Publikation Jiddische Buchfragmente in der Weisenauer Genisa in Druck gehen.
Genisot waren vor allem bei süddeutschen Landjuden verbreitet. Aber auch in Norddeutschland hat es einzelne gegeben. Noch unerschlossen ist ein sehr seltener Genisa-Fund aus Hagenow bei Schwerin. In 14 Archivkartons finden sich Gebetbücher, Talmuddrucke, Kalender und Fragmente eines inzwischen restaurierten Tallits, so Henry Gawlick, Direktor des Hage- nower Stadtmuseums.
Nicht jede jüdische Gemeinde hatte eine Genisa. Das ist auch heute nicht anders. So gibt es zum Beispiel in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main keine. »Die Menschen bringen zu mir, was sie nicht mehr brauchen«, sagt Rabbiner Menachem Halevi Klein. Mehrmals im Jahr werden alte Schriften und Bücher in Tonkrügen auf dem Friedhof beerdigt. Auch in München und Düsseldorf gibt es keine Genisa. Pat Christ

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Berlin

Antimuslimischer Rassismus trifft Frauen besonders stark

Übergriffe auf Menschen, die Muslime sind oder als solche wahrgenommen werden, haben nach Aussage von Mitarbeitern von Beratungsstellen ein alarmierendes Ausmaß erreicht

 17.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025