Einwurf

Mit Heine gegen den Terror

Heinrich Heine nach einem Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim (1831) Foto: picture alliance / akg-images

Einwurf

Mit Heine gegen den Terror

Wer die Bilder der ausgemergelten Geiseln Rom Braslavski und Evjatar David kaum ertragen kann, findet zumindest ein bisschen Trost in Heinrich Heines Gedichten. Seine Verse sind auch heute so wahrhaftig wie vor 200 Jahren

von Maria Ossowski  04.08.2025 14:52 Uhr

Harry, hol mich hier raus. Komm, gib mir ein paar Zeilen. Nicht für die Abgründe alltäglicher Malaisen. Denen kann ich mit einem Vorteil des Alters widerstehen: alles schon mal erlebt. Ob die Katze auf Diät ihr Futter erwartet und mein Schmeicheln ignoriert oder ob das Finanzamt meine verspätete Steuererklärung erwartet und mit Mahnungen reagiert … banal.

Nein, Harry Heine, ich suche momentan deinen satirisch-romantischen Blick auf unsere unromantische Zeit, deine überraschenden, lakonischen Wendungen im Trott der erwartbar schlechten Nachrichten und deine melancholische Zuversicht, denn ich hab mich verloren in den Zeitläuften der Zeitungen und in den Bilderfluten auf Social Media. Da wechselt sich der Schrecken des Krieges in Nahost ab mit Strandvideos von Influencern auf Ibiza. Da folgt auf den Tunnel-Horror der Geiseln Evyatar und Rom irgendein Promi-Selfie vor sonnigen Berggipfeln. Da hilft nur noch eines: Facebook und Insta schließen und Heine-Gedichte bei dtv öffnen, zufällig Seite 23:

»Allen tut es weh im Herzen,

die den bleichen Knaben sehn,

dem die Leiden, dem die Schmerzen

aufs Gesicht geschrieben stehn«.

Touché. 200 Jahre alt und, wenn auch in völlig anderem Kontext, heute so wahrhaftig wie damals. Nur schon als Betrachter ertragen wir die Leiden und Schmerzen des Grab aushebenden Gefangenen David im Video kaum, wie hält ein Mensch jene Qualen realiter aus, die er und der Deutsch-Israeli Rom Braslavski gerade erdulden?

Die Schriftstellerin und Auschwitzüberlebende Ruth Klüger hat stundenlange Lager-Appelle in Kälte und Hitze, Hunger und ständigem Durst überlebt, so schrieb sie in ihrem Roman »weiter leben«, weil auswendig gelernte Gedichte sie trösteten. Was tröstet David und Rom, mögen sie noch am Leben sein? Wir wissen es nicht. Wir kennen aber Heines berühmte Klage, die sich zu ihrem Schicksal fügt:

»Anfangs wollt ich fast verzagen

Und ich dacht, ich trüg es nie.

Und ich hab es doch getragen -

Aber fragt mich nur nicht, wie«.

Ertragen, Tunnel und Gruft. Leiden, hungern, während nebenan Hamas-Schergen Fleisch und Fisch verzehren. Grausam, dem ausgesetzt zu sein, erschütternd und tröstend, dass es Heines Worte gibt dafür. Selbst wenn sie den Schrecken nicht mindern. Wozu gibt es ihn? Gilt die folgende Ahnung des Dichters auch für jene traurigen Zeiten, die wir gerade bezeugen? »Jede Zeit hat ihre Aufgabe, und durch die Lösung derselben rückt die Menschheit weiter«.

Lesen Sie auch

Die Lösung scheint zu fern und noch unvorstellbar, aber mit Heine an sie zu glauben, vertreibt ein wenig den schwarzen Vogel der Melancholie. Er kann sogar ganz verschwinden, für ein paar Stunden, und er fliegt davon, mit einem der unverzagtesten Heine-Verse:

Werdet nur nicht ungeduldig,

Wenn von alten Leidensklängen

Manche noch vernehmlich tönen

In den neuesten Gesängen.

Wartet nur, es wird verhallen

Dieses Echo meiner Schmerzen,

Und ein neuer Liederfrühling

Sprießt aus dem geheilten Herzen.

Harry, Du hast mich rausgeholt. Danke. Im Übrigen gilt für all jene, die Geiseln quälen, Dein kluges Fazit: »Ja, man muss seinen Feinden verzeihen, aber nicht eher, als bis sie gehängt wurden.«

Nach Absage in Belgien

Dirigent Shani in Berlin gefeiert

Nach der Ausladung von einem Festival werden die Münchner Philharmoniker und ihr künftiger Chefdirigent Lahav Shani in Berlin gefeiert. Bundespräsident Steinmeier hat für den Fall klare Worte

von Julia Kilian  15.09.2025

New York City

UN-Sicherheitsrat verurteilt Israels Angriff auf Katar einhellig

Sogar die USA schlossen sich der Erklärung an

 12.09.2025

Eurovision Song Contest

Gegen Israel: Irland erpresst Eurovision Song Contest-Veranstalter

Nach Slowenien hat auch Irland verkündet, dem Eurovision Song Contest fernzubleiben, sollte Israel teilnehmen. Damit verstoßen sie gegen Grundregeln des international beliebten TV-Wettbewerbs

 11.09.2025

Krieg

Zwei Raketen aus Gaza auf Israel abgeschossen

Am Sonntagmorgen wurde Israel aus dem Gazastreifen mit Raketen beschossen. Eine Bekenner-Erklärung gibt es auch

 07.09.2025

Berlin

Uni-Präsidentin rechnet mit neuen »propalästinensischen« Aktionen

Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, rechnet zum Wintersemester erneut mit »propalästinensischen« Aktionen. Dabei seien unter den Beteiligten kaum Studierende

 07.09.2025

Diplomatie

Netanjahu geht auf Belgiens Premier los

Für seine Entscheidung, Palästina als Staat anzuerkennen, wird Bart De Wever vom israelischen Ministerpräsident persönlich attackiert

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025