Glück

Vorlesungen zur Lebensweisheit

von Ingo Way

Wie wird man eigentlich glücklich? Eine Frage, die sich wohl die meisten Menschen stellen. Nur leider kann man sie nicht in Universitätsseminaren beantworten. Oder etwa doch? Tal Ben-Shahar glaubt, man kann. Und er tritt den Beweis an. Seine Gastvorlesung zum Thema Glück, die er seit fünf Jahren an der renommierten Harvard-Universität hält, zieht regelmäßig fast 1.000 Studenten an, die wissen wollen, was sie tun müssen, um ein gutes Leben zu führen. Damit ist dies die größte Vorlesung in Harvard.
Was macht Ben-Shahar dort? Ist er ein Guru, ein Motivationstrainer, ein Wellnessberater, ein Scharlatan gar? Keineswegs, alles läuft streng wissenschaftlich ab. Der Psychologe, der hauptberuflich am Interdisziplinären Zentrum der Universität Herzliya in Israel lehrt, schrieb 2004 seine Doktorarbeit zum Thema Selbstwertgefühl. Als Jugendlicher war Ben-Shahar Squashmeister von Israel. Nach einer Verletzung konnte er seinen Sport nicht mehr ausüben und musste sich Gedanken darüber machen, wie er auch ohne seinen geplatzten Traum ein gelungenes Leben führen könnte. Und irgendwann stieß er auf etwas, das sich »Positive Psychologie« nannte.
Die Positive Psychologie ist eine Fachrichtung, die Mitte der 90er-Jahre von dem amerikanischen Psychologen Martin E.P. Seligman begründet wurde. Seligman ist seit den 60er-Jahren eine Koryphäe in Therapeutenkreisen. Eines Tages befriedigte es ihn nicht mehr, dass die Psychologie nur von negativen Zuständen wie Angst, Neurose und Depression ausging. Therapeutisch wirksamer sei es, wie Seligman fand, auf den Ressourcen des Patienten aufzubauen, seine Stärken herauszufinden und diese zu festigen, statt sich mit der Analyse negativer Emotionen aufzuhalten.
Daran knüpft Tal Ben-Shahar an. Dabei geht es ihm, wie er betont, nicht darum, die negativen Aspekte des Lebens auszublenden. Vielmehr ist eine realistische Weltsicht das Ziel, in der man nicht in seinem Unglück versinkt, sondern sich die Frage stellt: Was ist das Beste, das ich in dieser Situation tun kann?
Sechs Grundsätze für ein glückliches Leben gibt Ben-Shahar seinen Studenten mit auf den Weg: 1.) Akzeptiert all eure Gefühle, positive wie negative. 2.) Glück entsteht durch Tätigkeiten, die sowohl Spaß machen als auch als persönlich sinnvoll erlebt werden. 3.) Glück hängt von der inneren Einstellung ab, nicht von der Höhe des Bankkontos. Also davon, ob wir ein Scheitern als Katastrophe betrachten oder als Chance, dazuzulernen. 4.) Alles langsamer angehen. Weniger tun, das Wenige dafür umso intensiver. 5.) Auch der Körper fühlt mit: Viel Schlaf, regelmäßiger Sport und eine gesunde Ernähung sind wichtig. Und schließlich 6.) Drückt Dankbarkeit aus für die guten Dinge, die euch widerfahren. Wer religiös ist, kann beten, wer nicht, angenehme Erlebnisse in sein Tagebuch schreiben.
Zugegeben, das klingt beim ersten Lesen recht schlicht, wie Weisheiten aus dem Poesiealbum. »Der Spiegel« lästert denn auch über die »Mischung aus esoterischer Selbstfindung, Pfadfindermoral und Positive Thinking«, die Ben-Shahar in seinen Vorlesungen biete. Doch möglicherweise ist das Misstrauen gegen Optimismus und eine gewisse amerikanische Hemdsärmligkeit der Ausdruck einer sehr deutschen Mentalität, für die Psychologie und Philosophie tief und profund zu sein haben und Wissenschaftsprosa nichts mit dem alltäglichen Leben zu tun haben darf.
Dabei ist es kein Egoismus, den Ben-Shahar predigt. Drei Typen des unglücklichen Menschen kennt er: Da ist einmal der Hedonist, der nur für sein kurzfristiges Vergnügen lebt, aber keinen Sinn im Leben findet. Zweitens der »Hamsterrad-Läufer«, der Zielen wie Reichtum und Erfolg hinterherrennt, aber zu leben vergisst. Und schließlich der Nihilist, der ohnehin schon nichts mehr erwartet. Glücklich werde dagegen derjenige, der Genuss und langfristige Ziele zu verbinden weiß.
Und wer großzügig ist, denn Glück ist kein Nullsummenspiel. »Das können wir vom Kapitalismus für unser Leben lernen«, schreibt Ben-Shahar: »Kapital kann man vermehren, indem man investiert. Der Manager ist am erfolgreichsten, der sein Wissen weitergibt, statt es eifersüchtig zu hüten. Auf dem freien Markt muss man geben, um etwas zu bekommen. Und so ist es auch mit guten Taten: Wer großzügig ist, bekommt etwas zurück.«
Neben Großzügigkeit ist das Zauberwort Akzeptanz: das Akzeptieren sowohl der eigenen Gefühle als auch der eigenen Fehler. Perfektionismus ist immer schädlich. Dabei warnt Ben-Shahar vor einem Paradox: »Wir sollten akzeptiereren, dass wir auch beim Akzeptieren niemals perfekt sein können.« Und vor überhöhten Ansprüchen: »Jeder hat sein persönliches Glücksniveau. Auf einer Skala von eins bis zehn liegt der eine vielleicht bei sechs, der andere bei sieben.« Jeder pendelt sich irgendwann wieder auf seinen Normalwert ein, egal ob er im Lotto gewinnt oder eine Querschnittslähmung erleidet.
Seine Harvard-Vorlesungen hat Ben-Shahar zu einem Buch zusammengefasst, Happier, das kürzlich auch in deutscher Sprache erschienen ist (Glücklicher, Reimann-Verlag 2008, 256 Seiten, 14,95 Euro). Aber nicht nur um das individuelle Glück kümmert er sich. Der Wissenschaftler, der in Israel seinen dreijährigen Wehrdienst abgeleistet hat, engagiert sich im »David Project Center for Jewish Leadership«, einer Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das Ansehen Israels zu verbessern und auf einen Frieden im Nahen Os- ten hinzuarbeiten. Denn Glück, das weiß Ben-Shahar, gedeiht am besten dort, wo Frieden und Wohlstand herrschen.

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