Monumente müssen nach klassischem Kunstverständnis in die Höhe ragen, je weiter nach oben, desto besser. Ob mittelalterliche Kirchen oder moderne Banktürme – Höhe symbolisiert Macht. Der israelische Künstler Micha Ullman arbeitet in umgekehrter Richtung. Seine Werke sind im Wortsinn untergründig. Er hebt Gruben aus, gräbt Löcher. »Das Unten – das versteckte – das Unsichtbare ist nicht weniger als das Oben – das Sichtbare«, sagt der vor 70 Jahren, am 11. Oktober 1939, in Tel Aviv geborene Sohn deutscher Juden. So hob er 1972 im arabischen Dorf Messer und im nahe gelegenen Kibbuz Metzer Gruben aus und füllte sie mit Erde der jeweils anderen Grube. 1995 durchlöcherte er eine Straße nahe des ehemaligen Ghetto Lodz. In Berlin schuf Ullman im selben Jahr eine seiner bekanntesten Arbeiten, das Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung auf dem Bebelplatz. Dort, wo im Mai 1933 rund 30.000 »undeutsche« literarische Werke auf den Scheiterhaufen geworfen wurden, blickt der Betrachter durch eine gläserne Bodenplatte in der Platzmitte in einen unterirdischen Raum mit leeren weißen Bücherregalen aus Beton. Auf einem Bronzeschild ist Heinrich Heines Zitat zu lesen: »Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.«
So sollte es nach dem Willen Ullmans jedenfalls sein. Die Stadt Berlin ist mit dem Werk jedoch wenig pfleglich umgegangen. Seit 2004 ist das Denkmal von einer Tiefgarage umbaut. Oben drüber finden regelmäßig kommerzielle Veranstaltungen aller Art statt. Ullmans Appell an den Senat, »den Ort in Ruhe zu lassen«, blieb ungehört. So ist der Bebelplatz zu einem anderen Monument geworden, einem Sinnbild dafür, welchen Stellenwert jenseits der Jubiläumsphrasen hierzulande Erinnerung wirklich hat. mjw
Micha Ullman