Djerba

Terror, Tote und Tourismus

von Tilman Vogt

Seit Anfang Januar wird im Pariser Justizpalast gegen die mutmaßlichen Hintermänner eines Terroranschlags von Al-Qaida verhandelt. Im April 2002 steuerte ein Selbstmordattentäter einen mit 5.000 Liter Flüssiggas beladenen Lastwagen in die Ghriba-Synagoge auf der tunesischen Insel Djerba. Die älteste Synagoge Nordafrikas explodierte, dabei starben 21 Menschen, auch der Attentäter selbst. 14 deutsche Touristen kamen ums Leben.
In Paris sind nun unter anderem der Bruder des Attentäters, Walid Naouar, und der Al-Qaida-Chefplaner Khaled Scheich Mohammed, der momentan im US-Lager Guantanamo interniert ist, angeklagt.
Hauptfigur ist allerdings ein Deutscher. Christian Ganczarski soll laut Staatsanwaltschaft die zentrale Person bei der Planung des Anschlags gewesen sein. So rief der Selbstmordfahrer Nisar Nawar kurz vor dem Anschlag bei Ganczarski in Deutschland an und bat diesen um seinen Segen. Das wird von den Ermittlern als Aktivierung des Attentäters gedeutet. Ganczarski widerspricht dieser Interpretation und beteuert, nie etwas mit dem Attentat zu tun gehabt zu haben. Er verurteile Gewalt gegen Unschuldige kategorisch.
Ihm diese Pose als friedliebender Frömmler abzunehmen, fällt schwer: Seine engen Verwicklungen in die Terrorstruktur von Al-Qaida gilt als unstrittig. So leistete der 1976 aus Polen nach Deutschland eingewanderte islamische Konvertit vermutlich Kurierdienste zwischen Osama Bin Laden und Sheikh Mohammed, hielt sich längere Zeit in afghanischen Terrorcamps auf und hatte Kontakt zu zwei Attentätern des 11. September 2001.
Da sich der französische Präsident Nicolas Sarkozy im Anschluss an Ganczarskis Festnahme 2003 in Paris sofort damit rühmte, ein Topterrorist sei ins Netz gegangen, sieht sich der Angeklagte jedoch von höchster Stelle vorverurteilt und bestreitet die Korrektheit des Verfahrens. Daher verfasste er zu Prozessbeginn einen Brief an Angela Merkel, mit der Bitte, sich in Frankreich für »eine gerechte und faire Verhandlung« einzusetzen.
Dieser hilflose Schachzug eines Gesuchs an die deutsche Kanzlerin ist in erster Linie deshalb beachtenswert, weil er deutlich macht, dass es sich um einen typischen Fall von homegrown terrorism – also in Deutschland entstandenem Terror – handelt. Es zeigt sich damit, dass keineswegs nur ein spezifischer kultureller Hintergrund für die Herausbildung von religiösem Fanatismus ausschlaggebend sein kann: Ganczarski stammt aus einem katholischen Haushalt und wuchs im nicht besonders terrorverdächtigen Mülheim an der Ruhr auf.
Neben der Frage, ob es gelingt, Ganczarski Mittäterschaft zu beweisen, ist es bei dem Prozess, der bis zum 6. Februar dauern soll, auch interessant, ob auf mögliche Zusammenhänge zu anderen Verwüstungen tunesischer Synagogen in Marsa und Sfax am Vorabend des Attentats eingegangen wird. Wenn das im Prozess berücksichtigt wird, könnte deutlich werden, dass bei den Verantwortlichen eine noch weitreichendere Koordination und eine klare antisemitische Motivation herrschte.
Während der Anschlag auf die Ghriba-Synagoge von den tunesischen Behörden nur nach Verzögerungen als solcher bezeichnet wurde – zunächst deklarierte man ihn als Unfall –, sind die fast zeitgleich erfolgten zwei Synagogenschändungen nahezu unbeachtet geblieben. Da den auf Tourismus angewiesenen tunesischen Behörden vor allem an einem vertrauenerweckenden Image gelegen ist, scheint es unwahrscheinlich, dass sich an der Trägheit, die die Aufklärung bislang kennzeichnete, viel ändert und der Fall in seiner ganzen Breite Aufmerksamkeit findet.
Alle drei Gotteshäuser, in denen nach der massenhaften Auswanderung der 1948 noch über 100.000 Juden zählenden Gemeinde mittlerweile kaum noch Gottesdienste abgehalten werden, sind inzwischen rekonstruiert worden und dienen der tunesischen Ferienindustrie wieder als Touristenattraktion.
Dabei wirft die übertünchte Vergangenheit lange Schatten und könnte sich in Tagen, in denen wild gewordene Hamas-Führer Angriffe auf »Zionisten« auf der gan- zen Welt ankündigen, auf ungute Weise wiederholen: Auch während der zweiten Intifada im April 2002 tobten antiisraelische Demonstrationen durch die tunesischen Städte. Just am Tage des Prozessauftaktes ereignete sich nun im fran- zösischen Toulouse (vgl. Seite 3) ein Anschlagsversuch, bei dem jedoch zum Glück niemand verletzt wurde. Delikaterweise war auch hier ein mit explosivem Material bepacktes Auto in die Mauer der Synagoge gesteuert worden.

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025