Türkei

Stimmungsaufheller

von Thomas Seibert

Es hat lange gedauert, das Ergebnis stellt viele immer noch nicht zufrieden, aber immerhin gibt es jetzt einen Beschluss: Nach jahrelangem Ringen hat das türkische Parlament ein neues Stiftungsgesetz verabschiedet, das die Lage der nichtmuslimischen Minderheiten im Land verbessern soll. Auch die jüdische Gemeinde soll von dem neuen Gesetz profitieren, wenn auch die Juden wesentlich weniger betroffen sind als etwa die griechisch-orthodoxen Christen.
Von der EU als unabdingbare Reform auf dem Weg zur Mitgliedschaft gefordert, von türkischen Nationalisten als Ausverkauf an das Ausland verdammt, wurde das Stiftungsgesetz in den vergangenen Jahren zu einem besonders heftig umkämpften Projekt in Ankara. Stiftungen sind deshalb für nicht-muslimische Minderheiten in der Türkei wichtig, weil sie die einzige legale Organisationsform für sie bilden. In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele hundert Immobilien der Nichtmuslime vom türkischen Staat eingezogen.
Das neue Gesetz soll diese Missstände zumindest zum Teil reparieren. Die Minderheiten erhalten enteignete Liegenschaften zurück und dürfen neue erwerben oder geschenkt bekommen; in Zeitungsberichten ist von der Rückgabe von etwa 350 Immobilien die Rede. Auch finanzielle Hilfe aus dem Ausland soll den Nichtmuslimen in Zukunft gestattet sein. Kritisiert wird, dass die in den vergangenen Jahren vom Staat an Dritte weiterverkauften Immobilien aus nichtmuslimischem Besitz nicht zurückgegeben werden sollen.
Türkische Nationalisten sehen in dem Gesetz aber auch so schon eine Stärkung potenziell staatfeindlicher Kräfte, weil insbesondere die griechischen und armenischen Christen bei ihnen im Verdacht stehen, ausländische Mächte in der Türkei zu repräsentieren. Auch in der säkulären Republik Türkei ist es für die allermeisten Bürger selbstverständlich, dass ein »richtiger« Türke auch ein Moslem sein muss.
Der frühere Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer hatte das Gesetz vor anderthalb Jahren ans Parlament zurückverwiesen und eine erneute Beschlussfassung erzwungen, die erst jetzt nachgeholt wurde. Sezers Amtsnachfolger Abdullah Gül zeichnete das Gesetz ohne Zögern ab und setzte es in Kraft.
Von dem mehreren hundert Immobilien, die jetzt aus dem Besitz des Staates an Christen und Juden zurückgegeben werden, gehören nach Presseberichten sechs zur jüdischen Gemeinde in der Türkei. Es handelt sich dabei um ein halbes Dutzend Geschäfte in Istanbul, die Teil einer Synagogenstiftung sind.
Anders als die christlichen Minderheiten in der Türkei werden die rund 20.000 Juden des Landes selbst von Rechtsnationalisten kaum angefeindet. Die Türkei ist bis heute stolz darauf, dass die osmanischen Sultane im 15. Jahrhundert die damals von der spanischen Inquisition vertriebenen Juden aufnahmen und ihnen eine neue Heimat boten. Auch in der Nazi-Zeit nahm die Türkei verfolgte Juden aus Deutschland auf.
Die von türkischen Islamisten verübten Anschläge auf zwei Synagogen im November 2003 bildeten das bisher größte Schockerlebnis in der Geschichte eines Zusammenlebens zwischen Juden und dem zu 99 Prozent muslimischen türkischen Staat, das zwar nicht immer sorgenfrei ist, aber doch meistens ohne größere Probleme funktioniert. Die islamisch geprägte Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat in den vergangenen Jahren mehr für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Nichtmuslime in der Türkei getan als die Regierungen davor. Viele türkische Juden wählten deshalb bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr Erdogans AK-Partei.
Bei der Problematik des neuen Stiftungsgesetzes sind die Juden die am wenigsten betroffene Gruppe, sagt Etyen Mahcupyan, der Chefredakteur der armenischen Wochenzeitung »Agos«. Die Juden hätten bessere Beziehungen zum türkischen Staat als die griechischen oder die armenischen Christen. Dennoch leiden auch die Juden in der Türkei darunter, dass nichtmuslimische Bürger der Republik gewissermaßen als »Nicht-Bürger« betrachtet werden, wie es Mahcupyan ausdrückt. Die Entscheidung für das neue Stiftungsgesetz kann dieses Misstrauen gegenüber den Nicht-Muslimen lindern – ganz aus der Welt schaffen kann sie es nicht.

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