Madrid

Spanische Verhältnisse

von Uwe Scheele

Israels Außenministerin Zipi Livni war wütend. Ein spanisches Gericht will sieben israelische Politiker wegen Kriegsverbrechen vor Gericht stellen. So steht es in der Ermittlungsakte 157/2.008 des zentralen spanischen Gerichts Audiencia Nacional. Livni rief ihren spanischen Amtskollegen Miguel Angel Moratinos an. Der versprach eine einvernehmliche Lösung und stellte eine umgehende Gesetzesänderung in Spanien in Aussicht.
Am 29. Januar hatte Richter Fernando Andreu ein Ermittlungsverfahren gegen sieben ranghohe Vertreter des israelischen Verteidigungsministeriums eröffnet. Ihnen wird vorgeworfen, in der Nacht des 22. Juli 2002 bei einem Bombenangriff auf das Haus des Hamas-Führers Salah Shehadeh im dicht besiedelten Al-Daraj-Viertel von Gasa-Stadt außer dem Islamisten auch 14 Zivilisten, darunter viele Kinder, getötet und 150 Menschen verletzt zu haben. Für derartige Kriegsverbrechen sei die spanische Justiz zuständig, heißt es in dem Ermittlungsbescheid, der der israelischen Botschaft in Madrid zugestellt wurde.
Die Verantwortlichen des Angriffs eines F16-Kampfjets mit einer ferngesteuerten, tonnenschweren Bombe sind nach Ansicht des ermittelnden Richters unter anderem Benjamin Ben-Eliezer, seinerzeit Verteidigungsminister und derzeit noch Infrastrukturminister der Regierung Olmert, sowie der damalige Generalstabschef der israelischen Streitkräfte, Moshe Yaalon. Insgesamt werden sieben Israelis aufgefordert, sich für weitere Ermittlungen der spanischen Justizbehörden bereitzuhalten. Es drohen sogar internationale Haftbefehle.
Bereits im August letzten Jahres hatte der ermittelnde Richter Fernando Andreu beim israelischen Justizministerium nach einem Klageantrag von sechs Palästinensern Informationen über Verfahren israelischer Gerichte zu dem Mordanschlag von Gasa angefordert. Denn die universelle Zuständigkeit spanischer Gerichte greift nur dann, wenn im Land, in dem die Tat verübt wurde, kein Verfahren eröffnet wurde.
Anfang Dezember soll es nach Informationen der spanischen Tageszeitung »El País« sogar ein Treffen zwischen Andreu und dem israelischen Botschafter in Madrid, Raphael Schutz, gegeben haben. Dabei habe Schutz wissen wollen, ob die Beschuldigten bei Auslandsreisen mit ihrer Verhaftung zu rechnen hätten. Nur einen Tag nach der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens vor der Audiencia Nacional haben Vertreter der israelischen Botschaft im spanischen Außenministerium umfangreiches Material zu dem Fall eingereicht. Es soll sich um mehrere Urteile des obersten israelischen Gerichtshofs zu Mordanschlägen auf Hamas-Führer und die Ablehnung einer Klage der israelischen Bürgerrechtsbewegung Yesh Gvul wegen des Anschlags auf Shehadeh handeln. Die Überstellung der von Spanien angeforderten Unterlagen habe aufgrund der unterschiedlichen Justizsysteme beider Länder so lange gedauert, ist von der israelischen Botschaft zu erfahren. Nun aber rechne man mit der Einstellung des Verfahrens.
Sieben Mitglieder ihrer Familie haben die Brüder Raed und Rami Mattar bei dem Angriff vom 22. Juli 2002 verloren. Sie selbst überlebten. »Wir haben erst hinterher erfahren, dass Shehadeh neben uns wohnte. Er ist eine Woche vorher eingezogen«, sagt Raed Mattar. Beide leiden noch heute an den Folgen des Angriffs, bei dem neun Häuser vollkommen und neun weitere teilweise zerstört wurden. Zusammen mit der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Palestinian Centre of Human Rights (PCHR) wollen die Brüder Mattar die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. In Israel ist ihre Klage im Dezember abgeschmettert worden, jetzt setzen sie auf die spanische Rechtsprechung, die in der Vergangenheit mit Ermittlungen gegen Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet, die argentinische Militärdiktatur oder Folterungen in Guatemala für Aufsehen sorgte.
Weil diese universelle Zuständigkeit der spanischen Justiz in Fällen von Terrorismus, Völkermord oder Kriegsverbrechen zu diplomatischen Verstimmungen führt, denkt die Regierung Zapatero über eine Gesetzesänderung nach. In Zukunft sollen spanische Richter nur dann ermitteln, wenn Spanier im Ausland betroffen sind oder die Tat in Spanien verübt wurde.
»Es ist bedauerlich, dass die Regierung die Gesetzgebung aufgrund des Drucks einer anderen Regierung ändern will«, erklärt der Sprecher des Verbands »Richter für Demokratie«, Miguel Angel Gimeno. »Es sollte nicht exotisch sein, wenn einige Staaten die Menschenrechte mit ihrer eigenen Rechtsprechung verteidigen, selbst wenn es für die Regierung unbequem ist.«
Israels Verteidigungsminister Ehud Barak hatte im Januar einen Gesetzesvorschlag vorbereitet, nach dem Offizieren und Soldaten Unterstützung und Schutz zugesichert wird, wenn sie wegen des Einsatzes angeklagt werden.

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