New York

Sophie Scholls Geschichte wird zum Musical

Sophie Scholl (1921–1943) Foto: imago

New York

Sophie Scholls Geschichte wird zum Musical

Das Stück wird erst am Off-Broadway ausprobiert, bevor es auf den großen Bühnen gespielt werden soll

von Christian Fahrenbach  30.01.2024 17:05 Uhr

Wer das Wort »Musical« hört, denkt in Deutschland immer noch oft an singende Spielzeugeisenbahnen und tanzende Katzen, Andrew Lloyd Webber sei Dank. In den USA hat das Musiktheater seit Jahrzehnten eine größere Bedeutung. Dort hat einst »West Side Story« den Jazz an den Broadway gebracht, »Hamilton« erzählte mit Hip-Hop von den Gründervätern und in den Startlöchern steht »Suffs«, eine mit Branchenberühmtheiten besetzte Abhandlung zur Suffragetten-Bewegung.

Bevor es solche Stoffe an die berühmteste Theatermeile der Welt schaffen, werden sie vorher oft in einem Off-Broadway-Theater ausprobiert. Dort ist nun ein ungewöhnlicher deutscher Historienstoff zu sehen: »White Rose – The Musical« ist eine Bühnenfassung der Geschichte um die Nazi-Widerstandsbewegung Weiße Rose.

Im kleinen »Theatre Row«-Theater mit gut 200 Plätzen, aber immerhin angesetzt auf zwölf Wochen bis Ende März, wird dort mit neu geschriebener Musik von den Geschwistern Scholl, ihren Flugblättern und schließlich ihrer Hinrichtung erzählt. Gerade als deutsches Publikum fragt man sich: Kann das gut gehen?

Dass das prinzipiell möglich ist, hatte vergangenen April ein kleines Musical in Fürth bewiesen. Dort hatte »Scholl – Die Knospe der Weißen Rose« aber einen kleineren Ausschnitt gewählt und von Skiferien der berühmten Geschwister vierzehn Monate vor ihrer ersten Flugblattaktion gehandelt. Dafür gab es Kritikerlob und sieben Nominierungen beim Deutschen Musical Theater Preis.

Die New Yorker Adaption ist dagegen traditionell chronologisch strukturiert. Es gibt einen winzigen Prolog, in dem Sophie Scholl ihrem Bruder andeutungsschwer zuraunt: »Hans, wird irgendwas hiervon wirklich von Bedeutung sein?«, und er »Vielleicht nicht sofort«, antworten darf. Sofort danach erleben die Zuschauer, wie die junge Scholl im Kriegsjahr 1942 in München ankommt. Dort trifft sie auf die Studienfreunde ihres Bruders und beginnt schnell, über Widerstand gegen die Nazis nachzudenken. Über anderthalb Stunden hinweg schlägt der Abend den Bogen bis hin zum Tod der Geschwister und ihrer Helfer.

Subtil ist das nicht – gesprochene und gesungene Texte erläutern viele Hintergründe der Geschichte, so dass auch ein Publikum, das noch nie von der Widerstandsgruppe gehört hat, die Geschehnisse nachvollziehen kann. Hinzu kommen anachronistische Brüche, so dass beispielsweise ein Charakter laut »Bullshit!« skandieren darf. Und auch die Musik mit treibenden E-Gitarren und Schlagzeug-Beats ist oft etwas uninspiriert modern – immerhin umschifft sie aber beinahe vollständig deutsche Marschmusik-Klischees jener Zeit.

Neben den Geschwistern bekommen alte Freunde - die jüdische Bekannte Lilo Ramdohr und Philosophieprofessor Kurt Huber - eigene Songs und die Gelegenheit, eine der Kernfragen durchzuspielen, die noch heute an diesem Stoff faszinieren: Welche Gründe finden wir, um zu handeln – und welche Ausreden, um nichts zu tun? »Die Studierenden der Weißen Rose haben zu den wenigen Privilegierten gehört, die von Diskriminierung und ungerechten Gesetzen profitiert haben«, erklärt Autor Brian Belding seine Motivation. »Und trotzdem sind sie am Ende für jene aufgestanden, die keine Stimme mehr hatten.«

Daran, wie er diesen Gedanken durchexerziert, ist vieles konventionell, doch einige ruhige Momente und kleine Dialogsätze gelingen Belding. »Die Menschen sind vollkommen glücklich, wenn sie komplett ignorant bleiben dürfen«, lautet ein solcher Widerhaken von Hans Scholl. Und sekundenlang herrscht bedrückende Stille, als der ältere Bruder mit der kleinen Schwester die Risiken ihrer Taten abwägt und sagt: »Aber keiner von uns ist Jude!« Sie stellt als Antwort eine Frage in den Raum, die eben doch beweist, dass auch Musical sehr wohl engagierte und brandaktuelle Kunst liefern kann: »Wann ist denn zuletzt jemand für die Juden eingetreten?«

Computerspiel

Lenny Kravitz wird James-Bond-Bösewicht

Als fieser Schurke will der Musiker im kommenden Jahr dem Agenten 007 das Leben schwer machen – allerdings nicht auf der Kinoleinwand

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Aufgegabelt

Latkes aus Dillgürkchen

Rezepte und Leckeres

 12.12.2025

Kulturkolumne

Lieber Chanukka als Weihnachtsstress?

Warum Juden es auch nicht besser haben – was sich spätestens an Pessach zeigen wird

von Maria Ossowski  12.12.2025

Kommerz

Geld oder Schokolade?

Der Brauch, an den Feiertagen um Münzen zu spielen, hat wenig mit den Makkabäern oder dem traditionellen Chanukkagelt zu tun. Der Ursprung liegt woanders

von Ayala Goldmann  12.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Singend durch Paris oder Warum unser Chanukka-Song der beste ist

von Nicole Dreyfus  12.12.2025

Literatur

Deutsch-Hebräischer Übersetzerpreis für Helene Seidler

Die Schriftstellerin wurde für die Übersetzung des Romans »Unter Freunden stirbt man nicht« von Noa Yedlin ausgezeichnet

 12.12.2025

Zürich

Protest gegen ESC-Teilnahme Israels: Nemo gibt Pokal zurück

Mit der Zulassung Israels verrate der Gesangswettbewerb seine Werte von »Einheit, Inklusion und Würde für aller Menschen«, so Nemo

 12.12.2025

Meinung

Nemo unverbesserlich

Nemo gibt mit Rückgabe der ESC-Siegertrophäe auch Haltung ab. Statt Rückgrat zu zeigen, schwimmt das Schweizer Gesangswunder von 2024 im postkolonialen Strom mit

von Nicole Dreyfus  12.12.2025