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Solidarität in Fürth

von Andreas Franke

Das Haus trägt heute seinen Namen. Der Bleistiftfabrikant Heinrich Berolzheimer stiftete 1904 rund 223.000 Goldmark für ein Volksbildungsheim mit Bibliothek. Darin sollten sich alle Bürger der Industrie- und Arbeiterstadt Fürth kostenlos bilden können. Vor genau 100 Jahren wurde das Jugendstilgebäude eröffnet. Die heute liebevoll »Berolzheimerianum« genannte Einrichtung ist eines von vielen Beispielen für jüdische Stiftungen in Fürth. Seit Jahren beheimatet sie die »Comödie« der Kabarettisten Volker Heißmann und Martin Rassau, in der Anfang Juli die Benefiz-Gala »Wir Fürther sagen danke!« stattfand.
Vorausgegangen war ein Hilferuf der Israelitischen Kultusgemeinde in Fürth. Die 1902 erbaute Halle des neuen jüdischen Friedhofs in Fürth ist akut einsturzgefährdet. Provisorische Stützen halten bereits die Decke. Fundament, Türen und Fenster müssen ebenfalls saniert werden. Die Haustechnik ist längst nicht mehr zeitgemäß.
Die Halle wird von der Gemeinde jedoch noch bei jüdischen Bestattungen genutzt. »Vor der Schoa haben jüdische Bürger durch bedeutende Stiftungen zum Wohle der Stadt Fürth beigetragen. Nun bitten wir Sie herzlich um eine großzügige Zuwendung«, wendet sich Gisela Naomi Blume an die Adresse der Fürther. Die Vorsitzende der kleinen Gemeinde betont, daß die 500 Mitglieder die benötigte Summe von 1,3 Millionen Euro nicht alleine aufbringen können. Mindestens die Hälfte aber müßte die IKG stellen, so Blume, damit das Landesamt für Denkmalpflege einen »beträchtlichen Zuschuß« gibt. »Immer wieder stürzen Gesteinsbrocken vom Dach«. Ein Aufschub der Sanierung sei nicht länger möglich.
Die jüdische Gemeinde in Fürth hat heute nur noch ein Zehntel der Mitgliederzahl von 1902, erklärt die Vorsitzende. Anfang des 19. Jahrhunderts war noch jeder vierte Bürger in der Stadt Jude. Die Geschichte der Stadt ist eng mit der der jüdischen Gemeinde verbunden. Ausgangspunkt war Mitte des 15. Jahrhunderts die Vertreibung der Juden aus der Nachbarstadt Nürnberg. Sie durften sich in Fürth niederlassen, freilich gegen Zahlung einer hohen Summe. Doch in der Folgezeit erlangte die jüdische Gemeinde europäischen Ruf. 1607 wurde der alte Friedhof angelegt und bis 1936 genutzt. Der neue Friedhof dient seit 100 Jahren als Beerdigungsstätte. 1617 weihte die Gemeinde die erste Synagoge ein. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts gründeten die Fürther Juden eine Talmudhochschule. Sie machte den Namen Fürths weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Wie auch einige angesehene Wiener Juden, die nach ihrer Vertreibung in der toleranten und offenen Stadt eine neue Heimat fanden.
»Es gab hier nie ein Ghetto, die Juden genossen außerordentliche Rechte«, lobt Blume rückblickend die Offenheit der Stadt. Deshalb hätten auch die Fürther Juden im Bestreben um die bürgerliche Gleichstellung im Königreich Bayern besonderen Anteil. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts dankten es die wohlhabenden jüdischen Bürger ihrer Stadt mit zahlreichen Stiftungen. Wie die von Heinrich Berolzheimer, oder die von Alfred Nathan, der ein Entbindungsheim errichten ließ, in dem so mancher Fürther Bürger das Licht der Welt erblickte. Darunter der im Mai 1961 geborene Thomas Jung, der heute als Oberbürgermeister die Geschicke der Stadt leitet.
Jung unterstützt die Benefiz-Aktion und betont: »Wenn nur jeder, der im Nathan-Stift geboren wurde, zehn Euro spendet, wäre schon viel geholfen.« Daß dieser Aufruf an die Solidarität der Fürther bereits auf fruchtbaren Boden gefallen ist, zeigt auch die Spende einer christlichen Gruppe aus der Stadt. »Es waren 15.000 Euro! Können Sie sich vorstellen, wie mir da zumute war?« fragt Gisela Blume, noch immer von dieser Großzügigkeit beeindruckt. Bei der Benefiz-Gala kamen weitere 7.000 Euro zusammen. Im Vorfeld waren zusätzlich insgesamt 23.500 Euro eingegangen, so daß die Gemeinde schon über Eigenmittel in Höhe von 30.500 Euro verfügt.
Wann mit den Sanierungarbeiten begonnen werden kann, ist allerdings noch offen. »Wir sagen trotzdem schon all jenen Dank, die uns geholfen haben«, sagt Gisela Blume. Mit der Hilfe vieler Spender und Sponsoren kann wohl bald auch eine dringend benötigte zweite Torarolle gekauft werden. Aber ein Traum wird wohl das Vorhaben bleiben, auch noch die floralen Wandgemälde in der alten Friedhofshalle freizulegen und zu restaurieren.
Hypovereinsbank Fürth, Konto-Nummer 4 032 500, Bankleitzahl 762 200 73.

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