Libanonkrieg

Siegreiche Niederlage

von Wladimir Struminski

Ehud Olmert strahlt Mut und Entschlossenheit aus. Die Entscheidung zum Eingreifen im Libanon sei richtig gewesen – schließlich sei an der Nordgrenze Israels Souveränität verletzt worden. Und wenn die Feinde glaubten, Israel sei schwach, so irrten sie. Zum Abschluss seiner Knessetrede hebt der Regierungschef die Stimme: »Wir werden siegen!« Da klatschen selbst politische Gegner Beifall, und die Bürger gehen beruhigt zu Bett.
Seit diesem Applaus ist ein Jahr vergangen. Olmert markige Worte stammen aus einer Rede vom 17. Juli 2006, ganze fünf Tage nach Kriegsbeginn. Heute wirkt die Erinnerung an die damalige Euphorie so peinlich wie die in Champagnerlaune gemachte Liebeserklärung am Morgen danach.
Nach einem Jahr müssen die Israelis feststellen, dass kein einziges der Kriegsziele erreicht oder gehalten werden konnte. Die Waffenlager der Hisbollah sind längst wieder aufgefüllt – und zwar trotz der von Israel als Erfolg bejubelten Resolution 1701 des UN-Weltsicherheitsrats, gemäß der die schiitische Miliz eigentlich entwaffnet werden sollte. Die Grenze zwischen Syrien und dem Libanon, räumte vor Kurzem sogar die UNO ein, stehe offen – also auch für Waffenschmuggel. Hisbollahposten an der Grenze zu Israel sind zwar nicht wieder aufgebaut worden, doch sind Hassan Nasrallahs Kämpfer in der Grenzregion präsent, etwas diskreter als zuvor, aber allzeit bereit. Daran ändert weder die libanesische Armee etwas, noch die nach dem Krieg verstärkte UNO-Truppe UNIFIL. Auch im Rückblick, konstatiert Efraim Inbar, Direktor des BESA-Instituts für Strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität, bleibe der Krieg »ein Versagen«.
Von den beiden in Hisbollah-Gefangenschaft geratenen Soldaten Ehud Goldwasser und Eldad Regew fehlt noch immer jede Spur. So muss Olmert, der sie eigentlich mit Militärgewalt befreien wollte, heute mit der Hisbollah über einen Gefangenenaustausch verhandeln. In den palästinensischen Gebieten wiederum, er- klärt der israelische Politologe Hillel Frisch, hat der Erfolg der Hisbollah der Hamas den Rücken gestärkt. »In den Augen vieler Palästinenser »hat der Libanonkrieg die von der Hamas vertretene Position bestätigt, dass Israel sich militärisch zermürben lasse«. Das stärkt die Terrorfront.
Auch Olmerts innenpolitische Bilanz sieht ein Jahr nach dem Krieg düster aus. Zwar sitzt er noch immer im Ministerpräsidentenamt, doch wackelt sein Stuhl zunehmend. Der für den Herbst erwartete Schlussbericht der Kriegsuntersuchungskommission könnte ihn aus dem Amt fegen. Jetzt schon muss der Premier mit einer Außenministerin Zipi Liwni und ei- nem Verteidigungsminister Ehud Barak vorliebnehmen, die seinen Rücktritt fordern. Sein Hauptwahlversprechen von 2006 – ein einseitiger Rückzug aus dem Westjordanland – ist den Katjuscha-Raketen der Hisbollah zum Opfer gefallen. Als Regierungspartei ist die von Olmert geführte Kadima wohl unwiderruflich passé. Durch den Krieg verlor sie massiv Wähler an den Likud. Nach der Wahl des Ex-Premiers Ehud Barak zum Chef der Arbeitspartei wenden sich viele Kadima-Wähler von 2006 erneut der Awoda zu. Fänden heute Wahlen statt, käme der Likud auf über 30 Mandate, die Arbeitspartei auf rund 25 und Kadima auf zehn bis zwölf.
Wenn es dennoch Positives zu vermelden gibt, dann nach dem Motto »Glück im Unglück«. »Es ist besser, gegen die Hisbollah und nicht gegen einen stärkeren Gegner zu versagen«, urteilt Inbar. Zudem, stellt er fest, wurde die Armee durch die Schlappe wachgerüttelt und ist seit dem letzten Jahr energisch um eine Aufwertung ihrer Kampfkraft bemüht. Der Fundamentalismusexperte Emmanuel Sivan wiederum glaubt, der Kriegsauftritt der Hisbollah habe der arabischen Welt die destruktive Rolle des Irans im Nahen Osten überdeutlich gemacht – und zwar früher, als Teheran lieb war. Dies habe Israels strategische Position trotz der unbefriedigenden Kriegsführung gestärkt. Ob Ehud Olmert von diesem, so Sivan, unbeabsichtigten Ergebnis noch profitieren kann, ist zweifelhaft.

Hamburg

Zehn Monate auf Bewährung nach mutmaßlich antisemitischem Angriff

Die 27-Jährige hatte ein Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nach einer Vorlesung über antijüdische Gewalt attackiert

 28.04.2025

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025