Denkmalschutz

Sein statt Schein

von Karl-Josef Müller

Hohes Gras, Unkraut, morsche Zäune, nicht abgeschlossene Tore, Abfall und Schutt am Rande der Friedhofsfläche, umgestürzte Grabsteine – wer in Hessen jüdische Friedhöfe besucht, bekommt fast alle Formen der Vernachlässigung eines Denkmals zu sehen. Dabei stehen sie unter einem besonderen Schutz. Heißt es doch in den »Richtlinien zur Sicherung und Betreuung der jüdischen Friedhöfe in Hessen«: »Die jüdischen Friedhöfe in Hessen sind vor allem aus geschichtlichen, aber auch aus künstlerischen Gründen Kulturdenkmäler im Sinne des Hessischen Denkmalschutzgesetzes, an ihrer Erhaltung als in der Landschaft eingefügte Gesamtheit und ihrer Pflege besteht ein besonderes öffentliches Interesse.«
Mehr als 340 jüdische Friedhöfe gibt es in Hessen, sie erinnern größtenteils an vergangenes jüdisches Leben. Auf Landkarten sind alle möglichen Sehenswürdigkeiten verzeichnet, die jüdischen Friedhöfe sucht man meist vergebens. In den Orten selbst fehlen entsprechende Hinweisschilder.
Thea Altaras hat in ihrem Buch Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah nach 1945? (Verlag Langewiesche, Königstein im Taunus 2007) dokumentiert, wie ein Großteil der noch vorhandenen Synagogen abgerissen, zweckentfremdet oder bis zur Unkenntlichkeit umgebaut wurde. 1933 gab es auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen nahezu 400 Synagogen und Beträume. Trotz der Zerstörungen in der Pogromnacht 1938 existierten am 8. Mai 1945 noch mehr als 200 Synagogen. Seit diesem Tag – so könnte man meinen – wurde viel Energie darauf verwendet, sie zu zerstören oder unkenntlich zu machen.
Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, wenn ein jüdischer Friedhof gepflegt oder eine zum Feuerwehrgerätehaus missbrauchte Synagoge wieder als solche sichtbar gemacht wird, wie dies zurzeit im mittelhessischen Münzenberg geschieht. In Marburg möchte man die Grundmauern der 1938 zerstörten Synagoge freilegen, doch so denken nicht alle Bürger, wie ein Leserbrief in der Lokalpresse zeigt. Ein idyllischer Ort werde durch die Ausgrabungen beschädigt. Monika Bunk, stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Marburg, findet es »bedauerlich, dass sich Marburger Bürger« heute »über den vermeintlichen Verlust eines ›Naherholungsplatzes‹« aufregen, der ohne die Pogromnacht »überhaupt nicht vorhanden wäre«.
Ein weiteres Zeichen für die Ignoranz der Öffentlichkeit ist der Zustand des Synagogengebäudes in Pohlgöns, einem Ortsteil von Butzbach. 1927 erbaut, entging das kleine Gotteshaus von 7,30 mal 7,10 Meter Grundfläche im November 1938 der Vernichtung, weil in unmittelbarer Nachbarschaft eine Schreinerei angesiedelt war. »Das Synagogengebäude ging in den Besitz des christlichen Nachbarn über, der sie als Abstellraum für die Schreinerwerkstatt benutzte«, so Thea Altaras in ihrer Dokumentation.
Die jüdischen Friedhöfe und Synagogen erinnern daran, dass jüdisches Leben auch in der hessischen Provinz einmal zum Alltag gehörte. Gemeinsam bilden die Grabsteine der Friedhöfe ein Stelenfeld, das größer sein dürfte als das der zentralen Holo- caust-Gedenkstätte in Berlin. Die Grabsteine künden unmissverständlich vom jüdischen Leben in diesem Dorf, jener Stadt. Doch werden diese Zeugnisse gegenwärtig kaum zur Kenntnis genommen.

Berlin

Bundesamt entscheidet wieder über Asylanträge aus Gaza

Seit Anfang 2024 hatte das BAMF nicht mehr über Asylanträge aus Gaza entschieden. Nun wurde der Bearbeitungsstopp laut Innenministerium aufgehoben

 18.07.2025

Syrien

Netanjahu will keine Regierungstruppen südlich von Damaskus

Nach Berichten über Massaker gegen die drusische Minderheit hat Israel eingegriffen

 17.07.2025

Bonn

Schoa-Überlebende und Cellistin Anita Lasker-Wallfisch wird 100

Sie war die »Cellistin von Auschwitz« - und später eine engagierte Zeitzeugin, die etwa vor Schülern über ihre Erlebnisse unter dem NS-Regime sprach. Jetzt feiert sie einen besonderen Geburtstag

von Leticia Witte  15.07.2025

Israel

Eli Sharabis Bestseller bald auch auf Englisch

Zum zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 soll das Buch der ehemaligen Geisel veröffentlicht werden

von Sabine Brandes  10.07.2025

Genf

Türk verurteilt US-Sanktionen gegen Albanese

Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, sprach von »Angriffen« und »Drohungen« gegen die umstrittene Italienerin

 10.07.2025

Der unter liberianischer Flagge fahrende Massengutfrachter "Eternity C" beim Untergang im Roten Meer am Mittwoch, den 9. Juli 2025.

Terror auf See

Tote nach Huthi-Angriff auf Handelsschiff

Die Huthi-Miliz im Jemen versenkt innerhalb von 24 Stunden zwei Schiffe auf dem Roten Meer

von Nicole Dreyfus  10.07.2025

Wien

Vor Treffen mit Sa’ar: Wadephul ermahnt Israel

Der Bundesaußenminister will sich weiter für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln einsetzen, verlangt aber bessere humanitäre Hilfe in Gaza

 10.07.2025

Gaza

Das Dilemma des Deals

Premier Benjamin Netanjahu hat das Weiße Haus ohne ein Freilassungsabkommen für die israelischen Geiseln verlassen. Die Verhandlungen gehen weiter

von Sabine Brandes  09.07.2025

Berlin

Bundestagspräsidentin will Angehörige israelischer Geiseln treffen

In dieser Woche sind Angehörige der von der Hamas verschleppten Geiseln in Berlin. Am Dienstag kommt Bundestagspräsidentin Klöckner mit ihnen zusammen. Sie formuliert im Vorfeld klare Erwartungen

 07.07.2025