Polizisten

Schutz braucht Schule

von Daniela Breitbart

Der Schock sitzt tief. Nach dem Anschlag auf eine jüdische Kindertagesstätte in Berlin wächst die Unsicherheit über das tatsächliche Ausmaß der Bedrohung durch rechtsextreme Gewalttäter. Wie sicher sind jüdische Einrichtungen in Deutschland? Und: Sind deutsche Polizisten genügend auf die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Straftätern vorbereitet?
Regelungen hinsichtlich Ausbildung und Praxis der Polizei fallen in Deutschland in die Zuständigkeit der Länder – entsprechend uneinheitlich sind die Konzepte für die Vorbeugung und Bekämpfung rechter Gewalt. Das gilt insbesondere für den Objektschutz. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, fordert deshalb ein »nationales Bildungskonzept«. Vom Simon-Wiesenthal-Zentrum in Paris kam das Angebot, die deutsche Polizei beim Sicherheitstraining zu unterstützen. Sein Direktor für Internationale Beziehungen, Shimon Samuel, zeigte sich in einem Schreiben an Bundesjustizministerin Brigitte Zypries besorgt, ob Juden und andere Minderheiten in Deutschland wirksam geschützt werden könnten.
In Berlin wird diese Sorge nur bedingt geteilt. Hier gehört die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, aber auch mit jüdischem Leben seit den achtziger Jahren zu den »Leitthemen« in der Polizeiausbildung, erklärt Uwe Jessen vom Fachbereich Politische Bildung bei der Berliner Polizei. Immer wieder werden Seminare mit »herausragenden Referenten« und Gespräche mit Zeitzeugen angeboten. Die Mitarbeiter des Zentralen Objektschutzes würden dreimal im Monat jeweils eineinhalb Stunden zu den Themen Rechtsextremismus, jüdische Geschichte und Nahostkonflikt unterrichtet, so Jessen. »Wir sind richtig dran an der Thematik«. Neben der Theorie gibt es spezielle Einsatz-, Verhaltens- und Sicherheitstrainings. »Uns ist wichtig, dass die Kollegen das entsprechende Rüstzeug bekommen, um den Situationen gewachsen zu sein. Wir müssen Voraussicht beweisen und dürfen nicht warten, bis etwas geschieht.«
Auch der Sprecher der Berliner Polizeigewerkschaft, Klaus Eisenreich, hält die Ausbildung der Polizisten im Hinblick auf rechtsextreme Straftaten für ausreichend. »Das Fach Politische Bildung ist hoch angesiedelt, da kann man nicht mehr machen.« Defizite bestünden aber in der Einsatzpraxis. »Das Problem ist aber nicht die Ausbildung, sondern dass die zweit- oder drittreichste Nation nicht in der Lage ist, alle Objekte so zu schützen, wie es erforderlich ist.« Eisenreich beklagt, dass der Personalbestand im Objektschutz immer weiter reduziert werde.
Ähnlich ist die Lage in Sachsen-Anhalt. Der Schutz jüdischer Einrichtungen reicht hier vom »mobilen« Objektschutz bis hin zur Standstreife. »Ein guter Mittelweg«, erklärt der Sprecher des Innenministeriums, Klaus-Peter Knobloch, zwar, da »nicht allzu viele Straftaten« begangen würden. Aber: »Jede rechtsextreme Straftat ist eine zuviel.« Im Übrigen setzt Sachsen-Anhalt auf Sensibilisierung. »Wir müssen die Kollegen auf neue Erscheinungen rechtsextremer Straftaten aufmerksam machen«, fordert Knobloch. Dazu gibt es Schulungen nicht nur während der Aus- und Fortbildung, sondern auch in den Dienstschichten selber.
In Hessen müssen Beamte, die im Objektschutz eingesetzt werden, ein einwöchiges Vorbereitungsseminar besuchen, in dem sie zentrale Begriffe und Symbole des Judentums, aber auch die strafrechtlich relevanten Zeichen (er-)kennen lernen. Außerdem absolvieren sie ein spezielles Einsatztraining. Michael Bußer, Sprecher des hessischen Innenministeriums, hält das für ausreichend: »Ich wüsste nicht, was man sonst noch tun könnte.« »Das Hintergrundwissen ist wichtig«, erklärt auch Iris Fourné, Pressesprecherin des nordrhein-westfälischen Innenministeriums: »Man steht nicht einfach so vor einer Synagoge.«
Anders sieht dies Tom Jährig, Pressesprecher beim Landeskriminalamt Sachsen. Rechte Gewalt spiele im Objektschutz eine »untergeordnete bis keine Rolle«: Dort gehe es »in erster Linie um Präsenz, das heißt: Abschreckung«. Weiterbildungen etwa zum Thema Rechtsextremismus hält Jährig für »absolut sinnlos«. Er zeichnet ein pessimistisches, aber wohl realistisches Bild der Situation: Sachbeschädigungen wie Schmierereien an Synagogen und ähnlichen Einrichtungen werde man weder durch Schulungen noch durch verstärkte Polizeipräsenz verhindern können.

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