Höhlenmenschen

Schöner wohnen

von Sabine Brandes

Es ist die Villa seines Vaters. Jaber Abu Hammad führt die Gäste mit Stolz herum: Oben ist das Wohnzimmer, ein Stück weiter liegen die Schlafräume. Unten wurden früher die Lebensmittel gelagert, daneben befanden sich die Tiere. Angenehm kühl ist es im Innern, obwohl draußen vorsommerliche Temperaturen um die 30 Grad herrschen. Doch von einer Klimaanlage keine Spur. Der Familiensitz der Abu Hammads ist eine Höhle, tief in den Stein geschlagen und wohltemperiert durch meterdicke Felswände. Bis vor wenigen Jahrzehnten lebten sämtliche Bewohner Drejats im Arad-Tal in diesen natürlichen Be-
hausungen. Heute ziehen sich stattliche Häuser in Beige, Weiß, Rot und Ocker den Hang hinauf, die hypermodern mit Solarenergie betrieben werden.
Der Name »Höhlenmensch« ist in Drejat kein Schimpfwort. Selbstbewusst zeigt das Oberhaupt der Familie auf das, was seine Vorfahren hier geschaffen haben. Das Heim seiner Eltern und Schwestern, in das Jaber heute Touristen einlädt, den Taboun-Ofen für das dünne Fladenbrot, der noch immer mit offenem Feuer betrieben wird. »Das ist unsere Tradition, die wir schätzen und bewahren, auch wenn wir heute sehr modern leben«, betont Jaber.
Der Weg zum hübschen Dorf war nicht einfach. 1840 zog Jabers Familie aus den Hebronbergen hierher um. Südlich von Hebron leben einige Familien noch heute in Höhlen. Die Hammads sind Fellachen, sesshafte arabische Bauern, nicht zu verwechseln mit den Beduinen, die auch in dieser Gegend leben. Von den Türken erstand Jabers Familie ein beträchtliches Stück Land mit Felshügeln, die sie in harter Handarbeit zu Wohnungen umfunktionierte. Das Leben war an Schlichtheit kaum zu übertreffen. Ohne Strom, fließendes Wasser oder sanitäre Anlagen. Die Familie wuchs schnell und damit der Bedarf an weiterem Wohnraum. Die jüngeren Generationen wollten Komfort und bauten so außerhalb der Felsen.
Heute zählt das Dorf 850 Einwohner, alle stammen aus derselben Familie. »Wir bleiben unter uns, verheiraten uns nicht mit Beduinen etwa«, erklärt Jaber, »aber stets nur nach genetischen Tests.« Voller Stolz erläutert er die Sozialstruktur der Einwohner: 35 Lehrer, zehn Ärzte, fünf Anwälte, sechs Apotheker, sechs Reiseführer. Außerdem studieren 40 Sprösslinge im In- und Ausland. Darunter zwei von Jabers acht Kindern an der Ben-Gurion-Universität des Negev, sein Sohn in Deutschland Pharmazie. Außerdem gehört den Abu Hammads mit »Movilai Dragot« das größte Umzugsunternehmen des Landes mit einer Flotte von 70 Lkws.
Die Geschichte von Drejat ist eine von herausragender Eigeninitiative. Denn in diesem abgeschiedenen Ort im Arad-Tal nahmen die Bewohner die Entwicklung ihrer Lebensumstände in die eigenen Hände. Sie bauten erst Hütten, dann Häuser, Kindergärten, eine Schule und sogar eine medizinische Klinik. Mit nur einer Unterbrechung in den 80er-Jahren ging es bergauf, als die israelische Regierung fünf Häuser abreißen ließ, die illegal gebaut wurden. »Von da an haben wir mit den Behörden zusammengearbeitet«, erzählt der 45-Jährige.
Als die Gemeinde um einen Kindergarten bat, die Anfrage jedoch mit der Begründung abgetan wurde, es sei kein Geld da, bauten die Leute von Drejat einfach selbst einen. Diese Kinder von damals sind heute schon in der neunten Klasse«, sagt Jaber und lacht breit.
Eine Erfolgsgeschichte ist auch die Energiegewinnung im Dorf. Früher habe man ausschließlich mit Generatoren Strom erzeugt, erzählt Jaber Abu Hammad. Für vier Stunden Licht pro Tag mussten die Menschen im Monat 1.500 Schekel (umgerechnet fast 300 Euro) berappen. Eine teure Notwendigkeit, die die Bewohner so nicht mehr hinnehmen wollten. »Und dann kam Schimon Peres.« Der jetzige Präsident war seinerzeit Minister für die Entwicklung der Negev. Angetan von dem Reiz des Dörfchens und der Motivation seiner Einwohner, gab er schnell Mittel für Solarzellen frei.
Heute ist Drejat ein Musterbeispiel für die Nutzung umweltfreundlicher Energie. Alle Häuser – Klimaanlagen, Kühlschränke und Computer inklusive – werden mit Solarenergie betrieben. Dazu die gesamte Straßenbeleuchtung und als absoluter Clou: Die schmucke weiß getünchte Moschee inmitten des Ortes wird komplett mit der Kraft der Sonne versorgt. Als erstes und wahrscheinlich einziges moslemisches Gotteshaus der Welt. »Sie ist unser ganzer Stolz«, sagt Jaber und versucht gar nicht, seine Freude darüber zu verbergen.
Jaber Abu Hammad, der nach dem Tod seines Vaters mit 16 Jahren verheiratet wurde, in der elften Klasse sein erstes und in der zwölften bereits sein zweites Kind hatte, hat seinen Weg gemacht. »Zuerst arbeitete ich als Putzmann, um meine Familie zu ernähren«, erinnert er sich. Auch das ist Tradition in Drejat: Jeder ist sich bewusst, dass er selbst seines Glückes Schmied ist. »Arbeitslosigkeit gibt es bei uns nicht, und auch nicht, dass Kinder ihren Eltern ewig auf der Tasche liegen.« Nach diversen Jobs ist der achtfache Vater heute Chefkonditor in einem großen Hotel am Toten Meer.
Diese Kunst bringt er auch in seinen Zweitjob ein. Heute lädt er Touristen aus dem In- und Ausland in seine Höhle ein, um die traditionelle Gastfreundschaft kennenzulernen. Beim knusprig warmen Pitabrot, bitterem arabischen Kaffee oder süßem Tee, erzählt Jaber Abu Hammad Geschichten aus der »Höhlenzeit« seines Dorfes. Nach jeder Tour knipst der Selfmademan das Licht in seiner Höhle aus – generiert mit Solarenergie natürlich.

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