Hofpfisterei

Rühren, kneten, backen

von Vera Von Wolffersdorff

Zeit lassen. Das ist das Wichtigste. Ein Natursauerteig braucht eine Weile, bis er weich und geschmeidig ist, bis er so elastisch ist, wie er sein soll. Ziemlich genau 24 Stunden ruht und gärt er in Kesseln von gut einem Meter zwanzig Durchmesser. Anfangs sind die Kessel nur halb gefüllt. Im Lauf eines Tages bläht sich der Teig zu doppelter Größe auf. Roggen, Wasser und Salz mischen und verwandeln sich in eine bräunliche Masse, durchzogen von Rissen und Furchen. Zischend und kleine Mehlstaubwölkchen ausspuckend fällt die Masse in sich zusammen, sobald man sie schüttelt und mit Schrot bestäubt. Die Luft verpufft, die Wölkchen erinnern an Mini-Geysire.
Heiß ist es hier, im oberen Stockwerk der Hofpfisterei. Es riecht intensiv. Nach Kümmel? »Nach Koriander«, korrigiert Friedbert Förster, der die Besucher durch die Bäckerei führt. Dutzende von Bottichen mit Natursauerteig stehen in den gefliesten Räumen, in jedem gärt Teig in einem anderen Stadium. »Je nach Sorte werden nach ein paar Stunden Weizen, Dinkel oder Sonnenblumen- und Kürbiskerne hinzugegeben«, erklärt Förster. Verwendet werden nur Zutaten aus ökologischem Anbau. Das Besondere an der Hofpfisterei ist jedoch: Ihr Brot ist koscher. Fünf oder sechs Bäcker, ganz in Weiß, das Gesicht voller Mehlstaub, kneten den Teig mit Maschinen. Ständig überwachen sie den Gärprozeß. Ob da ein bißchen länger gerührt, dort eher abgewartet werden muß, weil der Teig noch zu feucht oder klebrig ist, entscheiden sie. So wird ein Teig »geführt«, wie es in der Fachsprache heißt. Und die Schüsseln mit mehreren hundert Kilo Masse schieben sie auf Rollwagen hin und her, bis sie den Inhalt in einen tiefen Schacht kippen. Er fällt in die verschiedenen Etagen, wo er portioniert und zu Brotlaiben geformt wird.
»Qualität setzt sich durch«, lautet das Motto Siegfried Stockers, Besitzer und Leiter der Hofpfisterei. Er stellte 1984 seinen Betrieb auf rein ökologische Produktion um. Denn Brot, so Stockers feste Überzeugung, soll gesund und natürlich sein. Das Getreide liefern Öko-Bauern. Mit dem Verzicht auf jegliche künstliche Zusätze unterscheidet sich die Hofpfisterei von anderen Bäckereien. Oft ist dort das chemische Behandeln von Teig an der Tagesordnung, damit die Konsistenz möglichst gleich bleibt, um maschinell verarbeitet werden zu können. Die Münchner Hofpfisterei dagegen sieht sich bis heute Traditionen verpflichtet. Dazu gehört auch der schonende Umgang mit der Natur. Das Privileg, neben Bäcker auch Müller und Mehlhändler zu sein, stammt aus dem 17. Jahrhundert – die Familie Stocker hat es neu für sich zum Leben erweckt: Der Betrieb hält die Aktienmehrheit an einer großen Öko-Mühle, der Meyermühle in Landshut.
Eher zufällig kam man auf die Idee, doch mal prüfen zu lassen, ob die Art des Getreideanbaus, des Mahlens und des Backens auch koscheren Speisevorschriften genügen könnte. Denn das Einhalten der Fruchtfolge, das Pflanzen von Klee als eine Art Brache gehört mit zu den ökologischen Verfahren. Kunstdünger ist ohnehin tabu. »Da kamen zwei Prüfer, einer aus Jerusalem, einer aus Zürich. Die haben sich die Unterlagen angesehen, haben geschaut, wo die Rohstoffe fürs Brot herkommen und sind die ganzen Prozeduren durchgegangen«, erinnert sich Förster. Schließlich stimmten sie zu. Bis auf ein Öl, mit dem die Kastenformen für das Roggenbrot gefettet wurden – keine grundlegenden Beanstandungen. Probleme gab es nur bei der Frage, wie die Öfen am Sonntag angeheizt würden und wie stark sie übers Wochenende abkühlen dürfen. Es fand sich eine Lösung: Ein Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde kommt freitags in die Bäckerei und programmiert zusammen mit dem Hauselektriker den Zeitpunkt für das Anschalten der Öfen auf Sonntag nachmittag. 2001 erhielt die Bäckerei ihr erstes Koscher-Zertifikat, seither wird es jährlich neu vergeben. Das Öl, das den Vorschriften nicht entsprach, ist inzwischen durch ein anderes, rein pflanzliches ersetzt. Und auch das Schmieröl, mit dem die Maschinen gefettet werden, ist nun ein Spezialöl, das jüdischen Speisegesetzen genügt. Nun sind 28 Öko-Brotsorten der Bäckerei koscher.
Und die Hofpfisterei hat Kunden gewonnen. Neben Privatleuten sind auch Münchner Hotels, die koscheres Essen für ihre Gäste anbieten, froh, einen Brot-Lieferanten gefunden zu haben. Daneben bietet die Bäckerei auch einen Versand an. »Durch das schonende Backen bekommen die Brote eine dicke Kruste. So schmecken sie auch, wenn sie ein bis zwei Tage unterwegs sind«, sagt Förster.
Zurück in die Backstube. Der Rundgang hat inzwischen ein Stockwerk tiefer geführt. Hier kommt an, was oben in den Schacht geschüttet wurde. Eine Maschine schneidet aus der Teigmasse appetitliche Rechtecke, die über ein Fließband zwischen zwei gegenläufig angetriebene Riemen fallen. Aus Teigquadern formen sich runde Rohlinge. Die werden etikettiert, und dann geht es in einen rund 50 Meter langen Ofen. Das Backen beginnt bei 220 Grad und kühlt im Verlauf von knapp zwei Stunden auf etwa 170 Grad ab.
Verführerisch duftet das frisch gebackene Brot. Am Ende des Ofens kommen stetig Brotlaibe zum Vorschein. Glänzend braun sehen sie aus. Ein Laib nach dem anderen fällt von einer Walze aus Granitplatten in eine wendeltreppenförmige Rutsche und verschwindet in der Tiefe. Dort unten werden sie für den Transport verpackt. Bis zu 20.000 Brotlaibe verlassen Nacht für Nacht die Kreittmayrstraße in München und werden an die 140 Filialen in Bayern und Baden-Württemberg geliefert.
Neben den Paletten, in denen sich die Brote für die Auslieferung stapeln, findet man den ältesten Ofen der Bäckerei: ein Gewölbeofen, in den die Bäcker auf meterlangen Schiebern das Brot einschießen. Die Hitze im Raum schlägt einem entgegen, den Bäckern steht der Schweiß auf der Stirn. Man fühlt sich um Jahrhunderte zurückversetzt, in eine Zeit, in der Brot noch ganz von Hand gebacken wurde. Rund sieben Bäcker pro Schicht müssen den Ofen betreuen. Das verursacht hohe Kosten. Tradition hat also ihren Preis – und trotzdem Zukunft: Das Brot aus dem Gewölbeofen gehört zu den meist verkauften Sorten.

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