neulich beim kiddusch

Rosa Ente mit Slivovitz

Wenn sich ein überdimensionierter Germknödel in einen ledernen Bürochefsessel zwängt, Kette raucht, sich tagelang nicht rasiert, bei C & A übergroße Hemden in unvorteilhaften Farben kauft – dann ähnelt er meinem Chef Siggi. Heute, Montagmorgen, stehen drei Fläschchen Magenbitter und ein überquellender Aschen- becher vor ihm auf dem Schreibtisch. Siggi ist extrem schlecht drauf. Irgendein Hirni ist ihm vorhin in seinen Jeep gefahren, ein hagerer Typ in einem schwarzen Kaftan, sagt er, mit einem langen Fusselbart und Schläfenlocken in einer kitschigen rosa Ente.
Klingt so, als ob Rabbi Goldfarb wieder mal von seiner Frau zum Pampersholen geschickt wurde. Seine Synagoge ist um die Ecke von meinem Büro. Der Rabbi ist blind wie ein Maulwurf und kann nicht so gut mit der Gangschaltung. Darum rammt er jede Woche irgendein Auto und muss horrende Schecks ausstellen, um diverse Windschutzscheiben, Lackschäden und abgebrochene Außenspiegel wieder instand setzen zu lassen. Und diesmal war eben das Auto von meinem Chef dran.
Dumm gelaufen, sage ich mir und lege die Sache gedanklich ad acta. Doch da klingelt nachmitttags das Cheftelefon, der Rabbi ist dran. Er will für Gutwetter sorgen und lädt Siggi am Wochenende zur Versöhnung zu seinem Kiddusch ein.
Damit ist mein Wochenende gelaufen. Denn was der Rabbi nicht weiß: Siggi stammt von einem Geflügelhof in irgendeinem Kaff im Hochsauerland und hat erst nach seiner Hochschulreife gelernt, mit Messer und Gabel zu essen. Er hat unglaubliche Tischmanieren und kann monumentale Mengen von Essen in sich reinschaufeln, was kein schöner Anblick ist – wirklich, er ist der letzte Mensch, mit dem ich samstags meine Rogelach teilen will.
Aber es hilft nichts, der Kiddusch wird zum neuen Bürogroßprojekt erklärt: Es gibt ein Kiddusch-Briefing, es werden Karteikärtchen erstellt und Siggi googelt wie wild im Internet. »Knusches, Kreppelchen, Tscholenta«, übt er. »Knisches, Kreplach, Tscholent und Polenta«, korrigiere ich; »Kreplach gibts nur an den Feiertagen, Knisches nur bei den Polen, statt Tscholent gibts bei uns Dafina, und Polenta hat mit dem Ganzen gar nichts zu tun.«
Wirst du Karla auch mitbringen, frage ich. Karla ist Siggis bessere Hälfte. Sie ist flach wie ein Brett, noch nie hat jemand sie irgendwas essen sehen, und: Sie strahlt ungefähr so viel Wärme aus wie Tiefkühlfisch. Siggi lässt Karla darum wochenends lieber zu Haus oder lädt sie bei ihren Freundinnen zum Shoppen ab.
Der Freitag vor dem Samstag rückt heran. Ich muss Siggi ein Hemd aus seiner Bürohemdenkollektion raussuchen. Ich nehme was Fleischfarbenes, da sieht man die Flecken später nicht so.
Das Kidduschbuffet ist dann auch ganz auf Siggis Dimensionen zugeschnitten. Turmhohe Fischbällchenpyramiden, genug Dafina, um mehrere Gulaschkanonen der Heilsarmee damit zu bestücken, eine stauseeartige Menge von Borschtsch und eine ganze Batterie von Slivovitz und Magenbitter.
Der Vorhang des Vergessens senkt sich gnädig über die unschönen Details dieses Samstagvormittags. Es sei nur so viel gesagt, dass Siggi die Slivovitzvorräte restlos geleert, die Rebbetzin abgeknutscht und ihren kleinen blond gelockten Sohn als »lecker Mädsche« bezeichnet hat. Zu fünft mussten wir ihn aus dem Saal schleifen, als der Slivovitz dann endlich alle war. Seinen Rausch hat er auf meinem Wohnzimmersofa ausgeschlafen, bis zu guter Letzt noch Karla vor meiner Wohnungstür auftauchte, um zu fragen, wo Siggi denn abgeblieben sei. »Karla«, sagte ich schwach, »wie schön, dich mal wieder zu sehen. Kann ich dir was anbieten: ein paar Eiswürfel vielleicht, zum Lutschen?« »Wollen sehen«, sagte Karla frostig und nahm ebenfalls auf meinem Wohnzimmersofa Platz.
Aber, wie meine Schwiegermutter zu sagen pflegt, auch das längste Wochenende geht mal vorüber, und am Montagmorgen freut man sich, wenn man wieder zurück ins Büro darf. Tamara Goldstein

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025