Jakow

Rechts vor links

von Rabbiner Mordechai Bohrer

An diesem Schabbat beenden wir das erste Buch Moses. In der Parascha wird von den letzten Tagen unseres Erzvaters Jakow erzählt. »Und die Tage Israels nahten sich ihrem Ende, da ließ er seinen Sohn Josef rufen und sprach zu ihm: Wenn ich Gnade gefunden habe in deinen Augen, so lege doch deine Hand unter meine Hüfte und erweise mir die Liebe und Treue und begrabe mich nicht in Ägypten.«
Was bedeutet der Ausdruck »Liebe und Treue«? Für keine Tat und keinen Gefallen, den man jemandem tut, darf man einen Preis oder Gegenwert erwarten. Das ist »Liebe und Treue«. In unserem Wochenabschnitt geht es um die Beerdigung unseres Erzvaters Jakow. Sie ist ein Beispiel von »Liebe und Treue«, denn jedem wird klar sein, dass der, der jemanden begräbt, vom Verstorbenen keine Gegenleistung erwarten kann. Im Judentum hat die Beerdigung eines Menschen eine doppelte Bedeutung: Erstens als Gebot und zweitens als »Liebe und Treue«. Daher bedient sich die Chewra Kadischa, die Beerdigungsgesellschaft, des Synonyms für Liebe und Treue.
Den Ausdruck »Liebe und Treue« finden wir auch im 1. Buch Moses 24,49, als Elieser, Awrahams Knecht, fragt, ob sie, Betuel und Laban, einverstanden wären, dass ihre Tochter und Schwester Riwka Jitzchaks Braut werden soll.
Ein weiterer, besonders interessanter Aspekt unserer Parascha ist die Art, wie der im Sterben liegende Jakow seine Enkel segnete. Als Josef seine Söhne zu seinem Vater Jakow führte, damit er sie segne, stellte er seinen erstgeborenen Sohn Menasche zur rechten Hand Jakows und seinen jüngeren Sohn zur Linken seines Vaters. Doch Jakow kreuzte seine Hände beim Segen, so dass seine rechte Hand auf Efrajims Kopf lag und seine linke auf Menasche.
Warum tat er dies so? Gott erschuf die Welt in sechs Tagen: Die Führung und Lenkung der Welt sind integraler Bestandteil der Schöpfung und begleiten sie. Gott führt und lenkt die Welt auf zwei verschiedene Weisen. Die erste ist der normale Weg nach dem natürlichen Gesetz. Der andere ist ein geistiger Weg, der über der Natur steht. Die rechte, starke Hand dient dem Kopf, also dem Denken, den Sinnen und dem Verstand. Sie symbolisiert die geistigen Eigenschaften des Menschen. Der Fuß dagegen, der den Körper trägt, symbolisiert die materiellen und natürlichen Eigenschaften. Jakow legte seine rechte Hand auf Efrajims Kopf, weil dessen geistiges Niveau viel höher war als das Menasches. Er ließ ihn aber vor seinem linken Fuß auf seiner linken Seite stehen, weil er der Jüngere war.
Diese Erklärung belegt Vers 32 im 4. Buch Moses, Kapitel 1. Dort wird Efrajims Stamm mit dem Geist des Ewigen gesegnet und somit vor dem Stamm Menasche erwähnt. Wo es jedoch um materielle Dinge geht, wie beim Eintritt ins Heilige Land (4. Buch Moses 34, 23-24), wird Menasche als Erstgeborener zuerst erwähnt.
In vielen Gemeinden ist es üblich, dass Vater und Mutter ihre Kinder zu Beginn des Schabbats und anderer Festtage nach dem Abendgebet segnen. Das sind die Worte des Birkat Habanim, des Segnens der Kinder, ins Deutsche übertragen: »Gott lasse dich werden wie Efrajim und Menasche. Der Ewige segne und behüte dich. Der Ewige lasse dir sein Angesicht leuchten und sei dir gnädig. Der Ewige wende dir sein Angesicht zu und gebe dir Frieden.«
Was versteht man unter Birkat Habanim? Die gegenwärtige Generation segnet die künftige Generation, so wie ein Vater seine Kinder segnet. Warum? Weil der Ewige, gepriesen sei Sein heiliger Name, bereits die erste Generation gesegnet hat. Somit wünscht Er, dass der Segen weitergegeben wird.
Und warum bezieht sich Birkat Habanim gerade auf Menasche und Efrajim, und nicht zum Beispiel auf Mosche und Aharon? Weil Menasche und Efrajim Brüder waren, deren Verhalten für uns ein Beispiel ist. Trotz ihrer Unterschiede liebten und ehrten sie sich auf die schönste Weise. Mögen wir alle von ihnen lernen, wie wir miteinander umzugehen haben. Denn nur durch Ehrerbietung und Toleranz werden Liebe und Frieden erreicht.

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde im Lande Bremen.

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Terror

Polizei: 9 Tote bei Angriff in Sydney

Was bislang bekannt ist - und was nicht

 14.12.2025

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025