Literaturspezial

Quereinsteiger

Peter Brown ist das geworden, was sich viele jüdische Eltern von ihren Söhnen wünschen: Arzt. Damit knüpft er an eine Familientradition an. Auch sein Großvater, ein Schoa-Überlebender, bei dem Peter aufwuchs, war Mediziner.
Zum Arztberuf ist der Sohn eines Sizilianers und einer polnischstämmigen Jüdin allerdings nicht direkt gekommen, sondern als Seiteneinsteiger. Bevor er sich als Dr. Peter Brown dem Retten von Leben verschrieb, war der Held in Josh Bazells Thriller Schneller als der Tod unter dem Namen Pietro Brnwa mit deren Beseitigung befasst – als Mafiakiller. Bis er bei einem Mord gefasst wurde, seine Auftraggeber verpfiff und zum Lohn eine neue Iden- tität im Zeugenschutzprogramm bekam. Die Kosten für sein Medizinstudium übernahm die Regierung auch.
Jetzt ist Peter Internist an einem heruntergekommenen Krankenhaus in Manhattan. Alles könnte gut sein (sieht man einmal von den katastrophalen Zuständen im Hospital ab), wäre da nicht der neue Patient, der ihn aus alten Zeiten wiedererkennt und bei der Visite mit seinem Mafia-Spitznamen anspricht: »Bärentatze«. Und schon ist das Leben, das der Assistenzarzt am dringendsten retten muss, sein eigenes.
Josh Bazell, selbst studierter Mediziner, hat einen ebenso komischen wie brutalen Roman geschrieben, der den Leser in zwei Welten entführt, von denen man nicht weiß, welche die zynischere und blutigere ist: das Krankenhauswesen und die organisierte Kriminalität.
Dabei hält der Autor 300 Seiten lang ein so atemberaubendes Tempo durch, dass der Leser sich fühlt, als habe er selbst eine Überdosis jener Aufputschmittel eingenommen, die der Romanheld massenhaft einwirft. Unfähige und korrupte Chefärzte, geile Pharmavertreterinnen, Mafiosi samt Familienanhang, zugedröhnte Jungmediziner, fragwürdige Vertreter des Gesetzes – sie alle mixen mit an diesem Cocktail aus Blut, Sperma und Kotze.
Zwischendurch besuchen wir mit dem Helden noch ein nicht im geringsten metaphorisches Haifischbecken sowie die Gedenkstätte Auschwitz, die Bazell angenehm unsentimental als das beschreibt, was sie ist: ein heruntergekommener, kommerzialisierter Touristenhotspot.
Spätestens, als der Thriller zu seinem wirklich sehr blutigen Höhepunkt kommt, dreht der Autor allerdings komplett ab, verlässt den Boden aller Plausibilität und läuft literarisch Amok. Man verzeiht es ihm dennoch, weil diese Kreuzung aus »Dr. House« und »Texas-Kettensägenmassaker« sich bis zum Schluss wunderbar spannend und witzig liest.
Es stört nur die Übersetzung. Mehrmals tauchen zum Beispiel die Begriffe »Blödarsch« und »Klugarsch« auf. Im Deutschen gibt es diese Wörter nicht. Wortwörtlich ins Englische rückübersetzt wird daraus »dumbass« und »wiseass«, was »Trottel« beziehungsweise »Schlauberger« bedeutet. Leser, die halbwegs Englisch beherrschen, sollten sich überlegen, gleich die amerikanische Originalversion des Buchs zu kaufen (Beat the Reaper), die mit 10,99 Dollar um rund die Hälfte billiger ist als die deutsche Fassung. Michael Wuliger

Josh Bazell: Schneller als der Tod. Roman. Aus dem Englischen von Malte Krutzsch. S. Fischer, Frankfurt a.M. 2010, 304 S., 18,95 €

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025

Abkommen

»Trump meinte, die Israelis geraten etwas außer Kontrolle«

Die Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner geben im Interview mit »60 Minutes« spannende Einblicke hinter die Kulissen der Diplomatie

von Sabine Brandes  20.10.2025

Washington

Trump droht Hamas mit dem Tod

Die palästinensische Terrororganisation will ihre Herrschaft über Gaza fortsetzen. Nun redet der US-Präsident Klartext

von Anna Ringle  16.10.2025

Terror

Hamas gibt die Leichen von Tamir Nimrodi, Uriel Baruch und Eitan Levy zurück

Die vierte Leiche ist ein Palästinenser

 15.10.2025 Aktualisiert

München

Friedman fordert Social-Media-Regulierung als Kinderschutz

Hass sei keine Meinung, sondern pure Gewalt, sagt der Publizist. Er plädiert für strengere Regeln

 10.10.2025