Johannes Lohmeyer

Profi mit Profil

von Lisa Borgemeister
und Claudia Schade

Zügigen Schrittes läuft der Mann durch das Foyer des »Best Western Hotels« in Frankfurt am Main. Seine Bewegungen sind zielstrebig, der Händedruck ist energisch. In seinem kleinen Büro schließt Johannes Lohmeyer das Fenster und schickt seinen Hund Willy ins Körbchen. Dann sitzt er mit erwartungsvollem Blick am Schreibtisch, das Sakko leicht geöffnet, die Hände entspannt im Schoß. Der Hotelier ist kein Mann großer Worte. Viel zu sagen gibt es seiner Meinung nach sowieso nicht. Dabei ist Lohmeyer als Geschäftsführer des »Holiday Inn« in Dresden in den vergangenen Wochen weit über Sachsens Grenzen hinaus bekannt geworden. Denn er hat höflich, aber bestimmt NPDler vor die Tür gesetzt, noch bevor sie überhaupt sein Haus betreten konnten.
Das kam so: Schon öfters hatten NPD-Mitglieder versucht, Zimmer bei ihm zu mieten. Mal telefonisch, mal übers Internet oder sogar mit Hilfe von Tarnfirmen. Bislang hat Lohmeyer diese Leute immer »elegant abgewiesen«. Als jedoch Mitte Oktober eine Buchung des Vorsitzenden der rechtsextremen NPD-Landtagsfraktion, Holger Apfel, und des NPD-Abgeordneten Alexander Delle auf seinem Schreibtisch landet, platzt dem Hotelier der Kragen. Zunächst versucht Johannes Lohmeyer, die über die Internetplattform www.hotel.de erfolgte Buchung zu stornieren. Als das nicht funktioniert – Apfel und Delle hatten ihre Zimmer mit jeweils 100 Euro bereits angezahlt – schreibt er den Politikern einen Brief. Höflich, aber direkt weist er darin die beiden Männer unmissverständlich darauf hin, dass sie in seinem Haus nicht willkommen seien und dass er es seinen Mitarbeitern nicht zumuten könne, sie zu begrüßen und zu bedienen. Sollten Apfel und Delle auf der Reservierung bestehen, werde er sämtliche durch sie getätigten Umsätze als Spende an die Dresdner Synagoge weiterleiten, als »Wiedergutmachung für die Schäden, die Ihre damaligen Gesinnungsgenossen der Synagoge und vor allem ihren früheren Besuchern zugefügt haben«.
Zehn Minuten brauchte Lohmeyer für diese 15 Zeilen. »Ich habe nicht lange nachgedacht, sondern aufgeschrieben, was ich dachte und empfand«, sagt er. Zwei Wochen lang wartete er auf Antwort. Dann kam ein zweiseitiger Brief von Holger Apfel, der die Zimmerreservierung stornierte. Als Begründung gab er an, dass er und sein Kollege Alexander Delle kein Interesse daran hätten, eine jüdische Gemeinde in Dresden zu subventionieren, die sich ohnehin »vor staatlichen Zuschüssen kaum zu retten« wisse. Dann schimpft Apfel auf die »gleichgeschaltete Medienmafia« und die »Boykotthetze gegen eine missliebige Opposition«. Zum Schluss grüßt Apfel »mit einem Lächeln über Ihre ›Zivilcourage‹«, um im P. S. zu vermerken: »Es bleibt Ihnen natürlich unbenommen, der jüdischen Gemeinde trotzdem vor laufender Kamera Ihr Taschengeld anzubieten – Taten statt Worte! Jede Spende durch Personen wie Sie macht die derzeit laufenden Subventionen umso entbehrlicher!«
Lohmeyer nimmt das Schreiben mit ei- nem Schulterzucken zur Kenntnis. Apfel und Delle haben ihre Buchungen zurückgenommen – das allein zählt für den Hotelier. »Wir haben ausländische Mitarbeiter und ausländische Besucher. Ein Mann, der Farbige offiziell als ›Wohlstandsneger‹ tituliert, ist ganz einfach nicht willkommen.« Den anonymen Vorwurf, er würde seine Mitarbeiter parteipolitisch missbrauchen, weist Lohmeyer zurück. »Es ist richtig, dass ich mein Team nicht befragt habe, bevor ich den Brief schrieb. Ich weiß durchaus, dass es Mitarbeiter gibt, die meine Meinung nicht teilen. Dennoch steht mein Haus eindeutig hinter mir.«
Das Dresdner Holiday Inn: Vor der Eingangstür lädt ein Schild auf Deutsch und Tschechisch die Taxifahrer ein, sich aus der bereitgestellten Thermoskanne mit Kaffee zu versorgen. In der Eingangshalle zeigen Uhren die Zeit in Sydney, Tokio und New York an. Gut die Hälfte der Gäste kommt aus dem Ausland. Und ausgerechnet in diesem Haus, das sich auf einer Allee befindet, die nach dem Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg benannt ist, wollten sich die NPD-Funktionäre Holger Apfel und Alexander Delle einmieten. Die je etwa 18 Quadratmeter großen Räume mit türkisfarbenen Holztafeln über den Betten werden sie nun nicht beziehen können. Das findet Ludmila Chromko, die gerade eines der 121 Zimmer putzt, vollkommen in Ordnung. »Wenn die Leute ordent- lich sind, ist es mir eigentlich egal, wer kommt«, sagt das Zimmermädchen. »Aber Rechtsradikale müssen raus aus der Stadt. Vor ihnen habe ich Angst.« Wenn Anhänger rechtsextremer Parteien durch die Dresdner Innenstadt ziehen, bleibt sie, die vor zehn Jahren aus Russland kam, lieber zu Hause. »Sicher ist sicher.« Deswegen hält sie die Aktion von Direktor Lohmeyer für mutig. Erfahren hat sie davon aus der Zeitung. Bis zu den Zimmerfrauen hatte sich die Aktion des Chefs hausintern noch nicht herumgesprochen.
Auch Heike Bleicher, Chromkos Vorgesetzte, hat nur nebenbei von der Ausladung der NPD-Mitglieder erfahren. »Ich war angenehm überrascht, weil ich solche Leute verachte«, sagt die 36-Jährige. Sie steht »voll hinter dem Chef«, auch wenn sie leichte Bedenken hat, »dass mit dem Hotel etwas passiert«. Angst vor Anschlägen? Negative Reaktionen für sich persönlich befürchtet sie jedenfalls nicht. Empfangsmitarbeiter Tilo Partzsch macht sich auch wenig Sorgen um seine Sicherheit. Er ist vielmehr beeindruckt von dem starken Zuspruch aus aller Welt. »Besonders aus Israel bekommen wir gerade viele E-Mails.« Dagegen fielen die vereinzelten kritischen Zuschriften kaum ins Gewicht. »Stornierungen hat es nicht gegeben«, sagt der 35-jährige Partzsch. »Ganz im Gegenteil: 90 Prozent der Absender wollen, falls sie nach Dresden kommen, bei uns absteigen.« Nicht nur deswegen hält er Lohmeyers Vorgehen für eine gute Sache: »Dass der Chef den Mut hatte, sich dem zu stellen, ist wirklich lobenswert.«
Weniger enthusiastisch ist Steffen Zimmer. »Ich höre jetzt zum ersten Mal von dem Brief und finde ihn weder besonders positiv noch besonders negativ«, sagt der Hotelgast aus dem Stuttgarter Raum. »Wenn der Direktor nicht möchte, dass NPD-Mitglieder bei ihm übernachten, ist das seine Entscheidung. Mir wäre es egal, solange sie mich nicht stören.« Restaurantchefin Esther Riedl ist da anderer Meinung: »Wir können es unseren Mitarbeitern und der Bevölkerung nicht zumuten, dass hier Rechtsextreme untergebracht werden.« Erstaunt hat sie die Aktion ihres Vorgesetzten nicht. »Er ist für klare Positionen bekannt und hat ein starkes Rückgrat.« Mutig oder selbstverständlich? Das mag Heinz Pollner nicht ohne Weiteres entscheiden, »weil ich die Randbedingungen nicht kenne. In einem Umfeld, wo man mit negativen Konsequenzen rechnen muss, finde ich es mutig. Ansonsten ist das Verhalten des Hotelchefs selbstverständlich.« Trotzdem findet der Gast aus München die Ausladung »stark«.
Das Holiday Inn ist eines von vier Hotels, die Lohmeyer unter sich hat. Zwei davon stehen in Dresden, ein weiteres in Frankfurt am Main und eines in Sachsen-Anhalt. Dementsprechend viel ist der Hotelier auf Reisen. Für Hobbys oder gar Fa- milie bleibt da keine Zeit. Wohl aber für die Politik. Der 43-Jährige ist Mitglied der FDP und hat in seiner Heimatstadt Dresden bei der Kommunalwahl kandidiert. Doch Lohmeyer will sein politisches Engagement nicht falsch verstanden wissen: Sein Brief sei kein politischer, sondern ein unternehmerischer Akt. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seien auch in der Wirtschaft indiskutabel. Eine Positionierung gegen rechts könne man nicht linken Organisationen überlassen, im Gegenteil: Sie müsse aus der Mitte der Gesellschaft kommen. »Es ist nicht der richtige Weg, eine Lichterkette nach der anderen zu entzünden«, glaubt Lohmeyer. Auch von einer persönlichen Motivation (Lohmeyers Vater ist Ägypter) oder gar einer geschickt getarnten Marketing-Aktion will der Geschäftsmann nichts wissen. Mittlerweile zeichne sich zwar ab, dass der Rummel um seinen Brief die Geschäfte eher belebe, als dass er ihnen schade. »Das war aber nicht von Anfang an klar. Es gab durchaus ein Risiko«, rechtfertigt sich der Hotelier.
In seinem Brief an die NPD-Politiker hat Lohmeyer sein Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, dass sie ausgerechnet ein amerikanisches Hotelunternehmen »mit ausländisch klingendem Namen« bevorzugen. »Deshalb sind sie vermutlich auch parteiintern ins Kreuzfeuer geraten«, sagt der Geschäftsmann und will seine Freude darüber nicht verbergen. Mit einem Lachen reagiert der Geschäftsmann auch auf die Briefe und Mails von Rechtsextremen, die damit drohen, keine Zimmer mehr in seinem Hotel zu buchen. »Genau das wollte ich doch erreichen«, sagt er. »Etwas Besseres konnte mir nicht passieren.«
Mehr als 2.500 Mails und etwa 200 Briefe sind mittlerweile bei Lohmeyer eingetroffen. Täglich werden es mehr. Die Post kommt von Privatleuten, Politikern, Unternehmen, Gewerkschaften und Kirchen. Lohmeyer sortiert sie in zwei Mappen ein: »Positiv« steht auf der einen, »Negativ« auf der anderen. Die Positiv-Mappe ist deutlich dicker. Viele Menschen aus ganz Deutschland gratulieren dem Hotelier zu der mutigen Tat und drücken ihm ihre Anerkennung aus. Manche erzählen sogar von ihren persönlichen Erfahrungen mit Anhängern von rechtsextremen Parteien. »Sie haben eine aufrechte, zivilcouragierte Gesinnung und Handlungsbereitschaft zum Ausdruck gebracht, die alles andere als selbstverständlich ist«, schreibt zum Beispiel Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Auch von Georg Milbradt, Ministerpräsident des Landes Sachsen, ist ein Brief dabei. Der lobt, dass die von Lohmeyer gezeigte Haltung keinesfalls selbstverständlich sei. Gratulationen kommen auch von linken Antifa-Gruppen. Diese Briefe sieht Lohmeyer allerdings nicht so gerne. »Unser Hotel ist vor einem Jahr von linksautonomen Jugendlichen überfallen worden. Damals haben sich führende Dresdner PDS-Größen hinter sie gestellt«, erzählt er. »Heute loben sie mich für meine Zivilcourage. Ich antworte ihnen, dass ich mir damals von ihnen das Gleiche gewünscht hätte.«
Die Briefe in der Negativ-Mappe sind fast alle anonym, und manche wären wohl beim Verfassungsschutz besser aufgehoben als auf dem Schreibtisch des Hoteliers. Unbekannte beschimpfen den Mann als »eingebildeten, überheblichen und aufgeblasenen Wichtigtuer«. Ein mit »Generalfeldmarschall« unterzeichnetes Schreiben zitiert aus Artikel 3 des Grundgesetzes und fordert Lohmeyer auf, seine Erklärung zu widerrufen. Sein Verhalten entspreche dem eines »typischen Mitläufers«, und er verstoße gegen die »allgemeinen guten Sitten«, heißt es in einem anderen Brief ohne Absender.
Lohmeyer lässt das alles ziemlich kalt. Er lese zwar alle Zuschriften mit großem Interesse, aber bedroht fühle er sich nicht. Dass er für sein »couragiertes und mutiges Auftreten und Eintreten« nun den Ehrenpreis der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen erhält, ist Lohmeyer »fast ein bisschen unangenehm«. Schließlich habe er etwas ganz Selbstverständliches getan. Der Preis wird seit 2005 an Menschen vergeben, die sich in besonderer Weise verdient machen um den Staat Israel und für den Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.
Nach wie vor wundert sich Lohmeyer darüber, dass sein Brief einen solchen Wirbel verursacht hat. Aber er nimmt den Preis gerne entgegen und hofft, dass viele Menschen seinem Beispiel folgen und Vertretern der rechten Szene mit einem klaren Nein gegenübertreten. Die Brandenburger Hoteliers ziehen schon jetzt nach. Laut Verbandsangaben wollen sie Führungsmitglieder von rechtsextremen Parteien zu unerwünschten Personen erklären. Dann wären Apfel und andere Funktionäre von Parteien wie NPD und DVU in rund 1.300 Hotels und Pensionen nicht mehr willkommen. Denn Rechtsextremisten, da sind sich Vertreter aus Wirtschaft und Politik einig, schaden der touristischen Entwicklung im Land. »Was als braune Hochburg verschrien ist, ist doch eine tolerante und weltoffene Region. Dieses Signal müssen wir nach außen senden«, bekräftigt Lohmeyer. Wohl auch deshalb will er die ganze Geschichte ins Internet stellen. Spätestens 2008 sollen alle Briefe, Mails und Reaktionen in anonymisierter Form veröffentlicht sein. Beim Gedanken daran huscht ein Lächeln über sein Gesicht. »Das werden die Herrschaften bestimmt nicht gerne sehen«, sagt er und meint die Apfels und Delles. »Aber anderen macht es vielleicht Mut.« Und darauf kommt es Lohmeyer an.

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