Libanon

Operation Risiko

von Markus Bickel

Die Drohung an die Bundeskanzlerin war klar und eindeutig. »Sie sagt, ihr Ziel sei es, Israel zu schützen«, erklärte Hassan Nasrallah vor vier Wochen. »Aber ich sage ihr: Selbst wenn Sie die See, den Luftraum und das Land überwachen – wir haben mehr als 20.000 Raketen und sind stärker als je zuvor.« In der von israelischen Bombenangriffen heftig zerstörten Beiruter Südstadt Dahiye nahm der Hisbollah-Generalsekretär bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach Ende des Libanon-Kriegs Deutschland direkt ins Visier. Hunderttausende Anhänger der »Partei Gottes« jubelten ihm zu.
Seit Sonntag nun sind mehr als tausend deutsche Soldaten auf zwei Fregatten, zwei Versorgern und vier Begleitschiffen vor der libanesischen Küste im Einsatz. Eine ihrer Aufgaben ist es, den Waffenschmuggel an die Hisbollah auf dem Seeweg zu unterbinden. Eine »Mission Impossible«, wie Syriens Präsident Assad, neben Irans Präsident Ahmadinedschad wichtigster außen- politischer Verbündeter Nasrallahs, im September im Interview mit dem Nachrichten magazin Spiegel erklärte? Das glaubt Flottillenadmiral Andreas Krause nicht. Der Mann an der Spitze des ersten bewaffneten Bundeswehreinsatzes im Nahen Osten gibt aber zu, daß die in der UN-Sicherheitsratsresolution 1701 vereinbarte Operation »nicht ohne Risiko« sei. Und das, obwohl das deutsche Kontingent der Übergangsmission der Vereinten Nationen im Libanon (Unifil) in erster Linie fernab der Küste im Einsatz sein wird.
Zu den möglichen Szenarien, auf die sich die Bundeswehr vorbereitet hat, zählen Selbstmordanschläge wie der auf den US-amerikanischen Zerstörer »USS Cole« im Oktober 2000. Auch Brandreden wie die des stellvertretenden Al-Kaida-Chefs Ayman al Zawahri, der die Unifil-Truppen im September als »Feinde des Islam« bezeichnete, würden »ernstgenommen«, sagt Krause. Ende vergangenen Jahres übernahm die sunnitisch-islamistische Terrororganisation erstmals die Verantwortung für eine bewaffnete Aktion auf libanesischem Boden – aus dem Süden des Landes schossen Kämpfer Raketen auf israelisches Territorium.
Ein Angriff ganz im Stile der Hisbollah. Politische Beobachter in Beirut aber halten eine Gefährdung der deutschen Truppen durch die schiitischen Gegner Al Kaidas für unwahrscheinlich. Timur Goksel etwa, langjähriger Sprecher der seit 22 Jahren stationierten Unifil-Einheiten, sagt: »Die Hisbollah hat kein politisches Interesse an einem Wiederaufflammen des Konflikts.« Der heute an der American University Beirut lehrende türkische Dozent ist sich sicher, daß die Parteimiliz »sehr darauf bedacht sein wird, die Unifil nicht zu provozieren«.
Warum dann die martialischen Worte Nasrallahs gegen Merkel? Zumal vor dem Hintergrund, daß die auf Plakaten im ganzen Land ihren »göttlichen Sieg« feiernde Hisbollah bis zuletzt auf die nur allzu weltlichen Dienste des deutschen Auslandsgeheimdienstes vertraute? Vermutlich, weil Nasrallah das Wechselspiel von Drohung und politischem Einlenken wie kaum ein zweiter libanesischer Politiker beherrscht. Schon den letzten großen Gefangenenaustausch mit Israel Anfang 2004 vermittelte der Bundesnachrichtendienst (BND) – ein Partner also, der noch gebraucht werden könnte. Denn erklärtes Ziel der Entführung von zwei israelischen Soldaten durch Hisbollah-Milizionäre, die den Krieg am 12. Juli auslöste, bleibt die Freipressung dreier in Israel einsitzender libanesischer Gefangener. Ein erneuter Tauschhandel würde durch einen unüberlegten Beschuß der Mitte Oktober auf rund 6000 Mann gewachsenen Unifil-Einheiten aufs Spiel gesetzt.
Das heißt aber nicht, daß die in den achtziger Jahren von iranischen Revolutionswächtern (Pasdaran) aufgebaute Nasrallah-Truppe künftig keine Bedrohung mehr dar- stellt. Im Gegenteil: Berichte wie ein auf BND-Quellen basierender Artikel im »Focus« Anfang Oktober, wonach der Iran seit Kriegsende moderne Raketen und schwere Waffen an die Parteimiliz geliefert habe, sind sehr ernst zu nehmen. Die Landgrenzen zu Syrien sind alles andere als dicht – und werden sich wohl nie vollständig kontrollieren lassen.
Erstes Ziel neuer Hisbollah-Geschosse wären jedoch nicht die deutschen Unifil-Fregatten vor der libanesischen Küste, sondern israelisches Territorium. Denn eines hat Nasrallah schon unmittelbar nach der Waffenruhe Mitte August klargestellt: Solange das seit 1967 von israelischen Truppen okkupierte, etwa 20 Quadratkilometer große Gebiet der Schebaa-Farmen im Dreiländereck mit Syrien besetzt bleibe, solange behalte sich seine Organisation das Recht vor, Israel zu attackieren. Das könnte neben Israelis auch für die im Südlibanon patrouillierenden Unifil-Einheiten gefährlich werden. Für die deutschen wohl eher nicht.

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025