Mittelmeerkost

Olivenöl statt Fastenkur

von Sabine Brandes

Frischer Fisch, mageres Geflügel, viel kna-ckiges Obst und Gemüse, angemacht mit etwas Zitrone und Olivenöl. Wem dabei das Wasser im Munde zusammenläuft, der könnte beim Schlemmen demnächst einiges vom ungeliebten Hüftgold verlieren. Eine Studie der Ben-Gurion-Universität in Beer Schewa fand jetzt heraus, dass die Diät mit der Kost des Mittelmeeres eine der wirkungsvollsten ist.
Die Forscher verglichen drei Varianten – fettarme Diät, kohlenhydratarme Diät sowie die mediterrane Ernährung – und kamen zu dem Ergebnis, dass Letztere genauso sinnvoll und sogar gesünder ist, als der Verzicht auf Fett beim Essen. »Die Mittelmeerdiät ist so sicher und effektiv für den Gewichtsverlust wie die medizinisch verschriebenen fettarmen Diäten«, resümieren die Forscher ihre Ergebnisse, die jetzt im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Nuklearzentrum von Dimona, der Harvard-Universität in Boston sowie den Universitäten Leipzig und Western Ontario in Kanada erstellt.
Untersucht hatten die Ernährungsspezialisten nicht nur die kurzfristigen Auswirkungen, sondern auch die langfristigen Erfolge. Zwei Jahre lang wurde 322 überge- wichtigen Mitarbeitern der Kernforschungsanlage von Dimona im Süden Israels strikt kalorienarme Kost aufgetischt. Die untersuchten Männer und Frauen hatten einen Bodymassindex von 31 und gelten damit als übergewichtig, jedoch nicht als adipös. Ideal ist ein Bodymassindex (BMI) von 19 bis 25. Die Teilnehmer wurden willkürlich in drei Gruppen eingeteilt, wobei jeder einzelne täglich nach einem ausgefeilten Diätplan speiste.
Die erste Gruppe bekam fortan frische kalorienreduzierte und ballaststoffreiche Mittelmeerkost auf den Teller. Gruppe Nummer zwei aß fettarm und kalorienreduziert. Alle erhielten eine Kalorienbeschränkung von 1.500 für Frauen und 1.800 für Männer. Der dritten Gruppe waren Kohlehydrate – vor allem Brot und andere Teige, Pasta, Reis und Kartoffeln – fast ganz verboten, dafür gab es viel Protein und pflanzliche Fette. Bei dieser Diätform, nach dem Erfinder Robert Atkins auch Atkins-Diät genannt, gibt es keine Mengenbeschränkung, man kann so viel essen, wie man möchte.
Die Mittelmeerkost ist nicht auf eine bestimmte Küche beschränkt. Schließlich gibt es viele mediterrane Länder mit verschiedenen ethnischen, kulturellen und landwirtschaftlichen Hintergründen. Einige Charakteristika jedoch sind: viel Obst und Gemü- se, Brot und andere Teige sowie Hülsenfrüchte wie Bohnen und Kichererbsen, Nüsse und Kerne. Milchprodukte gehören ebenso auf den täglichen Speiseplan wie Huhn und Fisch, jedoch nur in mittelgroßen Portionen. Eier dürfen bis vier Mal pro Woche gegessen werden, dunkles Fleisch wie Rind sowie Wein in sehr geringen Mengen. Mehr als die Hälfte der Kalorien in der mediterranen Diät kommt von einfach ungesättigten Fettsäuren, hauptsächlich von Olivenöl. Diese Fettsäuren erhöhen das Cholesterin im Blut nicht so stark wie gesättigte Fettsäuren.
Iris Shai vom Gesundheits- und Ernährungszentrum der Ben-Gurion-Universität, die die Studie leitete, beschreibt den Erfolg ihrer Arbeit: »Unser Versuch hat eine unvergleichliche Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern, Teilnehmern und deren Familienangehörigen heraufbeschworen. Die Kantinen und Cafeterias in Dimona erlebten eine regelrechte Gesundheitsrevolution.« Die Küchenangestellten bekamen medizinische Berater und Ernährungsexperten zur Seite gestellt. »Damit die Teilnehmer immer die gesunden Speisen erhalten, die genau auf ihre spezielle Diätform abgestimmt sind«, so Shai. Alle Gerichte wurden täglich mit verschiedenen Farben markiert. Auch zu Hause musste das Konzept eingehalten werden. »Das Nuklearzentrum von Dimona legt sehr viel Wert auf Gesundheit am Arbeitsplatz«, erläutert Shais Kollege Dan Schwarzfuß, »das erklärt die besondere Unterstützung für unsere Studie und das hohe Niveau der Bereitschaft.« Nach dem ersten Jahr ernährten sich noch 95 Prozent diätetisch, nach zwei Jahren waren es immerhin noch 85 Prozent.
Obwohl sie dieselbe Menge an Kalorien zu sich nahmen, brachten die Übergewichtigen, die sich nach der fettarmen Diät ernährten, nach zwei Jahren lediglich drei Kilogramm weniger auf die Waage. Die Mittelmeer- und die kohlehydratarme Kost ließen um die fünf Kilo schmelzen. »Diese Zahlen sind in etwa die, die bei medizinisch verschriebenen Diäten erreicht werden«, fasst die Ernährungsexpertin zusammen. Auch beim verhassten Jojo-Effekt, bei dem das Gewicht so schnell wieder drauf ist, wie es runter war, schnitten die Letzteren besser ab.
Besonders Frauen und Diabetiker dürften von den mediterranen Leckereien profitieren: Bei den Teilnehmerinnen war der Gewichtsverlust höher als bei ihren männlichen Konkurrenten. Die Blutzuckerwerte von Diabetikern verbesserten sich um 33 Milligramm pro Deziliter (mg/dL), während sie bei der Niedrigfettdiät lediglich um 12 mg/dL sanken. In Sachen HDL-Cholesterin, das gut für den Körper ist, lag die Atkins-Diät vorn. Alle drei Varianten sind gleichermaßen positiv für die Leberfunktion. Auch andere Biomarker-Werte verbesserten sich nach den 24 Monaten.
»Es hat sich gezeigt, dass es keine einzelne Kost gibt, die gut für alle Menschen ist«, weiß Shai heute. »Aber wir wollten zeigen, dass Diäten mit wenig Kohlehydraten und Speisen vom Mittelmeer eine genauso zuverlässige Variante für Patienten sind und eindeutig positive Effekte neben dem Gewichtsverlust haben. Und das haben wir erreicht.«

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