Walter-Linse-Preis

Ohne Namen

von Ingo Way

Der Preis der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen wird nun doch nicht nach dem NSDAP-Mitglied Walter Linse benannt. Stattdessen wird die Auszeichnung, die ab 2008 verliehen werden soll, »Hohenschönhausen-Preis zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur« heißen. Das teilte der Förderverein der Gedenkstätte am vergangenen Donnerstag mit.
Um die Namensgebung des Walter-Linse-Preises tobte in den vergangenen Monaten ein heftiger Streit. Der Förderverein der Stasi-Gedenkstätte hatte im Sommer dieses Jahres angekündigt, einen Walter-Linse-Preis ausloben zu wollen (vgl. Jüdische Allgemeine vom 2. August). Linse war in den 50er-Jahren Mitglied im DDR-kritischen »Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen« (UFJ). 1952 wurde er im Auftrag der Stasi aus West-Berlin entführt, in Ostdeutschland zum Tode verurteilt und 1953 in Moskau erschossen.
Der Berliner Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Martin Gutzeit, protestierte gegen diese Namenswahl. Unter Berufung auf eine Studie des Historikers Benno Kirsch machte Gutzeit darauf aufmerksam, dass Linse seit 1938 in Chemnitz an der »Arisierung« jüdischen Eigentums beteiligt gewesen war. Ein weiteres Gutachten, das Gutzeit bei dem Historiker Klaus Bästlein, der für die Gedenkstätte Deutscher Widerstand tätig ist, in Auftrag gab, gelangte zu noch schärferen Schlussfolgerungen: Linse habe die »Arisierungen« in Chemnitz eigenverantwortlich durchgeführt und sei zudem seit 1940 Mitglied der NSDAP gewesen (vgl. Jüdische Allgemeine vom 11. Oktober).
Sowohl die Historische Kommission beim Parteivorstand der SPD als auch der Wissenschaftliche Beirat der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen forderten den Förderverein auf, den Preis angesichts der NS-Vergangenheit Linses um- zubenennen. Doch davon wollte der Förderverein zunächst nichts wissen. Dessen Vorsitzender, Jörg Kürschner, ließ verlauten, man habe das renommierte Münchner Institut für Zeitgeschichte damit beauftragt, die Rolle Walter Linses während der Nazizeit noch genauer zu erforschen. Erst nach Vorliegen der Ergebnisse wolle man über eine Namensänderung nachdenken. Dass die Umbenennung des Preises nun doch erfolgte und genau einen Tag vor der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats verkündet wurde, gab Anlass zu Spekulationen, Kürschner wolle mit diesem Schachzug seine drohende Abwahl verhindern. Diese Deutung weist Kürschner zurück. Vielmehr habe ihm, so Kürschner, das Institut für Zeitgeschichte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass die gewünschte Studie so viel Zeit und Aufwand erfordere, dass in einem überschaubaren Zeitraum kein Ergebnis geliefert werden könne. Daraufhin habe sich der Förderverein auf Anraten des Instituts zur Namensänderung entschlossen. Das zeitliche Zusammentreffen mit der Beiratssitzung sei Zufall, betont Kürschner.
Martin Gutzeit zeigt sich zufrieden mit dieser Entscheidung: »Es geht nicht darum, ob Linse ein ‚glühender‘ Nazi war. Es reicht, dass er Systemfunktionen ausgefüllt hat.« Gutzeit fügt hinzu, dass der Historiker Bästlein gleichwohl im Auftrag der Landesbehörde für die Stasi-Unterlagen weitere Forschungen zur Rolle Linses bei den »Arisierungen« in Chemnitz betreibe. Der Vorwurf von Seiten des Stiftungsrats, Bästlein habe bei der Erstellung seines ersten Gutachtens unseriös gearbeitet, solle damit ausgeräumt werden. Mit der Fertigstellung des Gutachtens rechnet Gutzeit in der ersten Hälfte des Jahres 2008.
Auch der Berliner Staatssekretär für Kultur, André Schmitz, gleichzeitig Vorsitzender des Stiftungsrats der Gedenkstätte Hohenschönhausen, nennt die Umbenennung eine »richtige Entscheidung«. Sie hätte nur viel früher kommen sollen, sagt Schmitz.

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025