Berlin

»Räume zurückerobern«

In kleinen Gruppen kehren sie am frühen Freitagnachmittag zurück zum Veranstaltungsort. Standen zuvor zahlreiche Exkursionen wie die Silent Disco Tour Berlin oder ein Besuch im Deutschen Bundestag auf dem Programm, wurde es nun für die Teilnehmer des diesjährigen Jugendkongresses sehr politisch.

So hatten seine Organisatoren zwei hochkarätige Gäste gewinnen können, und zwar Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Partei »Die Grünen«, sowie die kurdisch-jesidisch-stämmige Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal.

»Wollten Sie schon immer Berufspolitikerin werden?« - mit dieser Frage leitete Noam Petri, im Verstand der Jüdischen Studierendenunion (JSUD) aktiv, als Moderator die erste Gesprächsrunde mit Ricarda Lang ein. »Nein, es hat sich einfach so ergeben«, antwortete die Grünen-Politikerin, die daraufhin in kurzen Worten skizziert, wie eine Mischung aus Zufall und Chancen es ihr ermöglicht hatte, letztendlich Bundesvorsitzende ihrer Partei zu werden. Und das geschah recht schnell. »Ich hätte es mir selbst vor fünf Jahren nicht vorstellen können, in dieser Position zu sitzen.«

Dabei sei es keine Frage des Geburtsjahres oder der beruflichen Qualifikation, die einen dazu befähigen würden, in der Politik mitzumischen. »Schließlich gibt es nicht nur eine Art von Erfahrungen, um aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen.«

Junge Erwachsene in der Politik

Selbstverständlich sei ihr Alter für manche ein Thema und damit eine Herausforderung gewesen. »Als junge Frau muss man sich stark beweisen, weil viel auf einen projiziert wird.« Das sollte aber keinen abschrecken, betonte die 30-Jährige, die in der Gesprächsrunde dafür plädierte, das junge Erwachsene stärker in der Politik mitmischen sollten. »Mitreden darf jeder.«

Sie stehe außerdem fest an der Seite Israel, betonte Lang - und berichtete davon, wie sie nach dem 7. Oktober an verschiedenen Solidaritätskundegebungen, unter anderem bei »Fridays for Israel«, mit teilgenommen hatte und wie beschämend es für sie war, dass vergleichsweise wenige Menschen mobilisiert werden konnten.

Dennoch, auf Fragen aus dem Publikum und von Noam Petri, inwieweit Lang auch gegen Parteikollegen wie Claudia Roth Stellung beziehen würde, reagierte sie ausweichend, spricht von den strukturellen Problemen, die man im Kulturbetrieb angehen müsse.

Konkreter dagegen wurde die Grünen-Politikerin bei der Benennung von Strategien bei der Bekämpfung von Antisemitismus, forderte unter anderem ein besseres Briefing der Polizei zu diesem Thema und ein klareres strafrechtliches Vorgehen bei entsprechenden Vorfällen.

Repressionen und Verfolgung

Über die gemeinsamen Erfahrungen, als Minderheit Repressionen und Verfolgung ausgesetzt zu sein, und das bereits seit vielen Jahrhunderten, redete die kurdisch-jesidisch-stämmige Düzen Tekkal, die von der Moderatorin Sharzad Eden Osterer, Journalistin beim Bayrischen Rundfunk, unter anderem als Filmemacherin, Buchautorin sowie Menschenrechtsaktivistin und enge Freundin vorgestellt wurde.

»Es geht dabei auch viel um Verwundbarkeit und Stärke«, womit Tekkal auch die Themen berührte, die sich wie ein roter Faden durch den diesjährigen Jugendkongress ziehen. »Aber wir sind immer noch da«, machte sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Mut. Bei denjenigen, die einen vernichten wollten, sieht das etwas anders aus. Sie sind oftmals von der Bildfläche verschwunden.

Zugleich verweist Tekkal auf die Mechanismen der Entlastung und der Relativierung der Morde vom 7. Oktober, die unmittelbar danach einsetzten, und nennt das ohrenbetäubende Schweigen der internationalen Frauenrechtsorganisationen zu den Massenvergewaltigungen und Misshandlungen von Israelinnen einen Skandal.

Räume zurückerobern

»Wichtig ist nicht nur zu erkennen, dass Juden getötet wurden, sondern auch das wie«, bringt sie es auf den Punkt. »Die Art und Weise, wie die Hamas Videos dabei einsetzte und alles filmte, ist dieselbe Technik, die der sogenannte Islamische Staat vor zehn Jahren bereits nutzte.« Und damit auch zu einem Markenzeichen des globalen Dschihads machte.

»Engagement muss über die eigene Betroffenheit hinausgehen«, lautet für Tekkal eine der zentralen Lehren aus dem, was geschehen ist. »Wir sind keine Opfer, sondern Überlebende.« Und aus ihren Erfahrungen bedeutet dies, dass man seine Geschichte erzählen muss.

»Starke Frauen haben dafür Tabus gebrochen«, berichtete sie über Jesidinnen, die den Mut hatten, angesichts von Entmenschlichung und sexueller Gewalterfahrungen ihre Stimme zu erheben oder von jungen Iranerinnen in ihrem Kampf gegen das Mullah-Regime.

Ihre eigene Devise in diesen Auseinandersetzungen gab sie in den Teilnehmern des Jugendkongresses mit auf den Weg. »Aktivismus heißt Räume zurückerobern und zu besetzen und niemals auf einer politischen Bühne zu stehen, ohne dabei auch den Antisemitismus anzusprechen.«

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Terror

Polizei: 9 Tote bei Angriff in Sydney

Was bislang bekannt ist - und was nicht

 14.12.2025

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025