ideologie

Mein Feind, dein Feind

von Götz Nordbruch

Die Betreiber des »Muslim-Markts« sind richtig empört. »Der Islam ist Gegner der NPD«, heißt es in einer aktuellen Erklärung des deutschsprachigen Online-Portals. »Immer wenn die Verbalmunition gegen Muslime zeitweilig ausgeht, wird die ›Verbindung‹ zwischen ›Rechten‹ und dem ›Islam‹ hervorgekramt. Doch der Islam ist einer der wenigen verbliebenen glaubwürdigen Gegner von Rassisten.«
»Gegner von Rassisten«, »glaubwürdig«: Das klingt nach Verteidigung. Und zu der sah sich der »Muslim-Markt« veranlasst, nachdem ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen war. Der hatte über Annäherungsversuche der rechtsextremen NPD an islamistische Gruppen berichtet. Die Präsenz von Vertretern der extremen Rechten auf den Seiten des Muslim-Markts, der von dem Delmenhorster Yavuz Özoguz betrieben wird, wurde als Beispiel genannt.
Bei aller öffentlich vorgetragenen Kritik an der völkisch-rassistischen Ideologie der NPD zeigte sich Özoguz in der Vergangenheit offen für Gespräche mit neonazistischer und teilweise explizit antisemitischer Prominenz. Zu Wort kamen in dem islamistischen Forum neben Andreas Molau, dem stellvertretenden Chefredakteur des NPD-Organs »Deutsche Stimme«, auch der Gründer der neurechten »Deutschland-Bewegung«, Alfred Mechtersheimer, und der DVU-nahe Gerard Menuhin. In weiteren Gesprächen konnten sich die beiden Holocaust-Leugner Harun Yahya und Mohammad Ali Ramin profilieren. Während sich Yahya in seinen Schriften über die »Holocaust-Lüge« auslässt, war Ali Ramin an der Organisation der berüchtigten »Holocaust-Konferenz« in Teheran im Dezember 2006 beteiligt.
Mit Sympathien für die extreme Rechte habe all dies nichts zu tun, versichert der Verantwortliche des Portals, der in der Vergangenheit bereits wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Es gehe bei den Interviews allein um einen offenen Dialog mit dem politischen Gegner. Gerade diejenigen, die wegen ihrer politischen Ansichten von den Medien gemieden und in der Öffentlichkeit denunziert würden, verdienten die Unterstützung der Muslime. Schließlich stehe der Islam »an der Seite eines jeden Unterdrückten (…), dem Unrecht widerfährt, unabhängig davon, ob es sich um einen Freund, Feind oder sonstwen handelt«, heißt es in der Stellungnahme weiter.
Dass es den Betreibern der Seite dennoch nicht um selbstlose Solidarität mit den Bedrängten dieser Welt geht, wird in den Interviews deutlich. So findet das Gerede vom Feindbild eines »alle Kultur zerstörenden Amerikanismus« auch bei den Machern und den Nutzern des Muslim-Markts offene Zustimmung. In den Beiträgen des Online-Forums zum Beispiel vermengen sich antiwestliche und antiamerikanische Positionen mit der vehementen Kritik am vermeintlichen Tabu einer Auseinandersetzung mit Israel und der Schoa.
Mit dieser »Offenheit« steht der Muslim-Markt nicht allein. Auch die islamistische »Hizb ut-Tahrir« zeigte in der Vergangenheit Dialogbereitschaft. »Je gläubiger die Muslime sind, desto stärker ist ihr Be- streben, in ihre Heimatländer zurückzukehren«, sagte der Sprecher der Organisation in Deutschland und Österreich, Shaker Assem, in einem Interview mit dem NPD-Organ »Deutsche Stimme«. Nicht die Islamisierung Deutschlands, sondern die baldige Rückkehr in ein wiedererrichtetes Kalifat sei das Ziel der in Europa lebenden Muslime. Assem versuchte, damit der Sorge zu begegnen, die viele Parteigänger der NPD von einer Annäherung an islamische Organisationen abschreckt. Assems Botschaft: »Es ist mir ein Anliegen, nationalbewussten Deutschen klarzumachen, dass der Islam nicht ihr Feind ist. Vielmehr sitzt der wahre Feind in ihren Köpfen. Es ist dies die Spaßgesellschaft, die Sucht nach immer mehr Vergnügen, ohne die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und auf etwas Spaß zugunsten von Kindern und Familie zu verzichten. Es ist der grenzenlose Individualismus, der ganze Familien zerstört, weil er auf das egoistische Streben nach persönlicher Befriedigung fixiert ist.«
Dekadent, individualistisch und amoralisch – das sind nur einige der Schlagworte, mit denen die Hizb ut-Tahrir ihre ablehnende Haltung gegenüber der westlichen Gesellschaftsform unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Neben der Vereinigung aller Muslime unter dem Kalifat zählt der Kampf gegen die Globalisierung zu den zentralen Themen. Ähnlich wie die Betreiber des Muslim-Markts sieht auch die Hizb ut-Tahrir in der westlichen Gesellschaftsform ein Grundübel. Anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm verbreitete man: Als »von Menschen geschaffene(s) System« sei die Demokratie nicht in der Lage, die Probleme der Menschen zu lösen. Die Feindschaft gegenüber »Amerika« und dem »Zionismus« beschränkt sich in der Ideologie nicht auf einen außenpolitischen Konflikt um Ressourcen und Territorien. Vielmehr handelt es sich um einen existenziellen Kampf für die Schaffung einer göttlichen Ordnung, in dem die Zukunft jeder »nationalbewussten« Gemeinschaft entschieden wird.
Mit ihrem kleinen Anhängerkreis – der Bundesverfassungsschutz schätzt die Zahl der Mitglieder von Hizb ut-Tahrir bundesweit auf etwa 300 – steht die Organisation, die vor allem in Europa und Zentralasien aktiv ist, eher am Rande des islamistischen Spektrums. Gerade unter Jugendlichen hat sie nicht unerheblichen Einfluss. Trotz ihrer langjährigen Aktivitäten in Deutschland rückte die Hizb ut-Tahrir erst im Oktober 2002 ins Blickfeld des öffentlichen Interesses. Berichte über eine Veranstaltung aus dem Spektrum der Organisation an der TU Berlin, an der neben dem Vorsitzenden der NPD, Udo Voigt, auch NPD-Anwalt Horst Mahler als Zuhörer teilnahm, lenkten den Blick auf die antisemitische Propaganda, mit der die seit Januar 2003 verbotene Partei vor allem unter Studenten um Anhänger warb.
Die ideologischen Brücken von Antimodernismus, Antiamerikanismus und Israelfeindschaft beschränken sich aber nicht nur auf das islamistische Spektrum. Es gab in der Vergangenheit auch Verbindungen zwischen der extremen Rechten und verschiedenen säkularen arabischen Strömungen. Besonders augenfällig sind die Bemühungen um einen nationalen Brückenschlag gegenwärtig in Frankreich. Hier zeigte zuletzt der rechtsextreme »Front National« Ansätze, sich für Einwanderer maghrebinischer Herkunft zu öffnen. Neben eher symbolischen Gesten wie dem medienwirksamen Besuch von Präsidentschaftskandidat Jean-Marie Le Pen in einer Pariser Banlieue blieb es Farid Smahi überlassen, unter maghrebinischen Einwanderern für den FN zu werben. Als Mitglied des Politbüros der Partei machte Smahi während der jüngsten Wahlkämpfe auf die pro-arabische Haltung des FN in den Konflikten im Irak und zwischen Israel und den Palästinensern aufmerksam. Das einwanderungspolitische Leitmotiv des FN, die »préférence nationale«, sei durchaus auch für Migranten attraktiv, glaubt Smahi. So verspricht die Partei, sich für eine Chancengleichheit der integrierten und bereits eingebürgerten Einwanderer einzusetzen.
Wie in Deutschland beschränken sich diese Annäherungen auch in Frankreich bisher weitgehend auf Vordenker und ideologische Stichwortgeber. Weder bei den Präsidentschafts- noch bei den Parlamentswahlen ließ sich in Frankreich eine spürbare Unterstützung der muslimischen Wähler für den FN ausmachen. Der Politologe Jean-Yves Camus vom Pariser »Institut de Relations Internationales et Stratégiques« (IRIS) beschreibt den angedeu- teten Kurswechsel des FN daher »als clevere PR-Strategie«, die zwar in den Medien, kaum aber in der Bevölkerung Wirkung zeige.
Ganz ähnlich schätzen Beobachter die Situation in Deutschland ein. Die Verfassungsschutzämter kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für praktische Allianzen zwi- schen hiesigen Rechtsextremisten und islamischen Fundamentalisten bisher nicht gegeben sind. Im Frühjahr stufte der Hamburger Landesverfassungsschutz die öffentlichen Solidaritätserklärungen für die Taliban und den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, die aus dem Spektrum der NPD zu vernehmen waren, als Ausdruck eines »Bedürfnis(es) nach propagandistischen Erfolgserlebnissen gegenüber nichterreichbaren Feinden« ein. Als »Fundament für tatsächliche (Zweck-)Allianzen« reiche das »naive Freund-Feind-Schema« aber nicht aus.
Auf internationaler Ebene ist man bereits einen Schritt weiter. Eine besondere Rolle spielte dabei eine geschichtsrevisionistische Konferenz des amerikanischen »Institute for Historical Review« (IHR), die im April 2001 in Beirut geplant war. Erst auf internationalen Druck wurde die Veranstaltung, die erstmals führende Vertreter des amerikanischen und europäischen Rechtsextremismus mit arabischen und islamischen Aktivisten zusammenbringen sollte, vom libanesischen Ministerrat untersagt. Als Teilnehmer der Veranstaltung, die unter dem Titel »Revisionismus und Zionismus« stehen sollte, waren neben Horst Mahler auch der französische Holocaust-Leugner Robert Faurisson angekündigt. In seiner geplanten Rede brachte Faurisson den Wunsch zum Ausdruck, die Leugnung des Holocaust, die »Atomwaffe der Armen«, möge einen Schulterschluss mit der arabisch-islamischen Welt ermöglichen. Mit dem Appell an die arabischen Führer, »die Rufe der Palästinenser und der Geschichtsrevisionisten zu erhören«, schloss Faurisson seine Rede, die vom IHR veröffentlicht wurde: »Unsere Herausforderungen sind ähnlich und unsere Intifadas sind identisch.«
Wer auf libanesischer Seite als Ansprechpartner der Organisatoren agierte, ist bis heute ungeklärt. Der Verdacht fiel unter anderem auf die säkulare, aber offen antisemitische »Syrische Sozialnationalistische Partei«. Andere Berichte, die sich zum Teil auf europäische Diplomatenkreise beriefen, brachten den Iran und die pro-iranische Hisbollah ins Spiel. Bereits lange vor der »Holocaust-Konferenz« im Dezember 2006 in Teheran hatte die iranische Führung zu europäischen Holocaust-Leugnern Kontakt aufgenommen. Neben den beiden Franzosen Robert Faurisson und Roger Garaudy war auch der britische Geschichtsrevisionist David Irving im Iran empfangen worden.
In der Regel vermieden es dabei die Beteiligten, die politischen Hintergründe ihrer europäischen Gesprächspartner herauszustellen. Anders als rechtsextreme Vordenker eines Bündnisses mit arabisch-islamischen Bewegungen, die sich oft wohlwollend über den Islam oder die arabische Nation äußern, sind Kontakte zu rassistischen Organisationen wie der NPD einem muslimischen Publikum weiterhin schwer zu vermitteln. Es sind weniger gemeinsame Aktionen und organisierte Bündnisse als die Bestätigung der eigenen Weltanschauung, die den Dialog zwischen der extremen Rechten und Islamisten vorantreiben. Beruhigen kann das keinen.

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