Weegee

Leichen pflastern seinen Weg

von Michael Wuliger

Ein Toter liegt auf dem Bürgersteig; Blut aus dem Einschussloch in seiner Stirn ist aufs Gesicht geflossen und dort getrocknet. Einem anderen Erschossenen nehmen Polizisten am Fundort die Fingerabdrücke ab. Und noch ein Toter: Wir sehen ihn selbst nicht, nur fröhliche Kinder, die sich neugierig um die Leiche drängen. »Their first murder« – »Ihr erster Mord« ist das Bild betitelt.
Aufgenommen hat die Fotos Weegee. So nannte sich der 1899 in Zloczów in Galizien geborene Ascher Fellig, der 1910 mit seinen Eltern nach New York gekommen war, wo er in den Slums der Lower East Side aufwuchs. Die Schattenseiten der Stadt – Armut, Mietskasernen, Korruption, Verbrechen – wurden sein Lebensin- und -unterhalt. »If you can make it here, you’ll make it anywhere«, heißt es in Frank Sinatras Song »New York, New York«. Bei Weegee sieht man diejenigen, die es nicht geschafft haben. Als Polizeireporter fotografierte er von 1935 an zwei Jahrzehnte lang Unfälle, Brände, Schlägereien, Nachtleben und Morde. Vor allem Morde: »Jeden Abend lagen dermaßen viele tote Gangster herum, dass die Redakteure richtig wählerisch wurden«, erinnerte er sich später in seinen Memoiren.
Heute hängen Weegees Bilder in bedeutenden Museen und werden auf dem Kunstmarkt zu Höchstpreisen gehandelt. 228 Fotos aus der Sammlung des amerikanischen Galeristen Hendrik A. Berinson, allesamt Originalabzüge, zeigt bis zum 6. Mai die Galerie C/O Berlin im Alten Postfuhramt in Mitte. Es sind brutale Aufnahmen, wie sie heute nicht mehr veröffentlicht würden. Verglichen mit ihnen sind Fotos in BILD sensibel und seriös. Weegees Bilder strahlen Härte aus, Rücksichtslosigkeit, einen fast völligen Mangel an Scham – genauso wie das New York der dreißiger und vierziger Jahre, das zeitgleich Cornell Woolrich und W. R. Burnett in ihren Thrillern und Mervyn LeRoy und Howard Hawks in ihren Filmen beschrieben.
Die Rohheit von Weegees Bildern hat aber nicht nur mit den Sujets, sondern auch mit seiner Aufnahmetechnik zu tun. Er arbeitete nachts auf der Straße mit einer 4x5-Speed-Graphic-Kamera und – als erster Pressefotograf – mit einer Blitzlichtbirne. Das Ergebnis sind schroffe Schwarz-Weiß-Kontraste. In einer Ausstellung verlangt so etwas ausgefeilte Aufhängung und Beleuchtung. Darauf wurde im Berliner Postfuhramt leider nicht ausreichend geachtet: Bei vielen Bildern reflektiert das Licht der Deckenlampen so stark, dass der Betrachter Schwierigkeiten hat, Einzelheiten zu erkennen. Beim letzten ausgestellten Foto ist das zum Glück nicht der Fall. Nach all den Leichen und Slums, Gangstern und Bullen, kaputten Typen und arroganten Oberschichtlern sieht man zum Abschluss eine nächtliche Leuchtreklame über der dunklen Stadt: »New York Is A Friendly Town«. Ascher Fellig alias Weegee hatte einen feinen Sinn für Humor.

www.co-berlin.de

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025