usa

Krumme Geschäfte

Es war ein ungewöhnliches Bild: Alte Männer mit langen weißen Bärten und langen schwarzen Kaftanen, die von FBI-Beamten in Handschellen abgeführt werden. In einem der größten Korruptionsskandale verhaftete das FBI in New Jersey 44 Verdächtige, die meisten davon Kommunalpolitiker, aber auch fünf Rabbiner der orthodoxen syrischen Gemeinde in New Jersey und Brooklyn. Es geht um Geldwäsche, Betrug, Bestechung, Korruption und illegalen Handel mit menschlichen Organen.
Im Mittelpunkt des Skandals steht Solomon Dwek, der Sohn von Rabbi Isaac Dwek aus Brooklyn. Er lebt in New Jersey, wo die Gemeinde ihren Sommersitz hat. Der Jeschiwa-Student brachte es zum Immobilienmillionär, er handelte mit Grundstücken von New York über New Jersey bis Florida. Aber irgendwann liefen die Geschäfte schlecht. Dwek häufte Hunderte Millionen Dollar an Schulden an. Im Mai 2006 wollte er bei einer Bank zwei ungedeckte Schecks zu Geld machen, einen über 25 Millionen Dollar, den zweiten über 20 Millionen. Der erste Scheck platzte, darauf rief die Bank die Polizei.

syrische charedim Die Kriminalbeamten horchten auf, denn FBI und Staatsanwaltschaft ermittelten schon länger in den Geschäften der syrisch-jüdischen Gemeinde. In Brooklyn, in den Stadtteilen Gravesend und Flatbush und in New Jersey leben rund 100.000 orthodoxe syrische Ju-
den, die aus Damaskus zugewandert sind. Sie schotten sich streng ab von der amerikanischen Gesellschaft. Auch zu assimilierten Juden halten sie Distanz. Und seit 1935, nach einem Edikt von fünf Rabbinern ihrer Gemeinde, dürfen sie nur andere syrische Juden heiraten. Die Regeln sind streng, Verstöße dagegen haben drastische Folgen. Nicht einmal die Ehe mit Konvertiten oder aschkenasischen Juden ist ihnen gestattet. Wer es doch tut, muss gehen, er darf seine Eltern nur wiedersehen, wenn er Frau und Kinder verstoßen hat. Das soll eine Assimilierung verhindern.
Die New York Times recherchierte vor ein paar Jahren in dieser abgeschotteten Gemeinschaft, die ihre Wurzeln 5.000 Jahre bis auf König David zurückführt. Die Gemeinde, deren Mitgliedern Mietshäuser in Wert von mehreren Millionen US-Dollar und gut gehende Textilläden wie Century 21, Conway und der Jeanshersteller Jordache gehören, sorgt für alle und kümmert sich um alles, vom kostenlosen Kindergarten über Jobs für Familienangehörige bis zum kostenlosen Altersheim. Soli-
darität und gegenseitige Hilfe werden großgeschrieben. Die Familie, auch die Großfamilie, geht vor. Als Dwek vor drei Jahren verhaftet wurde, mahnte Oberrabbiner Saul Kassim: »Nichts ist wichtiger als unsere Einheit.«
Solomon Dwek hingegen war die Straffreiheit wichtiger. Er plauderte und packte umfassend über die geschäftlichen Gepflogenheiten der Gemeinschaft aus. Er erzählte den Vernehmern der US-amerikanischen Bundespolizei von jüdischen Wohl-
fahrtsvereinen und von Rabbinern – darunter auch Kassim –, die Millionenbeträge aus dubiosen Quellen über die Schweiz und Israel wuschen, auch Dwek kassierte dafür Prozente. Das FBI rüstete ihn mit einem versteckten Mikrofon aus. Derart verkabelt besuchte der FBI-V-Mann Bürgermeister und Stadträte in Hoboken, Jersey City, Richfield, Secaucus und Ocean City. Er bot 3.000 oder 5.000 US-Dollar für eine Baugenehmigung an oder dafür, dass Umweltregeln unbeachtet blieben. Das Geld hatte er in einem Pappkarton in bar dabei. Oft hatte er bei seinen Bestechungsversuchen Erfolg. Zuletzt lernte er einen Mann aus Brooklyn namens Levy-Izhak Rosenbaum kennen. Der chassidische Rabbiner versprach ihm Spendernieren aus Israel, die einen Marktwert von 160.000 Dollar hätten. Rosenbaum sagte, er handele seit Jahren mit Organen.
Als das FBI in einer groß angelegten Festnahmeaktion letzte Woche zuschlug, war das Entsetzen groß. Der 87-jährige Rabbiner Saul Kassim, Leiter der Shaare Zion Congregation, der größten sefardischen Synagoge der USA, war unter den Verhafteten und auch Edmund Nahum, Hauptrabbiner der Synagoge in Deal, der Dwek geraten hatte, das Geld über möglichst viele Rabbiner zu waschen. Außerdem wurden Mordchai Fish, Rabbiner der Brooklyner Congregation Sheves Achim-Synagoge, sein Bruder und Rabbiner Lavel Schwartz verhaftet. »Die Gemeinde ist schockiert und traurig über diese Anschuldigungen, die gegen alle unsere Wertvorstellungen verstoßen«, erklärte David Greenfield, der Vizepräsident der Sephardic Community Federation der USA. Es handele sich aber, wenn es denn bewiesen wäre, um Einzelfälle.

vermutung Die jüdische Gemeinschaft ist erschüttert. Allein im Großraum New York leben rund zwei Millionen Juden. Sefardische Juden aus Brooklyn und aschkenasische, osteuropäische Juden aus Manhattan, Säkulare und Orthodoxe streiten über die Vorwürfe der Polizei. Manche halten die Rabbiner sogar für unschuldig. »Es wird sich herausstellen, dass sie das Gesetz nicht gebrochen haben«, glaubt David Ben-Hooren, Verleger der konservativen Wochenzeitung »Jewish Voice«. Yitzhak Kakun, Chef vom Dienst bei der israelischen Shas-Zeitung »Yom Le’Yom«, wirft dem FBI Antisemitismus vor. »Das FBI hat absichtlich so viele Rabbiner verhaftet, um sie vorzuführen«, sagte er der »Jerusalem Post«. Moshe Grylak von der Charedi-Zeitung »Mishpacha« meint, das FBI habe davon ablenken wollen, dass Bernard Madoff nicht rechtzeitig verhaftet wurde. Madoff ist aschkenasischer Jude. Grylak fürchtet auch eine Zunahme des Antisemitismus in den USA. Wo Dwek steckt, wird geheim gehalten. Vermutlich hat das FBI ihm eine neue Identität besorgt. In Brooklyn wird er sich jedenfalls nie mehr blicken lassen können.

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025