Mazze-Bäckerei

Knejter, Vertajler, und Schieber

von Sabine Brandes

Rückwärts, vorwärts, zwei zur Seite. Die Bewegungen sind rhythmisch, fast scheint es, als würden sie tanzen. Ihre Schläfenlocken wehen hin und her. Die zwei Männer vor dem Ofen haben diese Schritte Tausende Male gemacht. Auf einem langen, mit Papier umwickelten Stock balanciert einer von ihnen die ausgerollten Teigfladen. Es ist drückend in der Backstube der Mazzefabrik von Jad Binjamin. Geheizt wird der Ofen wie damals, als die Juden durch die Wüste zogen: mit Holz vom Ölbaum. »Wir wollen bei unseren handgemachten Mazzen so nah wie möglich an der Historie bleiben«, erklärt Rabbiner Ezriel Munk, der die Kaschrut strikt überwacht. »Denn an Pessach geht es darum, daß wir uns an die Geschichte unseres Volkes erinnern.«
In der ersten Pessachnacht Mazzot zu essen, in der Diaspora in den ersten beiden Nächten, ist eine Mizwa, betont Munk. »Als Jude muß man sie verzehren.« Weil das eine Tatsache ist, heizen die Mazzefabriken in Israel ihre Öfen schon Monate vor dem Fest an, um genug für alle herzustellen. Die flachen, ungesäuerten Brote rufen den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten ins Gedächtnis. Bis heute sind sie zentraler Bestandteil des Festes, das auch »Chag Hamazzot« genannt wird, Feiertag des ungesäuerten Brotes.
Die kleine Fabrik mit den 70 Angestellten auf dem Weg zwischen Jerusalem und Aschdod ist eine außergewöhnliche. Sie dient vor allem der Gemeinde der streng-religiösen chassidischen Juden. Denn die hier hergestellten Mazzot, sowohl die maschinell wie die handgefertigten runden, sind besonders. Sie sind »schmura«, was soviel bedeutet wie »bewacht« und gelten somit als extra koscher. Einige orthodoxe Juden essen während des ganzen Festes ausschließlich diese besondere Mazza, die meisten jedoch nur am Sederabend. Bei den Mazzot nach den Schmura-Regeln wird schon auf dem Feld darauf geachtet, daß das reife Korn nicht mehr mit Wasser in Berührung kommt. Im Gegensatz zu den regulären Mazzot, bei denen die Überwachung erst mit dem Mahlen des Korns beginnt.
Doch nicht nur das Mehl ist ausgesucht. Die zweite Zutat muß »Majim Schelanu« sein. Brunnenwasser aus Israel, das mindestens eine Nacht geruht hat, um die Zimmertemperatur sicherzustellen. Die Zeitspanne, in denen das Mehl mit Wasser in Berührung kommt bis zur ersten großen Hitze im Ofen, darf maximal 18 Minuten betragen. Danach würde der Teig aufgehen und somit zu »Chametz«, Gesäuertem. Und das ist an Pessach gänzlich tabu. Vieles könne den Teig zum Säuern bringen, erläutert der Rabbiner. »Neben Feuchtigkeit sind das zu hohe Temperaturen oder wenn man ihn zu stark knetet.« Vor allem darf an die Mazzen nicht das geringste Stückchen alter Teig gelangen. Also ist neben dem Backen die Hauptarbeit in der Fabrik das Säubern. Nach jedem Backvorgang werden Maschine sowie alle Geräte gereinigt, getrocknet und von Maschgichim, den Kaschrut-Inspektoren des Rabbiners, unter die Lupe genommen. Der geschützteste Bereich des gesamten Gelän-
des ist der Mehlraum. »Muß er auch«, macht Munk deutlich. »Denn stellen Sie sich vor, die Hausfrau macht eine köstliche Mazzeball-Suppe. Würde Mehl an den Mazzen kleben, die sie in die Suppe tut, hätte sie Chametz direkt am Sederabend. Oh Schreck!«
Für Außenstehende scheint der Ablauf in der Fabrik zunächst unübersichtlich. Verwirrend viele Menschen laufen geschäftig herum, jeder zeigt, jeder zupft und zerrt, und ein jeder hat etwas zu sagen. Doch schaut man genau, ist alles ein fein abgestimmter Prozeß, der nach einem akkuraten Sekundenplan abläuft. »Eine echte Kunst«, weiß Munk aus Erfahrung. An diesem Tag ist die Halle mit der Mazzebackmaschine außergewöhnlich voll. Neugierige Männer und Jungs stecken ihre Nasen in jede Ecke. Sie sind Kunden. Gekommen, um ihre Mazzot höchstpersönlich zu inspizieren. Von dem Moment, wenn das Wasser auf das Mehl trifft bis zum Ein-
packen. »Chabure!«, ruft Munk und lacht.
Die gesamten Bezeichnungen der Tätigkeiten sind jiddisch. Hier arbeitet der Knejter, dort der Vertajler und da der Schieber. Flinke Menschen hasten hin und her, doch nicht ein einziger schreit oder flucht. Im Gegenteil, immer wieder hört man sanft die Worte: »LeSchem Mazat Mizwa«, den Segenspruch für die Mazze-Herstellung. Der gesamte Vorgang ist eingespielt bei den Mitarbeitern, alles orthodoxe Juden. Viele haben eine Stoppuhr um den Hals, an jeder Wand hängt zusätzlich eine Uhr mit Sekundenzeiger. Die 18 als magische Zahl. 140 Kilo Mehl und zehn Eimer Wasser. Gemixt, geplättet und gebacken in 70 Sekunden bei 250 Grad. Hinter der Tür rattern die fertigen Quadrate aus dem großen Ofen direkt aufs Laufband. Gebräunt und köstlich duftend. Danach baumeln sie in Körbchen unter der Decke entlang in die Kühlmaschine und schließlich in die Pakkungen mit aufgedrucktem Mazze-Design.
»Wir sind das ganze Jahr über beschäftigt«, sagt der Rabbiner. »Ohne Pause, sonst würden wir den großen Bedarf nie decken können.« Jeden Tag werden in Jad Binjamin rund 1,5 Tonnen maschinelle Mazzot hergestellt plus 200 Kilo handgefertigte. Zudem produziert die Fabrik Mazzemehl, eine wichtige Zutat vieler Pessachrezepte.
Im hintersten Raum werden die runden Mazzot per Hand gefertigt, auch sie »schmura«. An einem langen Tisch kneten die Männer, an einem anderen rollen die Frauen die Teigfladen flach und flacher, bis sie bei dem Mann angekommen sind, der die Löcher hineinrollert. Von da aus kommen sie sofort in den Ofen. Keine Sekunde wird verloren. In dessen Mitte glüht das dicke Stück Ölbaum tiefrot. Es macht den Ofen besonders heiß – 700 Grad im Innern – und liefert gleichzeitig den einzigartigen Geschmack des Auszuges aus der Sklaverei in die Freiheit.

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