Arkadi Gajdamak

Knast oder Kabinett

von Wladimir Struminski

Als Arkadi Gajdamak in der vergangenen Woche den für seine Pressekonferenz gemieteten Hotelsaal betrat, war fürstliches Gebaren angesagt. In der ersten Reihe waren Sitze für Gefolgsleute reserviert: Vertreter von Städten und Einrichtungen, denen der Milliardär und Mäzen finanziell unter die Arme gegriffen hat. Sie standen auf, um ihrem Wohltäter die Hand zu drücken. Erst nachdem er das Spalier abgeschritten hatte, begab sich der hagere Mann aufs Podium. In russisch akzentuiertem Englisch teilte er mit, was er bereits im Vorfeld in aller Ausführlichkeit an die Medien ausgestreut hatte: Um die soziale Not in der israelischen Gesellschaft zu mildern, werde er eine »Bewegung für soziale Gerechtigkeit« gründen. Gajdamak geht es allerdings nicht nur um soziale Gerechtigkeit. Mit seiner politischen Existenzgründung will der schillernde Selfmademan zum Königsmacher der israelischen Politlandschaft aufsteigen.
Der Griff nach der Macht ist nicht so unrealistisch, wie er auf den ersten Blick anmuten mag. Dennoch ist Gajdamak, ob-
wohl seit 35 Jahren israelischer Staatsbürger, in der israelischen Gesellschaft ein Außenseiter. Sein Hebräisch ist so rudimentär, dass er bei öffentlichen Anlässen Englisch vorzieht. Kein Wunder: Der 1952 in der Ukraine Geborene war mit 20 Jahren nach Israel gekommen, ging jedoch ein Jahr später nach Frankreich. Dort stieg er vom Bauarbeiter zum Inhaber einer erfolgreichen Übersetzungsfirma auf. Zu dem ganz großen Geld aber – über sein Vermögen schweigt sich Gajdamak aus, doch wird er verschiedentlich auf vier Milliarden Dollar geschätzt – kam er aber durch Waffenhandel. Und zwar illegalen, wie die französischen Behörden glauben. Deshalb drohte Gajdamak in Frankreich die Festnahme, der er sich durch Flucht entzog. Vor sieben Jahren kehrte er nach Israel zurück.
Seitdem kämpft er unter massivem Einsatz seines Geldes um Einfluss und Anerkennung. So kaufte Gajdamak vor zwei Jahren den Jerusalemer Fußballclubs Beitar. Und auch Einrichtungen wie der Rote Davidstern oder dessen ultraorthodoxes Äquivalent, Hatzala, stehen in Gajdamaks Schuld. Während des Libanonkrieges wiederum baute er im sicheren Nitzanim eine Zeltstadt für neuntausend israelische Kriegsflüchtlinge aus dem Norden des Landes. Fünf Monate später lud er mehrere Hundert Einwohner der vom Kassam-Beschuss geplagten Stadt Sderot zum Wo-
chenende in Eilat ein. Die Sderot-Aktion sah die Regierung allerdings kritisch: »Ich bin gegen PR-Tricks von Millionären, die aus sachfremden Gründen durchgezogen werden«, geißelte Ministerpräsident Ehud Olmert. Die Schelte ließ Gajdamak kalt. »Dieser Mann (Olmert)«, konterte er mit typischer Unverblümtheit, »ist als Regierungschef ein Witz.« Seine Anhänger stören solche Verbalausfälle gegen den Premier nicht. Wie Gajdamak haben auch sie kein Vertrauen zum »Establishment«.
Auch wenn ihn viele Bürger lieben, se-
hen ihn die wirklichen Entscheidungsträger nicht als einen ebenbürtigen Partner an. Sie wollen ihn allenfalls für ihre Zwecke nutzen. Genau das will Gajdamak ändern. Im Vorfeld der nächsten Knessetwahl, so sein Schlachtplan, wandelt sich die »Bewegung« zu einer Partei und nimmt am Urnengang teil. Trotz fehlender Wahlaussagen glaubt Gajdamak, 25 der 120 Knesset-
sitze gewinnen zu können. Eine aktuelle Umfrage hängte das Ergebnis mit 14 Mandaten viel tiefer, doch wäre die Gajdamak-Liste auch dann die wahrscheinlich zweitstärkste Fraktion – zum Mitregieren mehr als genug. Als Premier von Gajdamaks Gnaden ist Benjamin Netanjahu vorgesehen. Bei der Pressekonferenz in der vergangenen Woche sprach sich Gajdamak nachdrücklich für »Bibi« als Regierungschef aus. So sieht die politische Zukunft für den ehemals zu kurz Gekommenen endlich vielversprechend aus. Die gegen ihn wegen des Verdachts der Geldwäsche in Israel laufenden Polizeiermittlungen steckt er weg und hofft, dass sich echte Fans davon nicht so schnell abschrecken lassen. Allerdings bleibt die Polizei am Ball. Am Montag dieser Woche wurde der Parteigründer vier Stunden lang wegen neuer Verdachtsmomente verhört: Die Ordnungshüter vermuten, dass Gajdamak der Büroleiterin von Ehud Olmert Freikarten für die begehrten Spiele seines Fußballvereins zugesteckt hat. Mag der Mäzen den Premier nicht sonderlich lieben – das Verhältnis zu dessen Amt lief anscheinend wie geschmiert.

Mario Voigt mit Stimmen der Linken zum Ministerpräsident gewählt

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