Krakau

Keimzelle

von Martin Kraft

Was macht man, wenn man jung ist, gerade erfahren hat, dass einer der beiden Elternteile oder die Großeltern jüdischer Herkunft sind und man in Krakau lebt? Wo findet man andere junge polnische Juden und Jüdinnen, um Kontakte zu knüpfen, sich auszutauschen, mehr zu erfahren über jüdische Kultur, Tradition, Geschichte und Religion?
Vor ein paar Jahren sahen sich Daniela Malec und ihre Freunde diesem Dilemma ausgesetzt. Das Angebot für jüdische Jugendliche in Krakau schien gering bis nichtvorhanden, es gab keinen Raum für Treffen und Veranstaltungen, und das eigene Wissen um das Judentum war äußerst nachholbedürftig. Denn in den Familien wurde über die eigene jüdische Herkunft den Kindern gegenüber jahrelang geschwiegen. Plötzlich damit konfrontiert, selbst jüdische Wurzeln zu haben, wussten viele nicht, an wen sie sich wenden sollten, was in einigen Fällen zu ernsthaften Identitätskrisen führte, oft aber zu einer Menge Fragen an die eigene Familiengeschichte und zum Judentum selbst.
Daniela Malecs Mutter ist jüdisch, ihr Vater nicht. Die Familie ihrer Mutter stammt aus dem heutigen Weißrussland, der Großteil der Familie emigirierte 1958 nach Israel. Auf einer Rundreise durch das Land im Rahmen eines israelischen Programms für jüdische Jugendliche aus der Diaspora, traf Daniela auf Gleichgesinnte, die ihr Bedürfnis nach Austausch und Engagement teilten. Zurück in Krakau wurde schnell die Idee geboren, regelmäßige Treffen für junge Juden und Jüdinnen zu organisieren. Zu Beginn noch in Danielas Wohnung, wurde in Folge die jüdische Gesellschaft »Czulent« gegründet. Kurz darauf konnte im November 2004 mit Unterstützung des britischen World Jewish Relief und des American Jewish Joint Distribution Committee ein eigener jüdischer Jugendklub eingerichtet werden, der seitdem sowohl als Büro für »Czulent« dient sowie auch für Hebräischstunden, kulturelle Veranstaltungen, Filmabende, Toralesungen und an Feiertagen genutzt wird.
»Czulent« betrachtet sich als weltoffene Gemeinschaft. Seine Mitglieder einigt das gemeinsame Interesse, die jüdische Identität zu wahren und sich mit jüdischer Kultur, Tradition, Geschichte wie auch Religion auseinanderzusetzen. Seit Sommer 2005 beherbergt der Klub Krakaus einzige allgemein zugängliche jüdische Bibliothek mit derzeit 2.000 Titeln. Zusätzlich stehen etliche jüdische Zeitungen und Zeitschriften zur Verfügung.
Daniela Malec ist heute Vorsitzende von »Czulent«. Sie erzählt von den ersten Erfahrungen mit der Jüdischen Gemeinde in Krakau: »Zunächst trafen wir auf eine etwas verhaltene Reaktion. Da tauchten plötzlich einige junge Menschen auf, die sich für das Judentum interessierten, und man wusste nicht so recht, wie man ihnen begegnen sollte.« Mittlerweile sind aber etliche Mitglieder von »Czulent« in der Krakauer Gemeinde selbst aktiv, und man arbeitet eng zusammen.
»Czulent« hat heute um die 40 Mitglieder – eine beachtliche Zahl angesichts der derzeit 150 Mitglieder der Krakauer Jüdischen Gemeinde. Allerdings besteht eine gewisse Fluktuation bei »Czulent«, denn viele junge Menschen kommen zum Studium nach Krakau und verlassen die Stadt nach dem Examen wieder. Die jüngsten Mitglieder der Vereinigung gehen noch in die Schule, die ältesten haben bereits selbst Kinder.
Neben Klub, Bibliothek und religiösem Engagement in der Gemeinde veranstaltet »Czulent« seit 2006 regelmäßig einen Literatursalon, zu dem jüdische Schriftsteller zu Lesungen eingeladen werden. Zusätzlich gibt es einen jüdischen Filmklub, der polnische und israelische Spiel- und Dokumentarfilme zeigt, die zur Diskussion über gesellschaftliche und politische Themen anregen sollen.
Die meisten Initiativen von Czulent richten sich an seine Mitglieder und die jüdische Gemeinde. Vor zwei Jahren hat man allerdings ein zusätzliches Schulprojekt ins Leben gerufen. Unter dem Titel »Treffen in Polin« werden Klassen der Oberstufe grundsätzliches Wissen über Tradition, Kultur und jüdische Religion vermittelt sowie Grundzüge interkulturellen Lernens und gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Ende April zieht »Czulent« in das neugeschaffene Jüdische Gemeindezentrum um. Man lebt dann Wand an Wand mit den anderen bisher über die Stadt verstreuten Einrichtungen der Gemeinde – ein Zeichen, dass die jüngere Generation Anerkennung und Einlass gefunden hat. Der genaue Termin für die Eröffnung des Gemeindezentrums bleibt aus Sicherheitsgründen noch geheim. Als Ehrengast erwarten die Krakauer Juden den britischen Thronfolger Prince Charles.

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025