geschichte

Jiddischland unterm Sowjetstern

geschichte
Jiddischland unterm Sowjetstern

Paris: Ausstellung über jüdische Bauern und Handwerker in der UdSSR

von Sophie Neuberg

Eine »Klammer« in der Geschichte der Juden nennt Emmanuelle Polack die zwanziger Jahre in Osteuropa. Die Zeit zwischen zaristischer und stalinistischer Unterdrückung sei wenig bekannt, habe aber für die Juden und für die jiddische Sprache eine besondere Bedeutung. Ende des 19. Jahrhunderts durften sich Juden in Osteuropa nicht überall niederlassen: Nur die »Residenzzone« war ihnen erlaubt. Sie erstreckte sich über Teile Rumäniens, Polens, Litauens, Weißrußlands und der Ukraine. Das Leben war durch den Antisemitismus und durch Hungersnöte stark erschwert. Die jüdische Wohlfahrtsorganisation ORT (»Organisation für handwerkliche und landwirtschaftliche Ausbildung der Juden in Ruß- land«) versuchte, den Menschen eine bessere Lebensgrundlage zu vermitteln.
Unerwartete Unterstützung brachte die russische Revolution. Die Sowjetregierung bekämpfte zwar jüdische Religion, förderte aber die jiddische Sprache und Kultur, ebenso wie die Berufsausbildung durch die ORT und die Gründung von landwirtschaftlichen Siedlungen. Antisemitismus wurde unter Strafe gestellt. 1921 beschloß die Regierung, Brachland in der Ukraine und auf der Krim mittellosen Juden zur Bewirtschaftung zu überlassen. Die ORT bekam die Erlaubnis und den Auftrag, Juden für die Landwirtschaft zu qualifizieren. Die Organisation durfte zu diesem Zweck auch Maschinen aus dem Ausland importieren.
Mit Stalin endete diese »Klammer«, eine erneute Verfolgung der Juden begann, die Arbeit der ORT wurde immer stärker behindert, und ab 1937 fast unmöglich gemacht.
In Paris unterhält ORT heute noch eine Schule. Hier entdeckte Emmanuelle Polack im Keller Fotos auf Glasplatten, die die Arbeit der ORT in der »Residenzzone« in den 20ern und 30ern dokumentieren. Bauern bei der Kartoffelernte, angehende Schuster und Schreiner in ihren Werkstätten, Auszubildende in Schulklassen. Die Fotos, so die Historikerin, wurden angefertigt, um in den USA und Westeuropa Spenden zu sammeln. »Es handelte sich um eine Werbekampagne«, erklärt sie, »es sind Propagandabilder«. Trotzdem lassen sich aus den Fotos Rückschlüsse auf das Leben der Juden in der UdSSR und auf die Arbeit der Wohlfahrtsorganisationen ziehen. So sieht man gemischt-geschlechtliche Schulklassen. Ein Foto zeigt eine Familie am Schabbat, die Männer tragen keine Kippa – Religion spielte offenbar im Alltag keine Rolle.
Aus den Bildern hat Emmanuelle Polack eine Ausstellung organisiert und einen dreisprachigen Katalog in Französisch, Englisch und Jiddisch herausgebracht. Die Besucher sind zum Teil Nachfahren von Juden aus den Regionen, in denen die Bilder entstanden. »Es ist für sie eine sehr emotionale Erfahrung,« berichtet Emmanuelle Polack. Nur sehr selten besitzen diese Menschen Bilder aus dieser Zeit. Fast alle Familienfotos wurden während der Schoa vernichtet. Polack plant, die Fotos später auch in Deutschland auszustellen.
www.mahj.org

Geburtstag

Holocaust-Überlebende Renate Aris wird 90

Aris war lange stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz und Präsidiumsmitglied des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden. 1999 gründete sie den ersten jüdischen Frauenverein in den ostdeutschen Bundesländern

 25.08.2025

Nahost

Alabali Radovan besucht Palästinensergebiete: Hilfe im Fokus

Die Entwicklungsministerin will in Tel Aviv diese Woche Angehörige von Geiseln treffen und das Westjordanland besuchen

 25.08.2025

Würzburg

AfD-Mann Halemba wegen Volksverhetzung vor Gericht

Die Staatsanwaltschaft wirft dem bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten Halemba auch Geldwäsche und Nötigung vor

von Angelika Resenhoeft, Michael Donhauser  21.08.2025

Ehrung

Ravensburger-Stiftung ehrt Bildungsstätte Anne Frank mit Preis

Es werde eine herausragende Bildungsinitiative gewürdigt, teilte die Stiftung mit

 20.08.2025

Athen

Israelische Firma übernimmt griechischen Rüstungsbauer

Griechenlands größter Hersteller von Militärfahrzeugen ist nun komplett in israelischer Hand. Die strategische Zusammenarbeit im Verteidigungssektor wird damit weiter vertieft

 20.08.2025

Jerusalem

Planungsausschuss berät über E1-Siedlung

Es geht um den Bau von rund 3400 Wohneinheiten in dem Gebiet zwischen Ost-Jerusalem und der Siedlung Ma’ale Adumim

 20.08.2025

Jerusalem

Israel entzieht Vertretern Australiens in Palästinensergebieten Visa

Australien ist eines der westlichen Länder, die im kommenden Monat einen palästinensischen Staat anerkennen wollen. Darauf und auf Einreiseverbote für israelische Politiker folgt ein Gegenschritt

 18.08.2025

Halle

Datenbank über Opfer medizinischer Forschung in NS-Zeit veröffentlicht

Tausende Menschen wurden im Nationalsozialismus zu medizinischen Untersuchungen gezwungen. Ihre Schicksale sollen nun sichtbar werden

 18.08.2025

Dresden

Tora-Rolle entsteht in aller Öffentlichkeit

Vor dem Dresdner Stadtmuseum kann demnächst jeder durch ein Schaufenster zusehen, wie eine Thora-Rolle entsteht

 14.08.2025