Esther Dischereit

In der Berufung

In der Berufung

Warum Esther Dischereit und der DGB
vor Gericht streiten

von Martin Jander

Die Proteste gegen die Kündigung der deutsch-jüdischen Schriftstellerin Esther Dischereit durch den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin reißen nicht ab. »Einer Mitarbeiterin zu kündigen, die mit großem Engagement die Antirassismus- und Kulturarbeit betreut hat, passt nicht in die heutige Zeit«, schrieb der frühere Innenminister Hessens, Gerhard Bökel (SPD), am 23. Mai an den DGB-Chef Michael Sommer. »Und schon gar nicht halte ich dies für Berlin-Brandenburg für vertretbar.«
Bökel reagiert mit seinem Brief auf ein arbeitsgerichtliches Verfahren. Der DGB in Berlin hatte seiner Kulturbeauftragten, deren umfangreiche Arbeit er in allen Geschäftsberichten lobte, Ende Juni 2006 gekündigt. Die hohen Mitgliederverluste der Gewerkschaften zwängen zu Einsparmaßnahmen, so die Begründung; Kulturarbeit sei weniger wichtig als andere Arbeitsfelder, daher falle der Arbeitsbereich weg.
Die gekündigte Schriftstellerin reichte vor dem Arbeitsgericht Klage ein. In offenen Briefen baten Künstler, Autoren und Gewerkschafter um Rücknahme der Kündigung, unter ihnen auch Wolfgang Benz (Berlin), Micha Brumlik (Frankfurt) und Andrei S. Markovits (USA). Davon unbeeindruckt erklärte ein DGB-Vertreter vor Gericht sinngemäß, man brauche für das Anbringen von Bildern und das Arrangement von Blumen zum 1. September oder 8. März künftig keine eigene Arbeitsstelle.
In erster Instanz erklärte das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam. Sie sei sozial nicht gerechtfertigt, und der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Darüber hinaus würden Teile der Arbeitsaufgaben Dischereits, etwa die Website www.respekt.dgb.de, inzwischen von anderen Beschäftigten betreut. Der DGB legte gegen dieses Urteil Berufung ein.
Die Proteste gegen die Kündigung Esther Dischereits sind auch deshalb so zahlreich, weil die Schriftstellerin international als eine der wichtigen Stimmen der jüdischen Gegenwartsliteratur gilt. Sie hat gerade neue Erzählungen (Der Morgen an dem der Zeitungsträger) und Gedichte (Im Toaster steckt eine Scheibe Brot) publiziert. Proteste kommen nicht nur aus Deutschland. Auch die einflussreiche »Coalition of Women in German« (USA) schloss sich an.
Gerhard Bökel schreibt in seinem Brief an Sommer, er könne sich schon vorstellen, dass es dem DGB auf ein Mitglied mehr oder weniger nicht ankomme. »Ich muss mir wirklich überlegen, ob ich die Beiträge nicht lieber für eine der unterschiedlichen Initiativen gegen Rechts verwenden sollte, wenn ich keine befriedigende Antwort erhalte.« Auch seine eigene Gewerkschaft, die IG Bauen-Agrar-Umwelt, hat Bökel gebeten, auf den DGB einzuwirken, die Kündigung zurückzunehmen. Das Landesarbeitsgericht wird am 8. Juni im Berufungsver- fahren arbeitsrechtliche Aspekte des Falles bewerten. Seine politischen Dimensionen muss der DGB selbst beurteilen.

Freitag, 8. Juni. 2007, 11 Uhr, Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (6. Senat Landesarbeitsgericht), Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin, Raum 227 (Az. 6Fa188/07).

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025