Christian Wulff

»Ich schäme mich«

von Katrin Richter

Der Streit um die Pogrom-Äußerungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff ist beendet. Nachdem der CDU-Politiker am Sonntag bei einer Gedenkstunde der Jüdischen Gemeinde in Hannover nochmals öffentlich sein Bedauern ausgedrückt hatte, nahm Charlotte Knobloch die Entschuldigung an: Für den Zentralrat der Juden in Deutschland sei mit Wulffs »deutlicher persönlicher Distanzierung von seiner zuvor gemachten Äußerung der Konflikt beigelegt«, sagte die Präsidentin des Zentralrats der Jüdischen Allgemeinen am Dienstag.
Wulff hatte in seiner Rede gesagt: »Ich habe durch die unsägliche Verwendung des Wortes ›Pogromstimmung‹ bei einer tagespolitischen Debatte Gefühle von Menschen verletzt, Missverständnisse erzeugt und die grausamen Pogrome gegen unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in ihrer Alleinstellung ungewollt öffentlich relativiert. Glauben Sie mir: Ich schäme mich dessen.«
Der niedersächsische Ministerpräsident hatte am vergangenen Donnerstagabend für einen Eklat gesorgt. In der Talkshow »Studio Friedman« war die weltweite Finanzkrise und deren Folgen das Gesprächsthema. Der Parteivize der CDU sagte: »Ich finde, wenn jemand 40 Millionen Steuern zahlt und Zehntausende Jobs sichert, dann muss sich gegen den hier nicht eine Pogromstimmung entwickeln.«
Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer, forderte daraufhin am Freitag nicht nur eine Entschuldigung von Wulff, sondern legte dem Ministerpräsidenten auch den Rücktritt nahe: »Wulff sollte sich fragen, ob er für sein Amt geeignet ist.« Kramer warf dem Politiker vor, dass er schon kurz nach seiner Aussage, noch während der Sendung, mehrmals die Möglichkeit gehabt habe, den Pogrom-Vergleich zurückzunehmen. Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, hatte Wulff mit den Worten unterbrochen, dass sein Vergleich »wohl das falsche Beispiel sei«. Auch auf Nachfragen des Moderators Michel Friedman, ob diese Äußerung ernst gemeint sei, berichtigte sich Wulff nicht, sondern redete weiter.
Das Verhalten des Ministerpräsidenten stieß trotz einer ersten Entschuldigung nicht nur beim Zentralrat weiter auf heftige Kritik. Auch Politikerkollegen monierten Wulffs Vergleich. Niedersachsens SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner sagte, es sei beschämend für das Land Niedersachsen, wenn sich der Ministerpräsident kurz vor dem 70. Jahrestag der Pogromnacht derart instinktlos äußere. Die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken, Gesine Lötzsch, be- zeichnete Wulffs Wortwahl als »absurd, geschmacklos und inakzeptabel«.
Für erheblichen Ärger sorgte der Eklat um Wulff auch auf anderer Ebene. In einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 8. November hieß es: »In der von Michel Friedman, einem Juden, moderierten Talkshow hatte sich Wulff trotz entsprechender Nachfragen nicht von seiner Wortwahl distanziert.« Den Einschub »einem Juden« hält der Generalsekretär des Zentralrats für »untragbar«, weil er auf »antisemitische Reflexe« ziele. Kramer beschwerte sich deshlb über die Formulierung beim Deutschen Presserat. Die Religion des Moderators zu nennen, habe nichts mit dessen Arbeit zu tun. Carsten Knop, der verantwortliche Redakteur der renommierten Zeitung, bedauerte später die »unglückliche Wortwahl in einem Stück über eine unglückliche Wortwahl«.
Erst Ende Oktober hatte ein anderer Vergleich mit der Nazi-Zeit große Empörung ausgelöst. Der Chef des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), Hans-Werner Sinn, antwortete in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel auf die Frage, ob Manager Opfer seien: »In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken. Auch in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wollte niemand an einen anonymen Systemfehler glauben. Damals hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager.«
Der Ökonom wurde daraufhin zwar ebenfalls für seine Worte heftig kritisiert. Doch nach einer öffentlichen Entschuldigung und einem Brief an Zentralratspräsidentin Knobloch, in dem Sinn sein Bedauern ausdrückte, war die Sache mehr oder weniger vom Tisch.

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