Mit vorsichtiger Hoffnung blicken die Familien der Hamas-Geiseln auf eine neue diplomatische Initiative aus Washington. Der sogenannte »21-Punkte-Plan« aus dem Weißen Haus könnte Bewegung in die festgefahrene Lage bringen. Er zielt darauf ab, eine schnelle und umfassende Lösung für den Gaza-Krieg zu finden. Die 48 verschleppten Menschen in der Hand der Terrororganisation sollen dabei auf einmal freikommen – fast zwei Jahre, nachdem sie während des Hamas-Massakers auf südliche israelische Gemeinden am 7. Oktober 2023 entführt wurden.
Der Plan wurde Anfang der Woche arabischen Staats- und Regierungschefs vorgelegt – unklar ist allerdings, ob er der Hamas präsentiert wurde. Es wird jedoch angenommen, dass er über Katar an das Verhandlungsteam der Terrororganisation in Doha weitergeleitet wird.
US-Präsident gibt sich optimistisch
US-Präsident Donald Trump äußerte sich am Freitag optimistisch und sagte, die Seiten seien einer Einigung »sehr nahe«, während der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu am selben Tag in seiner Ansprache vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen versprach, den Krieg fortzusetzen, bis die Hamas zerstört sei. Arabische Staats- und Regierungschefs unterstützten den Trump-Vorschlag trotz Vorbehalten grundsätzlich, so eine Quelle in US-Medien. Sie wollten vor allem ein schnelles Ende des Konflikts, heißt es.
Nach Angaben amerikanischer Regierungsbeamter beinhaltet der derzeit diskutierte Verhandlungsrahmen einen dreistufigen Plan. Vorgesehen ist ein Waffenstillstand, der innerhalb von 72 Stunden nach einer Einigung in Kraft treten soll. In diesem Zeitraum soll auch die schrittweise Freilassung der Geiseln erfolgen. Während Washington darauf dränge, dass alle auf einmal nach Hause kommen, werden nach Medienberichten auch gestaffelte Freilassungen diskutiert.
Ein zentrales Element des Plans ist die Entwaffnung der Hamas sowie der Abzug ihrer Führungspersonen aus dem Gazastreifen. Israel soll sich im Gegenzug verpflichten, keine gezielten Angriffe auf diese Personen durchzuführen und sich aus Gaza zurückziehen.
Israelische Quelle: »Die Amerikaner sind sehr aktiv. Für sie ist dies die entscheidende Phase. Sie sind voll mobilisiert, um den Krieg zu beenden und die Geiseln nach Hause zu bringen.«
Zudem werden auf US-Initiative Gespräche über einen von Saudi-Arabien unterstützten internationalen Wiederaufbaufonds für Gaza vorangetrieben. Hoffnung ist, dass der wirtschaftliche Wiederaufbau langfristige Stabilität ermöglicht. Die Zivilisten in Gaza sollen bei diesem Rahmenwerk ermutigt werden, in der Enklave zu bleiben. Anderes als beim vorherigen Trump-Plan, bei dem der Präsident von einer »Riviera unter US-Verwaltung« sprach, bei dem die Palästinenser zumindest vorübergehend das Gebiet hätten verlassen sollen.
Währenddessen berichten offizielle Quellen in Israel von zunehmendem Druck seitens der Vereinigten Staaten. Ein hochrangiger Beamter sagte in israelischen Medien: »Die Amerikaner sind sehr aktiv. Für sie ist dies die entscheidende Phase. Sie sind voll mobilisiert, um den Krieg zu beenden und die Geiseln nach Hause zu bringen.« Gleichzeitig warnte ein anderer, die Lage sei weiterhin »extrem fragil«, und es gebe »zu viele unvorhersehbare Faktoren«, um einen baldigen Durchbruch zu garantieren.
Ein besonders umstrittener Punkt bleibt die künftige Verwaltung des Gazastreifens. Verschiedenen Diplomaten zufolge sieht der Plan langfristig die Rückkehr der Palästinensischen Autonomiebehörde in die Verwaltung des Gebiets vor – ein Schritt, den der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu bislang ablehnt, der aus Sicht der USA jedoch unerlässlich ist.
Doch es heißt, das Weiße Haus zeige sich in jedem Fall entschlossen, eine diplomatische Lösung herbeizuführen. Der frühere US-Berater und Schwiegersohn von Trump, Jared Kushner, sowie der Unternehmer und politische Berater Steve Witkoff trafen sich in den vergangenen Tagen mit Netanjahu, um über mögliche Wege zur Beendigung des Konflikts zu sprechen. Witkoff versicherte gegenüber Angehörigen der Geiseln, er arbeite »Tag und Nacht an einer Lösung«.
Netanjahu sprach mit dem Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate
Am Rande der UN-Generalversammlung in New York hatte sich Netanjahu auch mit dem Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Scheich Abdullah bin Zayed Al Nahyan, zu einem vertraulichen Gespräch getroffen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur der Emirate mitteilte, standen die regionalen Entwicklungen und die internationalen Bemühungen um ein Ende des Gaza-Kriegs im Zentrum des Treffens.
Scheich Abdullah bekräftigte die Forderung der Emirate nach einem dauerhaften Waffenstillstand sowie nach einem Ende der humanitären Krise im Gazastreifen. Gleichzeitig betonte er die Unterstützung der VAE für alle internationalen Initiativen zur Freilassung der Geiseln.
Ob die Hamas und die israelische Regierung den neuen Plan aus Washington annehmen werden, ist derzeit noch völlig offen. Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir kommentierte am Sonntag bereits, dass Netanjahu »kein Mandat hat, den Krieg zu beenden, ohne dass die Hamas zerstört ist«. Seine und die andere Rechtsaußen-Partei von Finanzminister Bezalel Smotrich erklären kategorisch, keinen Deal für einen Waffenstillstand und Geiselbefreiung zu unterstützen und die Koalition in diesem Falle zu verlassen.
Allerdings haben sowohl die Opposition als auch alle ultraorthodoxen Parteien klargemacht, sie würden Netanjahu für einen Deal, der den Krieg beendet und die seit mehr als 720 Tagen gekidnappten Menschen endlich nach Hause bringt, einen politischen Rettungsschirm bieten.