Arbeitskräfte

Heiligkeit und Hightech

von Wladimir Struminski

Wenn eine Firma neue Arbeitskräfte sucht, wendet sie sich ans Arbeitsamt oder an private Vermittler. Oder – jedenfalls in Jerusalem – an ultraorthodoxe Jeschiwot. Die Industrie in Israels Hauptstadt hofft, mehrere Tausend Talmudstudenten von der Schul- an die Werkbank zu holen. Dass die Kandidaten in aller Regel keine Arbeitserfahrung haben, nehmen die Firmen in Kauf. Schließlich sind Jeschiwa-Schüler knifflige Fragen gewohnt. Wie sich gezeigt hat, hilft ihnen diese Einstellung auch bei der Umschulung zu Facharbeitern. »Einzige Voraussetzung«, so Ran Tutenauer, Vorsitzender des Industriellenverbandes in Jerusa- lem, »sind geschickte Hände«. Die Berufsausbildung selbst wird von Fachschulen und Betrieben übernommen. Heute sind bereits 2.400 Ultraorthodoxe in 175 Betrieben in Jerusalem und Umgebung tätig. Benötigt werden weit mehr.
Daher wandte sich der Industriellenverband an die Vorsteher orthodoxer Jeschiwot mit dem Ansuchen, einem Zehntel ihrer Schüler den Berufswechsel zu erlauben. Bei 45.000 strenggläubigen Studenten, die in der Hauptstadt über der Heiligen Schrift brüten, wären das immerhin viereinhalb Tausend neue Schlosser, Fräser oder Montagekräfte. »Ich hoffe sehr«, so Tutenauer, »dass die Rabbiner unsere Bitte erfüllen«. Gleichzeitig wollen die Betriebe mit Hilfe der gemeinnützigen Vereinigung »Mafteach« ultraorthodoxen Arbeitskräften konkrete Angebote unterbreiten. Auch eine Arbeitsbörse, bei der Personalchefs und po- tenzielle Mitarbeiter aufeinandertreffen, ist bereits geplant.
Eine »Industrierevolution« an den Jeschiwot, so sie denn stattfindet, käme nicht nur den Arbeitgebern gelegen, sondern würde auch die wirtschaftliche Lage strengreligiöser Familien verbessern. Heute, so das Jerusalemer Institut für Israelstudien, nimmt in der Hauptstadt nicht einmal jeder sechste ultraorthodoxe Mann am Arbeitsleben teil. Die Folge ist weit verbreitete Armut, die durch den Kinderreichtum – im Durchschnitt sechs bis sieben Kinder pro Haushalt – zusätzlich verschärft wird.
Um ihre Personalsorgen zu lösen, ist die Jerusalemer Industrie auch um Mitarbeiter aus dem arabischen Stadtteil bemüht, allerdings ohne größeren Erfolg. Ostjerusalemer Araber, so die Industriellen enttäuscht, zögen die Beschäftigung im Dienstleistungsgewerbe vor. Wohl ließen sich palästinensische Arbeiter im Westjordanland finden. Allerdings erhalten nur die wenigsten die dafür erforderliche israelische Arbeitsgenehmigung. Im Nordjerusalemer Gewerbegebiet Atarot, einstmals ein Hauptanziehungspunkt für Palästinenser, arbeiten heute nur noch 2.000 Westbankbewohner.
Allerdings betrifft der Personalengpass vor allem die traditionellen Branchen. Dagegen floriert in Jerusalem der Hightech-Sektor. Gegenwärtig sind in der Stadt 180 technologieintensive Betriebe tätig. Im letzten Jahr erzielte der Jerusalemer Hightech-Sektor einen Umsatz von 6,3 Milliarden Schekel (1,1 Milliarden Euro), zu sieben Zehnteln im Exportgeschäft. Damit lag der Jerusalemer Anteil an Israels Hightech-Ausfuhren immerhin bei sieben Prozent. Die Heilige Stadt verfügt über eine gut ausgebaute Infrastruktur für die Entwicklung wissensintensiver Produkte. Die Hebräische Universität ist ein wichtiges Forschungszentrum. Das Hadassah-Krankenhaus mit seinen Forschungseinrichtungen spielt eine wichtige Rolle für die Biotechnologie. Im auf Hochtechnologie spezialisierten Industriegebiet Har Chotzwim sind auch ausländische Investoren präsent, darunter die amerikanischen Elektronikkonzerne Motorola und Intel. Geht es nach Plänen der Industrie, werden in den kommen- den Jahren 40 neue wissensintensive Unternehmen gegründet. Auch die Entwicklung neuer Technologieprodukte soll stärker vorangetrieben werden. Heiligkeit und Hightech schließen einander, wie Jerusalem beweist, offenbar nicht aus.

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025