Torawerte

Gottes Eiferer

von Rabbiner Yehudah Zoldan

Die Taten des Pinhas am Ende der Parascha vergangener Woche führen in der Parascha dieser Woche zu einem besonderen Segen: »Sieh, ich gewähre ihm meinen Bund des Friedens« (4. Buch Moses, 25,12). Womit hat er diesen Segen verdient? Sein Verhalten wirft mehrere Fragen auf: Kann er wirklich denen, die Gottes Wort zu erfüllen streben, als Vorbild dienen? Wem kommt es überhaupt zu zu eifern? Welche Eigenschaften muss ein solcher Mensch besitzen? Unter welchen Umständen darf ein Glaubenseiferer handeln? Darf er sich gegen jeden wenden, der das Gesetz übertritt? Wie kann ein einzelner Mensch, selbst einer vom Format des Pinhas, die Todesstrafe gegen einen anderen vollstrecken?
Nach der Mischna (Sanhedrin 9.6) darf ein Zelot nur in drei Fällen der Gesetzesüberschreitung tätig werden: »Wenn jemand Tempelzubehör gestohlen hat oder den Herrn mit götzendienerischer Zauberei gelästert hat oder sexuellen Verkehr mit einer Götzendienerin gehabt hat – dann dürfen die Eiferer sich seiner bemächtigen.« Rabbi Ovadiah von Bertinoro fasst die Einschränkungen zusammen:
»Eiferer mögen sich seiner bemächtigen – die für den Allmächtigen eifern, sie mögen ihn töten. Dies jedoch nur, wenn die Götzendienerin selber Tochter einer Götzendienerin ist und beide auf frischer Tat ertappt werden und wenn zehn jüdische Zeugen anwesend sind. Ist auch nur eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, darf der Mann nicht getötet werden.«
Zwar gab es eine solche Regel, aber es gab keine Pflicht, als Eiferer zu handeln, und der Zelot geht denn auch ein persönliches Risiko ein: »Der Herrscher ist zur Erfüllung dieser Halacha nicht verpflichtet. Als Pinhas den Mann tötet, riskiert er selbst die Todesstrafe. Wenn sein Opfer sich nun gegen Pinhas wendet und ihn tötet, so gilt für ihn nicht die Todesstrafe, denn es handelt sich um einen Akt der Notwehr.
Aber weshalb geht der Eiferer für Gottes Wort ein persönliches Risiko ein? Wehalb handelt es sich um eine Gesetzesvorschrift, nach der man nicht zu handeln verpflichtet ist? Rabbi Kook gibt folgende Erläuterung: »Der Akt des Eiferns – Wer Verkehr hat mit einer Götzendienerin, den mögen die Zeloten egreifen – verdeutlicht eine Halacha, die uns nicht zu erfüllen geboten ist. Wie kann eine solche Tat anders erfolgen denn aus reiner religiöser Absicht ohne jede persönliche Voreingenommenheit? Nicht die geringste Spur von Mord darf der Tat innewohnen, denn sie erfolgt nicht nach der Entscheidung eines Gerichtes, vor dem schwere Straftaten verhandelt werden und sie soll einzig und allein der Ausrottung des Übels im Namen des Himmels dienen. Nur unter diesen Bedingungen wird diese verbotene Handlung, die im Normalfall Unreinheit zur Folge hat, zu einer zulässigen Tat.«
Eifernde Taten müssen aus großer geistiger Reife und aus reiner Gottesfurcht erfolgen und müssen sorgfältig und verantwortungsbewusst begründet sein. Wenn diese Umstände nicht gegeben sind, dann handelt es sich um Mord. Auch die Anwesenden Zeugen der Tat müssen von der reinen Absicht des Eiferers überzeugt sein. Nach Rav Ashis Überzeugung setzte sich erst viel später allgemein die Überzeugung durch, dass Pinhas aus reinen Beweggründen gehandelt hat. »Pinhas wurde nicht zum Priester geweiht … bevor er Frieden unter den Stämmen gestiftet hatte. Erst nachdem wurde er Priester genannt.«
Nach dieser Analyse gebietet die Halacha niemandem ein Eingreifen, sondern sie erteilt vielmehr eine Erlaubnis und Rechtfertigung, nach vollbrachter Tat. Pinhas mag aus der Gemeinschaft des Sanhedrin (Babylonischer Talmud, Sanhedrin 82a) gekommen sein, aber gehandelt hat er auf eigenen Antrieb. Der Eiferer, der allein auf der Basis dieses Gesetzes handelt und nicht aus innerem moralischem Aufruhr angesichts eines solchen verabscheuungswürdigen Tuns, handelt in Wahrheit gegen die Halacha. Die Halacha weist uns nicht von vornherein zu einem Einschreiten an. Diejenigen, die alle erforderlichen Bedingungen erfüllen können, sind tatsächlich nur sehr wenige Auserwählte.
Dem Eiferer ist nicht nur untersagt zu handeln, wenn nicht alle diese Bedingungen erfüllt sind, sondern auch der Mann, der Verkehr mit einer Götzendienerin hatte, unterliegt nicht der Todesstrafe, solange ihm kein Eiferer entgegentritt. Das wird von Rabbi Jacob Moses Harlap erläutert: »Das Gesetz, wonach ein Mann, der Verkehr mit einer Götzendienerin hatte, zu Tode zu bringen ist, gilt nur, wo Eiferer zugegen sind. Denn sie sind es, die mit erhabenem Geist und mit erhabenem Empfinden für die Heiligkeit Israels zeugen, so dass der Übeltäter vor ihnen dem Tode verfällt. Sind jedoch keine Eiferer zugegen und keine Menschen, die ob der Heiligkeit Israels bis ins Innerste aufgerüttelt werden, so verfällt der Übeltäter nicht dem Tode.«
Nur ein Eiferer, der bereit ist, sich selbst in Gefahr zu begeben, getötet zu werden, und zwar rechtmäßig getötet zu werden, bevor er sich gegen den Mann wendet, der Verkehr mit einer Götzendienerin hatte, nur dieser Eiferer wird von der Halacha unterstützt, wenn ihm die Ausführung seiner eifernden Tat gelingt.
Die Regelung, nach der sich »die Eiferer seiner bemächtigen mögen«, ist einzigartig und außergewöhnlich. Sie gilt einzig in Bezug auf die drei genannten Sünden und ist nicht auf andere Lebensbereiche übertragbar. Der Eiferer muss ganz bestimmte Charaktereigenschaften besitzen, die seinen wahren Eifer für den Herrn belegen, ohne dass irgendwelche persönlichen oder anderen Beweggründe, auch halachische, im Spiel sind.
Das jüdische Gesetz verpflichtet nicht zum Eiferertum. Es kann solche Handlungen gestatten und sie unterstützen, jedoch nur nachträglich, wenn festgestellt wurde, dass die Motive des Eiferers tatsächlich absolut rein waren. Pinhas’ Tat war außergewöhnlich, sie lag jenseits der üblichen gerichtlichen Tatbestände und unterlag nicht dem normalen Strafrecht. Akzeptierte Normen wurden hier verletzt um der Heiligkeit des Volkes, des Heiligtums und des Herrn Willen. Das Streben nach Vollkommenheit in diesen Sphären zählt zu den grundlegenden Kennzeichen der Nation, findet seinen Ausdruck jedoch in einzigartiger und außergewöhnlicher Weise im Tun des Pinhas, dem eine solche Tat zustand.
Wie Rabbi Kook erläutert: »Liebe zum Herrn wird in ihrer höchsten Form zum Eifern für den Herrn … Eifern für den Herrn ist ein Zug, der dem jüdischen Volk als Ganzem innewohnt … beim Einzelnen ist es das Merkmal des Elias.«

Pinchas: 4. Buch Moses 25,10 – 30.2

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