Regierung

Ganz großes Kabinett

Benjamin Netanjahu kann sich zufrieden auf die Schulter klopfen. Obwohl er vor fünf Wochen mit seinem Likud nur als zweitgrößte Partei aus den israelischen Parlamentswahlen hervorging, konnte er am Dienstag der Knesset, dem israelischen Parlament, seine Regierung vorstellen. Mit viel Kreativität und Steuergeldern gelang es ihm, eine schier unmögliche Koalition von orthodoxen und anti-religiösen, Ultra-Nationalisten und Friedensaktivisten zu-
sammenzuzimmern.
Der Preis für die breite Regierung, die den Fiskus zusätzlich zwei Milliarden Eu-
ro kosten wird, wurde Anfang der Woche im Möbellager der Knesset offenbar. An-
gestellte entstaubten hier einen Tisch, der vor zehn Jahren das Pult der Regierung Ehud Baraks verlängert hatte. Der hatte so viele Minister ernannt, dass sie am Regierungstisch keinen Platz fanden. Damals hatte Netanjahu ein derart großes Kabinett als »verantwortungslose Verschwendung öffentlicher Gelder« kritisiert und einen Gesetzesvorschlag unterbreiten lassen, der die Anzahl der Minister auf 18 be-
schränken sollte. Nun hat Netanjahu rund 30 Minister und 7 Vizeminister ernannt. Wegen eines akuten Mangels an Ministerien musste er für sie eigens Posten wie den »Minister für die Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen, das Internet und die Rentner« schaffen, dessen erste Aufgabe es sein müsste, sich selbst abzuschaffen.
Falken besetzen im neuen Kabinett Schlüsselrollen. Ultra-Nationalist Avigdor Lieberman, der in der Vergangenheit vor allem durch araberfeindliche oder militante Aussagen auffiel, wird Außenminister, der ehemalige Generalstabchef Mosche Yaalon Minister für strategische Gefahren. Im Ausland befürchtet man deswegen einen scharfen Rechtsruck und das Ende des Friedensprozesses.
Netanjahu hat in den Koalitionsverhandlungen jedoch seinen Einfallsreichtum bewiesen. Er ließ sich weder von rechts noch von links auf eine Politik festnageln. Liebermann versprach er, die Herrschaft der islamistischen Hamas im Gasastreifen beenden zu wollen, der Ar-
beitspartei sicherte er aber die Ausarbeitung eines regionalen Friedensplanes zu. Gleichzeitig ist Netanjahu bemüht, die Sorgen im Ausland zu beschwichtigen. Das Regierungsprogramm erwähne zwar keinen Palästinenserstaat, schließe ihn aber genauso wenig aus, hieß es im Likud. Netanjahu bekräftigt immerfort Friedenswillen und Verhandlungsbereitschaft. Er lege sich halt nur nicht bereits im Vorfeld fest, wie eine Lösung auszusehen habe. Innerhalb und außerhalb Israels sei man sich einig, »dass die Palästinenser die Chance erhalten sollten, sich selbst zu regieren, ohne uns zu bedrohen«, sagte Netanjahu.
Die Besetzung, die Netanjahu für sein Kabinett wählte, verdeutlicht die Ressorts, die er als Erstes anpacken will. Mit Hardliner Lieberman und den Ex-Militärs Yaalon und Barak als Minister an seiner Seite wird eine militärische Option für den Umgang mit den atomaren Bestrebungen des Iran immer wahrscheinlicher.

Diplomatie

Netanjahu geht auf Belgiens Premier los

Für seine Entscheidung, Palästina als Staat anzuerkennen, wird Bart De Wever vom israelischen Ministerpräsident persönlich attackiert

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025

Ankara

Türkei bricht Handelsbeziehungen zu Israel ab

Der Handel der Türkei mit Israel belief sich im Jahr 2023 noch auf mehrere Milliarden US-Dollar. Nun bricht die Türkei alle Handelsbeziehungen zu Israel ab. Doch es ist nicht die einzige Maßnahme

 29.08.2025

Geburtstag

Popstar der Klassik: Geiger Itzhak Perlman wird 80

»Sesamstraße«, »Schindlers Liste« und alle großen Konzertsäle der Welt natürlich sowieso: Der Geiger gehört zu den ganz großen Stars der Klassik. Jetzt wird er 80 - und macht weiter

von Christina Horsten  29.08.2025

Bonn

Experte: Opfer mit Bewältigung von Rechtsterror nicht alleinlassen

Der erste NSU-Mord liegt beinahe 25 Jahre zurück. Angehörige der Opfer fordern mehr Aufmerksamkeit - und angemessenes Gedenken, wenn es um rechtsextreme Gewalt geht. Fachleute sehen unterschiedliche Entwicklungen

 29.08.2025

Frankfurt am Main

Michel Friedman will nicht für TikTok tanzen

Es handle sich um eine Plattform, die primär Propaganda und Lügen verbreite, sagt der Publizist

 28.08.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebende Renate Aris wird 90

Aris war lange stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz und Präsidiumsmitglied des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden. 1999 gründete sie den ersten jüdischen Frauenverein in den ostdeutschen Bundesländern

 25.08.2025