Österreich

FPÖ vor Machtübernahme in Wien: Ein Signal für Deutschland?

Herbert Kickl: Auf dem Weg ins Kanzleramt? Foto: picture alliance / Georges Schneider / photonews.at

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis die rechte FPÖ in Österreich erstmals den Kanzler stellt. Die Koalitionsverhandlungen mit der konservativen ÖVP gelten als aussichtsreich. Die Medien sprechen von »Zäsur«, »Zeitenwende« und einem historischen Moment. Angesichts der Erfolge der AfD drängt sich auch die Frage auf, was die Entwicklung für Deutschland bedeutet. Die deutschen Rechtspopulisten freuen sich, dass die »Brandmauer« - also die Abgrenzung der anderen Parteien von den Rechten - in Österreich gefallen sei.

Gab es in Österreich je eine »Brandmauer«?

Nein. Die FPÖ ist im Gegensatz zur AfD bereits seit Jahrzehnten eine etablierte politische Kraft, die immer wieder an Regierungen im Land und im Bund beteiligt war und ist. So ist die FPÖ aktuell in fünf der neun Bundesländer Österreichs Teil einer Koalitionsregierung mit der konservativen ÖVP. In der Steiermark stellen die Rechtspopulisten gar den Ministerpräsidenten. Auch die Sozialdemokraten haben mit der FPÖ regiert. In der Bundesregierung saß die FPÖ zuletzt von 2017 bis 2019 unter dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Was war dann das Problem mit der FPÖ bei der Regierungsbildung?

Das Problem hat einen Namen: Herbert Kickl. Der 56-Jährige führt die Rechtspopulisten seit 2021 an. Seitdem betreibt die FPÖ Fundamental-Opposition. Kickl hat die Partei noch deutlicher als bisher nach rechts gerückt, findet zum Beispiel, dass die rechtsextremen Identitären nur eine Art »NGO von rechts« seien. Starken Rückenwind bekam die FPÖ durch die Corona-Politik von ÖVP und Grünen. 

Der - nie umgesetzte - Impfzwang ist bis heute ein Dauerbrenner in der Rhetorik von Kickl, der anfangs selbst für rigide Gegenmaßnahmen eingetreten war. Alle Parteien - auch die ÖVP - betrachteten ihn als »radikalisiert«. Nach dem Rückzug von Kanzler Karl Nehammer als Parteichef machte die ÖVP nun eine Kehrtwende und bot sich der FPÖ als Juniorpartner an. 

Was sind die größten Unterschiede zwischen ÖVP und FPÖ?

Teils völlig unterschiedlich sind die Ansichten in der Außen-, Europa- und Sicherheitspolitik. Die ÖVP sieht Österreich tief in der EU verankert, die FPÖ war schon vor 30 Jahren - als die Alpenrepublik EU-Mitglied wurde - gegen den EU-Beitritt. Ein Öxit ist zwar praktisch auszuschließen, aber auf europäischer Ebene hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban mit Herbert Kickl einen extrem EU-kritischen Mitstreiter.

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Die FPÖ ist russlandfreundlich - und wettert gegen die im Ukrainekrieg verhängten EU-Sanktionen. Die ÖVP ist klar für eine Unterstützung der Ukraine. Bisher stellt die Alpenrepublik humanitäre Hilfe zur Verfügung. Waffenlieferungen sind wegen der Neutralität des Landes tabu. Das europäische Luftverteidigungssystem »Sky Shield« wird von der FPÖ abgelehnt, die ÖVP wollte trotz der Neutralität Österreichs dabei mitmachen. 

Wie ist der Kurs bei der Migrationspolitik?

Aktuell ist die irreguläre Migration nach Österreich auf einem sehr niedrigen Niveau - im Gegensatz zu manchen Vorjahren. Aber grundsätzlich ist der Anti-Migrations-Kurs der FPÖ bei großen Teilen der Bevölkerung populär. Entsprechend wird die FPÖ alles daran setzen, die Zahl der Zuwanderer noch weiter zu begrenzen und deren Versorgung in Österreich sehr unattraktiv zu machen. Da ist sie sich mit der ÖVP weitgehend einig.

Was ist bei der Medienpolitik zu erwarten?

Der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins »Profil«, Christian Rainer, sieht dunkle Zeiten aufziehen. Für die Medien, von der FPÖ oft als »System-Medien« verunglimpft, sei das Schlimmste zu befürchten, sagte er der Nachrichtenagentur APA. »Eine Mischung aus Oppression und Umerziehung, von illiberaler Überzeugung und über viele Jahre genährten Rachegefühlen getrieben«, so Rainer. Mit Blick auf den Medienstandort befürchtet er, dass die Grenzen zur Medienpolitik von Ungarn und der Slowakei geöffnet werden könnten. Auch für den öffentlich-rechtlichen ORF könnten sich Änderungen anbahnen. Die FPÖ ist seit langem gegen die Rundfunkgebühr, die sie als »Zwangsabgabe« bezeichnet.

Wie bewertet die AfD die Entwicklung im Nachbarland Österreich?

Für die AfD könnte es wenige Wochen vor der Bundestagswahl keine bessere Vorlage geben. AfD-Vertreter jubeln über den Erfolg der »Schwesterpartei« FPÖ. Es keimt neue Hoffnung, dass die Option Mitregieren nun auch in Deutschland näher rücken könnte. »Was für eine Wendung, was für eine großartige Entwicklung!«, schrieb Partei-Rechtsaußen Björn Höcke auf der Plattform X. 

AfD-Chefin Alice Weidel forderte CDU und CSU dazu auf, die Abgrenzung von ihrer Partei aufzugeben. Die Wähler wollten keine Koalitionen, »in denen wieder linke Parteien den Ton angeben, wenn es auch eine bürgerliche Mehrheit aus Union und AfD gibt«. Die von CDU-Chef Friedrich Merz errichtete Brandmauer werde keinen Bestand haben.

Ist eine Regierungsbeteiligung der AfD nun realistischer geworden? 

Kaum. Selbst auf Ebene der Bundesländer ist das mit Blick auf die aktuelle Positionierung der anderen Parteien, die eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, momentan nicht vorstellbar. Und für die Bundesebene hatte Unionskanzlerkandidat Merz eine Zusammenarbeit mit der AfD nach der anstehenden Bundestagswahl kategorisch ausgeschlossen: »Weder vorher noch nachher noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt gibt es eine Zusammenarbeit meiner Fraktion mit Ihren Leuten - egal mit wie vielen Leuten Sie hier im nächsten Deutschen Bundestag sitzen werden«, hatte er in einer Bundestagsdebatte im November an die Adresse der AfD gerichtet gesagt.

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