von Uwe Westphal
Schon vor drei Jahren berichtete der Londoner Daily Telegraph: »Universitätsdozenten stimmen für einen Israelboykott«. Als im vergangenen September die größte britische Hochschullehrergewerkschaft, die University College Union (UCU) einen weiteren Vorstoß in diese Richtung unternahm, stieß sie auf den geschlossenen Protest aller im Unterhaus vertretenen Par- teien. In einer gemeinsamen Erklärung hielten diese fest: »Sämtliche Boykottaufrufe, die den Kontakt zwischen israelischen Akademikern, die in England arbeiten, und englischen Wissenschaftlern erschweren, die in Israel lehren, bedrohen die Freiheit der Forschung und den intellektuellen Austausch zwischen unseren Ländern. Wir fordern die Führung der UCU dringend auf, von allen in diese Richtung gehenden Boykottbestrebungen Abstand zu nehmen.«
Doch wer dachte, damit sei das Thema vom Tisch, sah sich Ende März getäuscht. Auf dem jüngsten UCU-Kongress kündigte die neue Präsidentin der UCU, Linda Newman, erneut eine Mitgliederabstimmung über einen Boykott israelischer Akademiker an, die Ende Mai stattfinden soll. Die UCU hat aus den Erfahrungen des letzten Jahres gelernt und will diesmal geschickter vorgehen. Fast entschuldigend fügte man dem Boykottaufruf bei, dass angeblich »die laufenden wissenschaftlichen Programme zwischen den Ländern davon nicht beeinflusst werden«.
Diese Logik ist Teil der Strategie politisch links stehender Gewerkschaften an den Universitäten im Königreich. Auf der einen Seite lehnt man sich mit scharfen Boykottaufrufen weit aus dem Fenster und erntet dafür Aufmerksamkeit in den Medien. Auf der anderen Seite versucht diese Doppelstrategie, auch ausgewogenere Kräfte für sich zu gewinnen.
Tatsache bleibt, daran ändern auch taktische Resolutionsentwürfe nichts, dass es an den britischen Universitäten eine extrem israelfeindliche Stimmung gibt. Denis MacShane, Vorsitzender des überparteilichen Antisemitismuskomitees im Parlament, beschreibt die Atmosphäre so: »Wir sehen eine systematische und einseitige Bedrohung der jüdischen Studenten durch antisemitische Aktivitäten an unseren Universitäten. Wir stellen eine besondere Art des ›Campus-Antisemitismus‹ fest, der von den Universitätspräsidenten bekämpft werden sollte. Die Kritik an Israel wird oftmals grob hervorgebracht und ist im studentischen Alltag unpassend.« Das Komitee stellte fest, dass »das dort Gesagte als genereller Angriff auf ›die Juden‹ vorgebracht wird«.
Robert Wistrich vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der Hebräischen Universität Jerusalem sieht in Großbritannien sogar das »europäische Epizentrum für antisemitische Entwicklungen«. Der Grund sei die steigende Zahl radikaler Muslime. Realität sei, das bestätigt der Historiker David Cesarani, dass gerade in Studienfächern mit einer sehr großen Anzahl moslemischer Studenten antijüdische Tendenzen fast unwidersprochen blieben. Nicht selten hätten die Lehrkräfte Angst, sich auf Diskussionen zum Thema Israel einzulassen.
Dennoch behält Ronny Fraser, Direktor der Vereinigung »Academic Friends of Israel«, die Nerven: »Es ist jetzt wichtig, mit kühlem Kopf und allen legalen Mitteln gegen diese andauernden Vorstöße der UCU-Führung anzugehen.«