Mark Rothko

Farben und Fläche

von Frank Keil-Behrens

Es wird geflüstert, höchstens. Andächtig, geradezu ehrfürchtig schlendern die Besucher durch die Hamburger Kunsthalle. Die Hansestadt ist nach München die zweite und letzte Station einer Retrospektive des Malers Mark Rothko, die es wohl so nicht noch einmal so geben wird. Mehr als hundert Gemälde und Papierarbeiten sind zu sehen, erste Bilder, Skizzen, Übergangsarbeiten. Doch die Stars dieser Ausstellung sind unzweifelhaft die meist hochformatigen Farbfelder: Rothko, wie man ihn aus Kunstkatalogen und Kunstlexika kennt. Nur steht man jetzt vor den Originalen – und kann überprüfen, ob einen deren visuelle Kraft tatsächlich packt: Ja, sie tut es.
Marcus Rothkowitz wird im September 1903 als viertes Kind einer jüdischen Familie im damals russischen Dwinsk, dem heutigen lettischen Daugavpils geboren. Im Sommer 1913 wandert die Familie in die USA aus. Marcus studiert an der Yale University Psychologie und Philosophie, wechselt dann nach New York und schreibt sich dort für Kunst ein. 1938 nimmt er die amerikanische Staatsbürgerschaft an; zwei Jahre später verkürzt er seinen Namen auf Mark Rothko.
Künstlerisch – das zeigt die Ausstellung in gebotener Knappheit wie Klarheit – lässt sich Rothko, wie viele seiner Zeitgenossen, lange vom europäischen Surrealismus beeinflussen. Anleihen an die Fabel- und Symbolwelten von Max Ernst und auch des frühen Pablo Picasso sind unübersehbar. Doch nach und nach lassen farbige Flecken und bald Flächen das figurative Eindeutige in den Hintergrund treten. Ab Ende der 40er-Jahre sind sie dann da: die einerseits wuchtigen, andererseits fragilen Farbtafeln, bei denen die monochromen Farbaufträge sich mal überlagern, mal einander stoßen, bis an ihren Nahtstellen ein geheimnisvoller Schimmer bleibt. Dabei hat sich Rothko stets dagegen verwahrt, als »Abstrakter« wahrgenommen zu werden. Ihm ging um eine universale und überpersönliche Darstellung existenzieller Erfahrungen wie Verlorenheit, Ekstase und Religiosität, die keiner weiteren Erklärung oder gar Vermitt- lung mehr bedarf. Zeit seines Lebens war er jedoch unsicher, ob und wie sein Werk verstanden werden konnte: »Ein Bild lebt durch die Gesellschaft eines sensiblen Betrachters, in dessen Bewusstsein es sich entfaltet und wächst. Es stirbt, wenn diese Gemeinschaft fehlt. Deshalb ist es ein gewagtes und gefühlloses Unterfangen, ein Bild in die Welt zu entsenden.«
Entsprechend hadert Rothko mit dem Kunstmarkt: Ende 1959 etwa verkaufte er – inzwischen längst ein Star – eine Serie von Wandgemälden an das mondäne »Four Seasons«-Restaurant – und erwarb die Bilder schon wenige Wochen später wieder zurück. Er konnte nicht ertragen, dass man im Schatten seiner so emphatisch aufgeladenen Werke Austern schlürfte, Champagner trank und dazu Belangloses plauderte. Und als Rothkos Galerist 1962 eine Pop-Art-Ausstellung veranstaltete, trennte der Künstler sich sofort von ihm. Er wollte mit den modischen Spielereien und erst recht den ironischen Brechungen dieser Kunstrichtung nichts zu tun haben.
Nach Deutschland wurde Rothko erstmals 1959 auf die Documenta II eingeladen, doch er lehnte ab, wollte nicht als Jude im Land der Täter ausstellen. Nur drei seiner Bilder, die sich in Privatbesitz befanden, konnten gezeigt werden. 1971 erst gab es in Berlin und Düsseldorf die erste Rothko-Retrospektive hierzulande. Mark Rothko war da schon nicht mehr am Leben: Er hatte sich im Februar 1970 schwer krank und deprimiert in seinem Atelier das Leben genommen. Wenige Wochen später starb seine zweite Frau Mell an einem Herzinfarkt. Für Rothkos Erbe war das eine Katastrophe. Zwei frühere Freunde, die er testamentarisch zu Nachlassverwaltern bestimmt hatte, verkauften nicht nur viele von Rothkos Bildern weit unter Wert vorzugsweise an private Sammler. Rothkos Werk wurde zugleich weit über die Welt verstreut und auseinandergerissen. Erst als seine Tochter Kate volljährig wurde, konnte sie gegen den stetigen Ausverkauf der Bilder ihres Vaters vorgehen. In jahrelangen Gerichtsverfahren konnten Kate Rothko und ihr jüngerer Bruder Christopher sich am Ende durchsetzen. Zu spät allerdings: Viele von Mark Rothkos Werken lagern heute in den Tresoren von Sammlern und sind der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Die Preise für Rothko-Gemälde sind mittlerweile ins Unermessliche gestiegen und damit für den öffentlichen Kunstsektor verloren. Im vergangenen Jahr erzielte beispielsweise das Bild »White Center (Yellow, Pink and Lavender on Rose)« bei Sotheby’s den Rekordpreis von knapp 73 Millionen Dollar. Nichts deutet darauf hin, dass sich an dieser Entwicklung etwas ändern wird. Wer sich für Mark Rothko interessiert, sollte deshalb bis spätestens 24. August den Weg nach Hamburg finden. Es könnte die letzte Chance sein, so viel vom Werk eines der größten Künstler des 20. Jahrhunderts zu sehen.

Mark Rothko. Die Retrospektive. Kunsthalle Hamburg. Der Katalog zur Ausstellung ist im Hirmer Verlag München erschienen.

www.hamburger-kunsthalle.de

Ankara

Türkei bricht Handelsbeziehungen zu Israel ab

Der Handel der Türkei mit Israel belief sich im Jahr 2023 noch auf mehrere Milliarden US-Dollar. Nun bricht die Türkei alle Handelsbeziehungen zu Israel ab. Doch es ist nicht die einzige Maßnahme

 29.08.2025

Geburtstag

Popstar der Klassik: Geiger Itzhak Perlman wird 80

»Sesamstraße«, »Schindlers Liste« und alle großen Konzertsäle der Welt natürlich sowieso: Der Geiger gehört zu den ganz großen Stars der Klassik. Jetzt wird er 80 - und macht weiter

von Christina Horsten  29.08.2025

Bonn

Experte: Opfer mit Bewältigung von Rechtsterror nicht alleinlassen

Der erste NSU-Mord liegt beinahe 25 Jahre zurück. Angehörige der Opfer fordern mehr Aufmerksamkeit - und angemessenes Gedenken, wenn es um rechtsextreme Gewalt geht. Fachleute sehen unterschiedliche Entwicklungen

 29.08.2025

Frankfurt am Main

Michel Friedman will nicht für TikTok tanzen

Es handle sich um eine Plattform, die primär Propaganda und Lügen verbreite, sagt der Publizist

 28.08.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebende Renate Aris wird 90

Aris war lange stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz und Präsidiumsmitglied des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden. 1999 gründete sie den ersten jüdischen Frauenverein in den ostdeutschen Bundesländern

 25.08.2025

Nahost

Alabali Radovan besucht Palästinensergebiete: Hilfe im Fokus

Die Entwicklungsministerin will in Tel Aviv diese Woche Angehörige von Geiseln treffen und das Westjordanland besuchen

 25.08.2025

Würzburg

AfD-Mann Halemba wegen Volksverhetzung vor Gericht

Die Staatsanwaltschaft wirft dem bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten Halemba auch Geldwäsche und Nötigung vor

von Angelika Resenhoeft, Michael Donhauser  21.08.2025

Ehrung

Ravensburger-Stiftung ehrt Bildungsstätte Anne Frank mit Preis

Es werde eine herausragende Bildungsinitiative gewürdigt, teilte die Stiftung mit

 20.08.2025

Athen

Israelische Firma übernimmt griechischen Rüstungsbauer

Griechenlands größter Hersteller von Militärfahrzeugen ist nun komplett in israelischer Hand. Die strategische Zusammenarbeit im Verteidigungssektor wird damit weiter vertieft

 20.08.2025