Sefer Tora

Esthers Rolle

von Detlef David Kauschke

Frage: Was ist Klal Israel (Gesamtheit Is-
raels)? Antwort: Wenn zum Beispiel eine in Havanna geborene Jüdin, die in New York lebt, eine Sefer Tora einer von deutschen Einwanderern gegründeten amerikanischen Synagoge an eine deutsche Gemeinde spendet, damit russischsprachige Zuwanderer die Schriftrolle beim Gottesdienst mit ihrem jemenitischen Rabbiner nutzen können.
So geschehen am vergangenen Freitag in Berlin: Die Israelitische Synagogen-Gemeinde Adass Jisroel erhält das kostbare Geschenk von Esther Rodriguez. Die 52-Jährige arbeitet als Journalistin bei einem kubanischen Exil-Radio und ist ab und zu dienstlich in Berlin. Als gläubige Frau hatte sie bei ihren Besuchen für den Schabbat eine Synagoge in Mitte gesucht und in der Tucholskystraße gefunden. Dort bei Adass Jisroel wird täglich nach orthodoxem Ri-
tus gebetet. »Mir hat der Gottesdienst und die Atmosphäre in dieser kleinen Gemeinde sehr gut gefallen«, sagt sie.
Adass Jisroel ist eine orthodoxe Austrittsgemeinde, die 1869 gegründet wurde. Sie verfügte einst über ein orthodoxes Rabbinerseminar und eine Synagoge mit rund 800 Plätzen – bis sie 1939 von den Nationalsozialisten zerschlagen wurde. 1989 wurde Adass Jisroel formell wieder gegründet, 1997 als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt und rechtlich der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gleichgestellt.
Esther Rodriguez ist gelegentlich zu Gast bei Adass Jisroel, in New York ist sie Mitglied der orthodoxen Synagogengemeinde Lincoln Park Jewish Center. Als vor vier Monaten ihre Mutter Aida verstarb, entschied sie sich, ihr zur Erinnerung eine Torarolle zu spenden – und dachte sofort an Berlin. »Meine Eltern ha-
ben mich im Alter von sechs Jahren aus Havanna weggeschickt. Ich habe als Flüchtling eine Diktatur verlassen. Die russischsprachigen Zuwanderer hier in Berlin sind ebenfalls Flüchtlinge einer Diktatur. Und ihnen wollte ich diese Sefer Tora widmen.« In einer inzwischen geschlossenen Synagoge in Washington Heights fand sich eine geeignete Rolle, erzählt Kantor Eric S. Freeman. Der Vorbeter aus Esthers Gemeinde brachte die Rolle aus New York nach Berlin.
An diesem sonnigen Freitagvormittag wartet Freeman mit der Sefer Tora im Arm im Leo-Baeck-Haus, um in einer Prozession abgeholt zu werden. Nach dem Morgengebet hatte sich Adass-Jisroel-
Geschäftsführer Mario Offenberg mit seinem neuen Gemeinderabbiner Awraham Daus und mit Dutzenden Betern zum Sitz des Zentralrats der Juden aufgemacht. Von dort ziehen sie mit der Tora unter der Chuppa wieder zurück zum Adass-Jisroel-Gemeindehaus.
Auf dem mehrere hundert Meter langen Weg werden sie begleitet von einigen Schülern der Heinz-Galinski-Schule und der Jüdischen Oberschule. Mit dabei ist der 11-jährige Dennis Ginzburg. Der Schüler der 7. Klasse verpasst an diesem Tag zwar den Englisch- und Mathematik-unterricht. »Das ist nicht so schlimm«, lacht er. Schließlich sei die heutige Tora-Feier »ein ganz besonderes Erlebnis«. Seine Mitschüler nicken.
Ihr Musiklehrer Boris Rosenthal spielt unterdessen auf dem Akkordeon »Am Israel Chai« und »David Melech Israel«. Die Menschen im Zug singen und klatschen mit. Kein alltägliches Bild in Berlin-Mitte. Viele Passanten und Autofahrer verfolgen das Treiben mit ungläubigem Staunen.
Die Berliner Rabbiner Yitshak Ehren-
berg, Chaim Rozwaski und Yoshua Spinner nehmen an der Zeremonie teil, wie Shlomo Nagar, Oberrabbiner der israelischen Stadt Ariel. Er sagt: »Ich hoffe, dass dieser Tag der Beginn einer erneuten Blüte der Gemeinde ist.« Mario Offenberg betont, dass die Gemeinde jetzt über insgesamt vier Torarollen verfügt. »Aber früher hatten wir hier 35.« Symbolisch ist für ihn, dass die etwa 100 Jahre alte Rolle von deutsch-jüdischen Emigranten stammt. »Jetzt ist sie wieder in Deutschland, damit schließt sich ein Kreis.«
Kantor Eric S. Freeman verweist noch einmal auf die kubanische Herkunft der Spenderin: »Das ist doch der beste Beweis, dass Judentum eine Religion ist, die nicht durch Nationalität, Herkunft oder Hautfarbe begrenzt wird. Sie vereinigt Menschen auf der ganzen Welt. Wir sind alles Juden, praktizieren die gleiche Religion und lesen die gleiche Tora.«

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025