Spanien

Erbengemeinschaft

von Uwe Scheele

Ein Fünftel aller Spanier hat jüdische Vorfahren – so das Ergebnis einer Studie der Universitäten Leicester und Barcelona. Bei elf Prozent der untersuchten spanischen Testgruppe konnten im Erbgut genetische Übereinstimmungen mit Nordafrikanern nachgewiesen werden. Damit ist nach Ansicht der Wissenschaftler, unter ihnen auch ein israelischer Gen-Forscher, der Nachweis erbracht, dass nach dem Sieg der Christen über die Muslime und dem Vertreibungsedikt gegen die Juden 1492 weit mehr Juden und Muslime zum Christentum konvertierten und auf der Iberischen Halbinsel blieben, als bisher angenommen.
Die Ergebisse der Studie, die im American Journal of Human Genetics veröffentlicht wurden, beruhen auf einer Untersuchung des männlichen Y-Chromosoms. Da- bei wurde das Erbgut von 1.140 Spaniern und Portugiesen mit den DNS-Daten von sefardischen Juden und Bewohnern Marokkos und der Westsahara verglichen. Nach Auskunft von Francesc Calafell vom Institut für Evolutionsbiologie der Universität Barcelona, der die Studie zusammen mit dem Gen-Biologen Mark Jobling von der Universität Leicester leitete, unterscheiden sich die Gen-Strukturen der Sefarden wie auch der Nordafrikaner deutlich von der Erbmasse der iberischen Urbevölkerung.
»Zum Vergleich dienten uns genetische Daten, die mein Kollege Mark Jobling über die Basken gesammelt hatte«, erklärte Calafell. »Die Basken sind zwar nicht identisch mit den Iberern, Kelten und Westgoten, die große Teile der Iberischen Halbinsel vor der arabischen Invasion bevölkerten. Aber wie diese sind sie als westliches Volk genetisch klar zu unterscheiden von Menschen aus Nordafrika oder dem Nahen Osten.«
Da die Gene des untersuchten Y-Chromosoms weitgehend unverändert von Vätern an ihre Söhne weitergegeben werden, entspricht der Anteil jüdischer und muslimischer Vorfahren möglicherweise der Bevölkerungsstruktur Spaniens im 16. Jahr- hundert. Bisher waren die Historiker nur von einigen Hunderttausend Nachfahren jüdischer Zwangskonvertiten im heutigen Spanien ausgegangen. Für den Madrider Historiker José Manuel Laureiro steht dagegen fest, dass der überwiegende Teil der Juden trotz Vertreibungserlass im Land blieb. »Sie konvertierten zwar, hielten aber an ihren jüdischen Bräuchen fest und dachten, dass die Verbote nicht von Dauer seien.«
Die Studie der Genforscher scheint das zu belegen, auch wenn deren Leiter Calafell den ermittelten Anteil der Spanier mit jüdischen Vorfahren als »etwas zu hoch« bezeichnet. »Uns hat dieses Ergebnis selbst überrascht. Möglicherweise liegt das an den Daten über die Sefardim. Da ist sicher ein großer jüdischer Anteil enthalten, aber es gibt sicher auch Spuren nichtjüdischer Völker aus dem Nahen Osten, wie etwa der Phönizier«, räumt Calafell ein.
Aufschlüsse über den Ursprung der spanischen Juden gibt die Studie nicht. Mit dieser Frage beschäftigt sich der israelische Gen-Biologe Doron Behar, der seine Daten der DNS sefardischer Juden aus Israel und Istanbul zur Verfügung stellte und eine eigene Veröffentlichung in einigen Monaten angekündigt hat.
Bei der geografischen Verteilung der Spanier mit jüdischen Vorfahren sind wenige Unterschiede festzustellen, lediglich in Katalonien ist der Anteil deutlich geringer. »Das hat einen traurigen Grund«, so Calafell, »denn rund hundert Jahre vor dem Vertreibungsedikt gab es hier die ersten Pogrome gegen Juden. Viele wurden getötet, der Rest floh in andere Landesteile.« Die Folgen dieser brutalen Verfolgung sind bis heute am Erbgut der Katalanen abzulesen.
Sehr vorsichtig äußerte sich der Zentralverband der Jüdischen Gemeinden in Spanien (FCJE) zu der Studie. Es sei gefährlich und in der Vergangenheit häufig für Repressionsmaßnahmen missbraucht worden, die Religion mit einer Volkszugehörigkeit gleichzusetzen, sagte eine Sprecherin. Allerdings wolle man sich zunächst ausführlich mit der Untersuchung beschäftigen, bevor eine offizielle Erklärung erfolge. Grundsätzlich sei zu erwarten gewesen, dass das Zusammenleben verschiedener Kulturen auf der Iberischen Halbinsel einen Einfluss bis in die Gegenwart habe.

Prozess

Gil Ofarim gesteht vor Gericht

Der Sänger legte überraschend ein Geständnis ab

 28.11.2023 Aktualisiert

Terror

»Emily ist zu uns zurückgekommen!«

Ihren neunten Geburtstag erlebte sie in Geiselhaft. Nun ist das zunächst für tot gehaltene irisch-israelische Mädchen freigelassen worden

von Holger Mehlig  26.11.2023

Solidaritätsbesuch

Steinmeier reist nach Israel 

Jetzt ein Besuch in Israel? Gerade jetzt, sagt der Bundespräsident vor seiner Reise, die an diesem Sonntag beginnt. Wie außergewöhnlich diese wird, zeigt sich schon daran, dass er dazu vorab eine Videobotschaft veröffentlicht

 25.11.2023

Gaza

Israelische Armee findet Hamas-Tunnel unter Schifa-Klinik

Die Funde zeigen, dass die Hamas das Klinikum zu einem Militärstützpunkt umgebaut hatten

 19.11.2023

Berlin

Das erhofft sich Scholz vom Erdogan-Besuch

Der türkische Präsident ist umstritten, aber mächtig

von Michael Fischer und Mirjam Schmitt  17.11.2023

Social Media

TikTok kämpft gegen Bin-Laden-Pamphlet

Zwölf Jahre nach Bin Ladens Tod geht sein judenfeindliches Pamphlet viral

 17.11.2023

Prozess

Experte und Digitalforensiker entlastet womöglich Gil Ofarim

Ofarim muss sich seit dem 7. November wegen mutmaßlicher Verleumdung, falscher Verdächtigung sowie Betrugs verantworten

 17.11.2023

Aufgegabelt

Blintzes mit Schoko-Chili-Soße

Rezepte und Leckeres

von Katrin Richter  17.11.2023

Gaza

Berichte: Israels Armee findet Waffen im Al Schifa-Krankenhaus

IDF: Zu Spannungen zwischen den Truppen und Patienten oder Personal sei es nicht gekommen

 15.11.2023