Antisemitismus

Eingeschränkte Wahrnehmung

von Ute Weinmann

Beim ersten Lesen wirkt das Ergebnis beruhigend. Nach Angaben des russischen Meinungsforschungsinstitutes VCIOM empfinden lediglich zwei Prozent der Bevölkerung in Rußland eine Abneigung gegenüber Juden. Ältere Umfragen haben ähnlich niedrige Werte ermittelt. Diese Ergebnisse weisen allerdings auch auf eine interessante Dynamik hin: Je konkreter die Nachfrage, zum Beispiel nach der Akzeptanz eines Staatspräsidenten jüdischer Herkunft, desto negativer fällt die Resonanz aus. Demnach teilen zwischen 35 und 52 Prozent der russischen Bevölkerung zumindest punktuell antisemitische Vorurteile.
Nach Einschätzung von Aleksander Werhowskij, Direktor des Moskauer Informationszentrums SOVA, das einen seiner Schwerpunkte auf die Untersuchung von Antisemitismus legt, stellt dieser in Rußland kein Problem in Form einer dominierenden Grundeinstellung in der Bevölkerung dar. Trotz des blutigen Vorfalls in der Moskauer Synagoge seien gewaltsame Übergriffe auf Jüdinnen und Juden die Ausnahme. Für das Jahr 2005 verzeichnete SOVA nur drei derartige gravierende Vorfälle, zwei davon in Moskau, einer in St. Petersburg. Allerdings habe die Anzahl öffentlicher Drohungen gegenüber jüdischen Einrichtungen oder Einzelpersonen deutlich zugenommen. In zwölf russischen Regionen wurden 27 Fälle von Vandalismus bekannt, davon drei versuchte Brandstiftungen. Zum klassischen Repertoire antisemitischer Handlungen gehören weiterhin auch Grabschändungen und Aufschriften an Wänden.
Man kann allerdings davon ausgehen, daß längst nicht alle antisemitischen Übergriffe an die Öffentlichkeit dringen. Die zunehmende Gewalt auf der Straße in erster Linie durch rechtsextreme Skinheads gewinnt an Brisanz. Meldungen über Angriffe auf Ausländer häufen sich. Im vergangenen Jahr starben mehr als ein Dutzend Menschen, meist Studenten aus afri- kanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern.
In diesem Zusammenhang fallen zwei Tendenzen auf. Zum einen etablierten sich die »Bewegung gegen illegale Immigration« (DPNI) und einige andere Organisationen aus dem rechtsextremen Spektrum, deren Neuorientierung darin besteht, daß sie sich aktiv vom Antisemitismus distanzieren und als Hauptfeindbild sogenannte illegale Immigranten entdeckt haben. Dies ist insofern von Bedeutung, als daß der Antisemitismus bislang in allen rechten Strukturen Rußlands zu den ideologischen Grundpfeilern gehörte. Zum anderen verzeichnen rechte Organisationen und Gruppierungen einen wachsenden Zulauf durch junge Menschen und verjüngen sich damit immer weiter.
Beängstigend ist zudem, daß der Antisemitismus fester Bestandteil im politischen Diskurs war und ist. Das russische Volk als ewiges Opfer fremdländischer und insbesonderer jüdischer Machenschaften – dieses Weltbild hat in den vergangenen Jahren nichts an Aktualität verloren. Juden- feindliche Literatur liegt praktisch in allen Buchläden und Zeitungskiosken aus, erfreut sich einer weiten Anhängerschaft und gehört somit nach wie vor zum Allgemeingut. Daran ist man in Rußland so sehr gewöhnt, daß dieser Umstand kaum noch ins Auge fällt, geschweige denn Auf- sehen erregt.
Allerdings hatte der sogenannte Brief der 5.000 vor fast genau einem Jahr kurz vor den Feierlichkeiten anläßlich des 60. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz im Januar 2005 den politischen Antisemitismus aus der Versenkung herausgeholt. In einem offenen Schreiben forderten die Unterzeichner, darunter 20 Dumaabgeordnete und etliche Vertreter der russisch orthodoxen Kirche, das Verbot sämtlicher religiöser und nationaler jüdischer Vereinigungen.
Dabei hatten zuvor nicht wenige russische Juden bereits ein Ende des staatlich verankerten Antisemitismus festgestellt, da Rußlands Präsident Wladimir Putin nicht nur öffentlich den Holocaust (das Wort Schoah ist im russischen Sprachgebrauch unüblich) verurteilt, sondern zwei Jahre nach seinem Amtsantritt auch Oberrabbiner Berl Lazar empfangen hatte.
Der seitdem bestehende enge persönliche Kontakt zwischen Putin und Berl Lazar sollte jedoch nicht überbewertet werden. Zwar wurde dadurch sogar die staat- liche Finanzierung einer neuen Synagoge im jüdischen Autonomen Gebiet Birobidschan im Fernen Osten Rußlands ermöglicht. Seine Rolle als jederzeit aktivierbares Feindbild hat der Antisemitismus in Rußland dennoch nicht eingebüßt.

Magdeburg

Batiashvili und Levit mit Kaiser-Otto-Preis ausgezeichnet

Der Kaiser-Otto-Preis ist die höchste Auszeichnung der Stadt Magdeburg. Er wurde im Jahr 2005 anlässlich des 1.200-jährigen Stadtjubiläums zum ersten Mal verliehen. In diesem Jahr ging er an zwei Künstler, die sich gesellschaftlich engagieren

von Oliver Gierens  03.07.2025

Israel

Gideon Saar: Mehrheit der Regierung will Gaza-Deal

Israels rechtsextreme Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich möchten einen neuen Gaza-Deal verhindern. Laut Außenminister Saar sind die meisten Regierungsmitglieder aber anderer Ansicht

 02.07.2025

Politik

Dobrindt in Israel - Treffen mit Netanjahu geplant

Innenminister: »Ich will zeigen, dass wir Israel als engsten Partner im Kampf gegen den Terror unterstützen.«

 28.06.2025

Berlin

Frei informiert die Fraktionschefs über Lage in Nahost

Die Bundesregierung ist nach dem US-Angriff auf den Iran im Krisenmodus. Am Vormittag findet ein Informationsgespräch im Kanzleramt statt, an dem auch die rechtsextremistische AfD teilnimmt

 23.06.2025

Ethik

Zentralrat will sich für Schächten auf europäischer Ebene einsetzen

In manchen Ländern und Regionen Europas ist das Schächten verboten

 22.06.2025

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025