Sport und Politik

Ein riskantes Spiel

von Johannes Scharnbeck

Politische Auseinandersetzungen lassen sich aus dem Sport einfach nicht heraushalten. Das musste auch Mushir Salem Jahwer erfahren. Der Leichtathlet aus Bahrain nahm am vergangenen Wochenende als erster Araber an dem Tiberias-Marathon um den See Genezareth teil – und gewann. Als sein Verband davon erfuhr, tobten die Offiziellen. Jahwer habe mit sei- nem Start in Israel gegen die Gesetze Bahrains verstoßen. Dem Athleten droht nun die Ausbürgerung, obwohl er mit seinem kenianischen Pass nach Israel einreiste. Jahwer wurde in dem westafrikanischen Land geboren, ist katholisch und heißt eigentlich Leonard Muneru. Der eingebürgerte Spitzensportler machte sich keine Gedanken darüber, dass Bahrain den Staat Israel gar nicht anerkennt.
Auch Juan Pablo Sorin ließ vor dem Testspiel des Hamburger SV gegen die Nationalmannschaft des Iran am vergangenen Montag die Politik außen vor. Der argentinische Fußballer stand zwar nicht im Kader. Er hatte die Teilnahme jedoch nicht abgelehnt, weil er als Jude nicht gegen den Staat antreten wollte, dessen Präsident »Israel von der Landkarte tilgen« möchte. Sorin war nach einer Verletzung nur noch nicht fit genug.
Obwohl der Abwehrspieler seine jüdische Herkunft stets herunterspielt, könnte man von jemandem, der aus seiner linksliberalen Gesinnung keinen Hehl macht, einen deutlichen Kommentar zu diesem Spiel erwarten. Doch Sorin schweigt dazu. Das Gleiche tat er übrigens auch vor der Weltmeisterschaft. Als er gefragt wurde, was er als Jude von der WM-Teilnahme des Iran halte, antwortete er nur: »Lassen Sie uns das nicht von dieser Seite aus betrachten. Das hat damit nichts zu tun.«
Sorin plädiert also dafür, Sport und Politik streng voneinander zu trennen. Auch die Verantwortlichen seines Vereins, des Hamburger SV, scheinen voll und ganz nach dieser Maxime zu handeln. Sie blenden eine politische Brisanz komplett aus. Dass die HSV-Mannschaft gegen eine Nationalelf spielt, deren Regierung antisemitische Tiraden verbreitet, war vor der Begegnung in Dubai nie ein Thema. Auch der iranische Mittelfeldspieler des HSV, Mehdi Mahdavikia, spricht viel lieber über die ungewohnte Situation, gegen sein Heimatland anzutreten. Kein Kommentar von Mahdavikia, dass Mahmud Ahmadinedschads Regime auch dieses Spiel für sich vereinnahmen könnte, um dem Volk zu zeigen: Der Westen ignoriert uns gar nicht. Sobald es um die politische Situation im Iran geht, hält sich auch der Nationalspieler vornehm zurück.
Den Fußball hat die iranische Regierung schon seit einiger Zeit als Propagandamittel für sich entdeckt. So lange man nicht gegen Israel spielen muss, ist jeder Gegner recht. Selbst jüdische Kicker oder Trainer sind kein Hindernis. So bemühte sich der Fußballverband des Iran vor der Weltmeisterschaft auch um ein Vorbereitungsspiel gegen Argentinien. Dass dessen damaliger Nationaltrainer José Pekerman bekennender Jude ist, störte nicht im Geringsten. Der iranische Spielerberater Reza Fazeli, der neben Mahdavikia auch Ali Karimi von Bayern München vertritt, betont: »Auch die Partie gegen den Hamburger SV ist doch einfach nur ein Fußballspiel. Und den Spielern ist vollkommen egal, wer einem anderen Glauben angehört oder eine andere Gesinnung vertritt.«
Sportler beharren immer mit Nachdruck darauf, doch bitte nur als Sportler betrachtet zu werden. Politisch Stellung zu beziehen, liegt ihnen meist fern. Dabei fänden besonders die bekannten und von vielen bewunderten Athleten Gehör, würden sie auf Konflikte und Missstände aufmerksam machen. Loben nicht die Offiziellen vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und vom Fußball-Weltverband FIFA regelmäßig, wie Jugendliche durch den Sport Fairness und friedliches Miteinander lernen? Wieso können die Kinder von ihren Idolen nicht auch einmal erfahren, wer sich nicht friedlich benimmt?
Es ist illusorisch zu denken, ein Sportler werde nur auf sein Handeln während des Wettkampfes reduziert. Und solange einige Athleten politisch instrumentalisiert werden, müssen andere offen Stellung beziehen. So wie es Johan Cruyff vor der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien tat. Der Niederländer, bester Spieler seiner Nationalmannschaft, sagte seine Teilnahme ab. Er weigerte sich, in dem von einer Militärdiktatur regierten Land aufzulaufen. Nur wenige Athleten würden wie Cruyff auf das größte Turnier ihrer Sportart verzichten. Aber gerade solche Entscheidungen sensibilisieren die Menschen. Auf umso mehr Unverständnis stoßen dann Sportveranstaltungen, die einem umstrittenen Regime noch zupass kommen. Ein Beispiel dafür war das Freundschaftsspiel des FC Bayern München bei Persepolis Teheran im Januar des vergangenen Jahres. Zu einer Zeit, in der sich der Iran durch den Atomstreit und Ahmadinedschads antisemitische Äußerungen direkt in die politische Isolation bewegte, reiste der deutsche Rekordmeister nach Teheran.
Für noch mehr Aufregung sorgte dann eine Äußerung von Bayerns Manager Uli Hoeneß: »Mit Boykott hat man Probleme noch nie gelöst«, sagte er, »wir spielen für das iranische Volk, nicht für das Regime.« Genau das ist zu bezweifeln. Irans Regierung wusste das Spiel geschickt für sich zu nutzen. So verkündete Vizepräsident Mohammed Aliabadi: »Die Partie hatte nicht nur sportliche, sondern auch politische Bedeutung.« Zum Ersten. Bei der Ankunft am Teheraner Flughafen wurde der Bayern-Tross in einem Nebenraum empfangen, der sonst nur Staatsgästen vorbehalten ist. Zum Zweiten. Und in einer Ein- blendung während der Fernsehübertragung des Spiels wurde in englischer Sprache betont, dass der Iran an der friedlichen Nutzung der Kernenergie festhalten wolle. Zum Dritten. Wenn das keine Werbung für Ahmadinedschads Regime war.
Hoeneß dementierte wacker und nahm dankend die 250.000 Euro Antrittsprämie entgegen. Offiziell wurden die Bayern von Persepolis Teheran bezahlt. Doch der Verein war zu jener Zeit nicht einmal in der Lage, die eigenen Spieler zu entlohnen. Woher nur das Geld so plötzlich kam?
Wenn die Kasse stimmt, scheinen selbst politisch fragwürdige Spiele realisierbar. Die Vereine freuen sich über einen schnell erwirtschafteten Gewinn, und die Mannschaft spult eine bessere Trainingspartie herunter. Die Spieler müssen einfach nur da sein und gegen den Ball treten. Alles andere übernehmen die Vereinsoffiziellen für sie. Auch das Denken?

Capri

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