Shimon Stein

Ein Preis für Zions Preußen

von Detlef David Kauschke

Was für ein Tag! Frühmorgens die Nachrichten vom Terror in Bombay. Vormittags die Mitteilung aus Jerusalem, dass die Forderungen nach einem sofortigen Amtsverzicht des amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert immer lauter werden. Und kurze Zeit später eine Agenturmeldung über die Ergebnisse einer Erhebung zu rechtsextremistischen Positionen, denen zufolge jeder neunte Deutsche Vorurteile gegen Juden hat.
Eigentlich wollte sich Shimon Stein am Mittwoch vergangener Woche erst einmal ganz gemütlich in Berlin umschauen. Und sich dann in Ruhe auf den Abend vorbereiten, auf die Verleihung des Heinz-Galinski-Preises. Stattdessen sitzt er frühmorgens im Hotelzimmer, schaut CNN und verfolgt die Nachrichten im Radio. Zumindest muss er nicht sofort reagieren, Interviews geben, Erklärungen verfassen. Er ist schließlich nicht mehr im Amt.
Am Tag zuvor war Stein in die Stadt ge-
kommen, in der er fast sieben Jahre lang als israelischer Botschafter tätig war, von Januar 2001 bis zum Herbst 2007. In dieser Zeit habe er viel für die Verständigung zwischen Deutschland und Israel getan, meint die Heinz-Galinski-Stiftung und wählte ihn zum Träger des diesjährigen Preises. »Ich war wirklich überrascht, als ich von dieser Entscheidung erfuhr«, erzählt der 60-Jährige.
Diesen Satz wiederholt der Diplomat dann auch noch einmal in seiner Dankesrede am Abend im Gemeindehaus an der Fa-
sanenstraße, wo ihm die Gemeindevorsitzende Lala Süsskind, Ruth Galinski, die Witwe des ehemaligen Gemeinde- und Zentralratsvorsitzenden, und Kuratoriumsvorsitzender Michael Joachim die Auszeichnung überreichen. Mit dabei sind unter an-
derem Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck.
Sieben Mal hatte er als Botschafter an den Verleihungen teilgenommen, diesmal ist er selbst der Preisträger. Vielleicht war Stein von dieser Würdigung so überrascht, weil sein Verhältnis zu den Juden hierzulande nicht immer so ungetrübt war. Denn noch 1980, als er im diplomatischen Dienst nach Bonn kam, hatte er, wie er einräumt, »eine distanzierte Haltung« zu den jüdischen Gemeinden in Deutschland. Dass Heinz Galinski und andere nach der Schoa in dieses Land zurückkehrten und es wieder als ihre Heimat betrachteten, habe er nicht nachvollziehen können. »Aber ich bin realistischer geworden«, sagt Stein. Er respektiere jetzt die Entscheidung jedes Einzelnen, sich dort niederzulassen, »wo immer er will«. Gerne hätte er mit Galinski darüber diskutiert. Doch hatte er nicht die Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen, bedauert Stein. Zumindest habe er über den Namensgeber des Preises viel ge-
lesen: »Sein Motto war in der Erfüllung seiner Aufgaben: schonungslos und offen auszusprechen, was er fühlte, und nicht das zu sagen, was man von ihm erwartete.«
Und vielleicht liegt darin eine Gemeinsamkeit. Auch Stein scheute in seiner Amtszeit nie vor scharfer Kritik zurück. Spannungen, die es mit dem Gastland gab – zum Beispiel wegen mangelnder Entschlossenheit gegenüber dem Iran –, hat er stets offen angesprochen. »Die Person ist nicht wichtig. Die Funktion steht im Mittelpunkt«, hat er einmal gesagt. Der Publizist Rafael Seligmann hat ihn wegen dieser Haltung »Zions Preußen« genannt.
Der Herausgeber der Wochenzeitung »Die Zeit«, Josef Joffe, ein guter Freund Steins, sagt in seiner Laudatio: »Du hast dir den Preis wirklich verdient, als unermüdlicher Mittler zwischen zwei komplizierten Ländern, mit einer sehr komplizierten Geschichte und in einer sehr kom-
plizierten Zeit.« Joffe verweist darauf, dass in Steins Amtszeit unter anderem der Irakkrieg, die Intifada, die Terroranschläge vom 11. September 2001 und der Libanonkrieg fielen. »Nichts für zarte und empfindsame Seelen«, meint Joffe. Zudem ha-
be in den sieben Jahren die Sympathie für Israel in der deutschen Öffentlichkeit nachgelassen. Doch habe Stein unermüdlich für sein Land geworben.
Diese Arbeit setzt er jetzt – als guter Zionist – fort. Auch wenn er sich nach 32 Jahren im diplomatischen Dienst eine Auszeit genommen hat. Er lebt jetzt in Tel Aviv, ist Berater eines amerikanischen Unternehmens, und auch in dieser Funktion hin und wieder in Deutschland tätig.
Diesmal ist er noch ein paar Stunden in der Stadt unterwegs, nicht wie früher mit Bodyguards und im gepanzerten Fahrzeug, sondern ganz privat mit Bus und U-Bahn. Und am Sonntag, am Abend vor seinem Rückflug nach Israel, hat er dann doch noch einen Termin, auf den er sich sehr freut: Tannhäuser-Premiere in der Deutschen Oper. Stein sei »meshugge for mu-
sic«, meint Laudator Joffe. Musik sei für ihn in seiner Amtszeit immer eine Entschädigung »für den Kampf an der deutschen Meinungsfront« gewesen.

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025