Rostock

Ein Nordlicht

von Frank Schröder

Die vergangenen 15 Jahre der Jüdischen Gemeinde Rostock darf man wohl mit Fug und Recht als erfolgreich beschreiben. Aus den 102 Mitgliedern im Gründungsjahr 1994 sind mitlerweile 696 geworden, fast ausschließlich jüdische Migranten aus den ehemaligen Sowjetstaaten. Damit ist Ros- tocks jüdische Gemeinde heute doppelt so groß wie vor 1933.
Fanden die Anfangsschritte noch als Gast im 1991 gegründeten nichtjüdischen Max-Samuel-Haus statt, konnte die Ge- meinde 1996 ein erstes eigenes Haus am Wilhelm-Külz-Platz beziehen und schließlich im September 2004 in das neue Ge- meindezentrum mit integrierter Synagoge in der Augustenstraße umziehen.
Vor welchen Herausforderungen die Gemeinde stand und steht, beschreibt Gemeindevorsitzender Juri Rosov: »40 Prozent der Gemeindemitglieder sind älter als 60 Jahre. Junge Familien mit Kindern ziehen leider oft weg – Richtung Westen. Sie haben den Kampf für einen Arbeitsplatz in Rostock aufgegeben.« Aber es gibt auch Erfolgsgeschichten zu erzählen. Wie die des ukrainischen Fechtmeisters Michail Bondar, der heute als privater Fechtlehrer arbeitet, den jüdischen Sportverein Makkabi leitet und dem Gemeindevorstand angehört. Der Gründer einer Pelmeni-Fabrik, Juri Levitin, hat mit der Produktion russischer Spezialitäten sogar eine Reihe von Arbeitsplätzen in der strukturschwachen Region an der Ostsee geschaffen.
Bundesweit bekannt ist das vor zehn Jahren gegründete Jüdische Theater Me- chaje um den Regisseur und Schauspieler Michail Beitman. Im vergangenen Jahr gastierte Mechaje mit mehr als 50 Auftritten in zahlreichen jüdischen Gemeinden. Ein weiterer Erfolg ist, dass die Gemeinde gerade in einem Pflegeheim eine eigene Abteilung mit zehn Plätzen aufbaut – mit russischsprachigem Personal. Angesichts des hohen Anteils alter Gemeindemitglieder eine dringliche Aufgabe.
Seit 2002 wird die Gemeinde vom Landesrabbiner William Wolff betreut. Der fast 82-jährige Rabbiner ist der Rostocker Gemeinde seit seinen vor 15 Jahren begonnenen regelmäßigen Besuchen vertraut. Die tiefgehende religiöse Entwurzelung abzubauen, ist sein Credo.
Doch um das Judentum auch leben zu können, benötigt die Gemeinde eine neue Torarolle, für die mit Hilfe eines Benefizkonzertes Ende April mit Werken Felix Mendelssohn Bartholdys gesammelt wurde. »Ob wir eine neue Torarolle schreiben lassen oder eine alte kaufen, hängt davon ab, wie viel Geld wir zusammenbekommen«, sagt Rabbiner Wolff. Eine neue Schrift sei nicht zwingend nötig: »Hauptsache sie ist jünger als die, die wir jetzt haben; jünger als 200 Jahre.« 500 Euro konnten bereits durch Spenden der Gemeinde- mitglieder auf das Konto des Vereins »Ar- nold Bernhard« überwiesen werden.
Eine erste Torarolle hatte die Gemeinde Ende er 90er-Jahre von der Jüdischen Ge- meinde Dresden erhalten. Jetzt hat der För- derverein der Jüdischen Gemeinde um Andy Schümann die Anregung der Gottesdienstteilnehmer aufgegriffen und sammelt Spenden für eine neue Sefer-Tora.
Unter den vielen Gästen des Benefizkonzertes aus Politik und Wirtschaft, die diese Idee unterstützen, war auch Rostocks langjähriger Oberbürgermeister Arno Pöker. In seiner Amtszeit unterzeichneten Hansestadt Rostock und Jüdische Gemeinde 1998 einen beispielhaften »Stadtvertrag«. »Wir haben gerade in unserer über 200 Jahre alten reformierten Kirche in Bützow aus Spenden die Zehn-Gebote-Tafeln, die in der DDR-Zeit verschwunden waren, erneuern lassen. Jetzt sammelt die jüdische Gemeinde für eine Torarolle. Für mich ist es das Signal: Die Gemeinde ist nach 15 Jahren in der Normalität angekommen.«
Zuende ging der Benefizabend mit Mendelssohn Bartholdys Streichquartett B-Dur op. 87. Dessen emotionale Ausstrahlung stand geradezu als Metapher für den vielschichtigen Weg der Rostocker jüdischen Gemeinde: fröhlich und trauernd, wehmütig und kraftvoll.
Spendenkonto: Verein »Arnold Bernhard« (zur Förderung der Synagoge Rostock), Konto-Nummer: 205040659, Ostseesparkasse Rostock, BLZ: 13050000

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025