Karneval

Dreimal Kölle ade!

von Holger Hegemann

Katholiken feiern Karneval. Juden vergnuÃàgen sich an Purim. Doch in KoÃàln, wo Juden seit der RoÃàmerzeit lebten, waren die Grenzen flie?üend. Vor 1933 feierten nicht nur juÃàdische Jecken die fuÃànfte Jahreszeit mit. JuÃàdische KuÃànstler standen bei den gro?üen Sitzungen auch auf der BuÃàhne.
2008 erbte das NS-Dokumentationszentrum in KoÃàln die Sammlung Corbach mit unzaÃàhligen Dokumenten uÃàber die juÃàdische Geschichte der Domstadt. Darin fand sich auch der Nachlass von Hans Tobar. Der 1888 geborene Weltkriegsveteran begann in den 2oer-Jahren als Autor. Er verfasste jedes Jahr Karnevalsrevuen fuÃàr ein gro?ües VarieÃÅteÃÅ, die er oft selbst konferierte. Noch im Februar 1933 wurde die von ihm mitverfasste Revue ›ÄûAlle Poppe danze›Äú aufgefuÃàhrt. Tobars Name allerdings wurde im Autorenverzeichnis verschwiegen. Danach arbeitete Tobar fuÃàr den JuÃàdischen Kulturbund Rhein-Ruhr. 1939 fuÃàhrt ihn das Adressbuch als ›ÄûDavid Isr. Tobar, o. B.›Äú ›Äì ›Äûohne BeschaÃàftigung›Äú. Im Dezember 1939 konnte er nach New York fliehen, wo er bis mindestens 1952 lebte. Zeugnis gibt eine Annonce in der Emigrantenzeitung Aufbau. Dort wirbt er fuÃàr sein LiteraturbuÃàro ›ÄûHa-To-De-Po ›Äì Hans Tobar, der Poet ›Äì Texte aller Art›Äú.
In seiner KoÃàlner Zeit hatte Tobar auch BuÃàttenreden fuÃàr Gertie Ransohoff verfasst wie ›ÄûMittagessen bei der Familie KoÃàrnchen›Äú. Die juÃàdische Jungkarnevalistin erscheint erstmals im Januar 1928 auf den BuÃàhnen der gro?üen Sitzungen. Die naÃàrrischen Rubriken der Lokalpresse schreiben 1930 und 1931 beinahe taÃàglich uÃàberschwaÃànglich von dem ›Äûecht koÃàlsch MaÃàdche›Äú. Allein 1930 tritt Gertie Ransohoff mindestens fuÃànfmal im GuÃàrzenich auf, dem Olymp des Sitzungskarnevals, und ist auch bei LiveuÃàbertragungen im Radio zu hoÃàren. Umso uÃàberraschender, dass am Veilchendienstag 1931 zum letzten Mal ein Auftritt der etablierten Karnevalistin besprochen wird. Das laÃàsst Raum fuÃàr Spekulationen. Im Januar 1933 gibt es eine weitere irritierende ErwaÃàhnung: ›Äûdie leider so fruÃàh dahingegange Frau Ransohoff, die der Fasteleer noch schwer vermissen wird›Äú. Ist Gertie jung gestorben? Oder hat sie KoÃàln 1932 verlassen, gehoÃàrte sie zur ersten juÃàdischen Auswandererwelle? DafuÃàr spricht, dass in den Kritiken bei TodesfaÃàllen uÃàblicherweise von ›Äûverstorben›Äú die Rede ist.
FuÃànf Jahre spaÃàter, 1938, verliert sich auch die Spur des bedeutenden Karneva-listen Norbert Stein. Stein wuchs in Tobars Nachbarschaft auf, duÃàrfte jedoch etwas aÃàlter gewesen sein. Bereits 1905 wird er als ›ÄûSchriftsteller›Äú bezeichnet. Auch seine BruÃàder Louis und Leo sind im Karneval aktiv. Norbert reimt als ›ÄûBlitzdichter›Äú so erfolgreich auf Zuruf, dass mit ihm als ›ÄûKoÃàlns Liebling›Äú geworben wird. Gro?üe Anerkennung erntet er als MitbegruÃànder der Karnevalisten-Vereinigung-KoÃàln 1926, einer Interessenvertretung der KuÃànstler. Als deren PraÃàsident leitet er 1931 die gro?üe WohltaÃàtigkeitssitzung ›ÄûHab Sonne im Herzen›Äú fuÃàr ›ÄûHilfsbeduÃàrftige und Notleidende›Äú. UÃàber die Veranstaltung in der KoÃàlner Messehalle mit rund 7.000 Zuschauern, bei freiem Eintritt fuÃàr Arme, schrieb die Rheinische Zeitung: ›ÄûNorbert Stein, der geistige Urheber der Veranstaltung, hatte die Riesensitzung voll in der Hand, vielleicht war es die groÃà?üte Leistung, die je einem KarnevalspraÃàsidenten zugemutet wurde. Mit Schneid und Humor, nicht zuletzt mit klugem Takt, entledigte er sich seiner gro?üen Aufgabe.›Äú
Solche lobenden Worte waren zwei Jahre spaÃàter nicht mehr zu hoÃàren. Die juÃàdischen Jecken in KoÃàln bekamen 1933 sehr schnell die neuen VerhaÃàltnisse zu spuÃàren. Die Karnevalsgesellschaften schwenkten fruÃàhzeitig auf die neue Staatslinie ein, in vorauseilendem Gehorsam trennten sie sich von ihren ›Äûnichtarischen›Äú Mitgliedern. Von der langjaÃàhrigen, fruchtbaren katholisch-juÃàdischen Karnevalssymbiose sind heute nur noch bruchstuÃàckhafte Informationen uÃàbrig geblieben.

Der Autor arbeitet derzeit an einem von der Filmstiftung NRW gefoÃàrderten HoÃàrspielprojekt zum Thema und ist dankbar fuÃàr weitere Informationen uÃàber das Schick-sal juÃàdischer Karnevalisten aus KoÃàln.

Hamburg

Zehn Monate auf Bewährung nach mutmaßlich antisemitischem Angriff

Die 27-Jährige hatte ein Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nach einer Vorlesung über antijüdische Gewalt attackiert

 28.04.2025

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025