brasilien

Diktator auf Tropentour

Der offizielle Brasilienbesuch des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad am 23. November hat in dem Tropenland bereits Wochen im Vorfeld zu harschen öffentlichen Protesten geführt. Führende Vertreter der jüdischen Gemeinde erklärten, man sei empört über Staatschef Luis Inacio Lula da Silva, dass er ausgerechnet diesen Mann empfange.
Lula hatte erst kürzlich am Rande der UN-Vollversammlung in New York sehr freundschaftlich mit Ahmadinedschad konferiert. Auf Journalistenfragen zu dessen bekannter Holocaust-Position sagte Lula, es sei keineswegs bedrückend, sich mit dem iranischen Führer zu treffen. »Ich bin nicht verpflichtet, jemanden nicht zu mögen, nur weil er von anderen nicht gemocht wird.« Iran sei für Brasilien ein großer Partner. Als Ahmadinedschad redete, verließen etliche westliche Delegationen demonstrativ den Saal – die brasilianische nicht.
Claudio Luiz Lottenberg, Präsident der Israelitischen Konföderation Brasiliens (CONIB), reagierte entsprechend scharf, nannte es tief enttäuschend, wie Lula mit einem Holocaust-Leugner umgehe, diesen sogar mit politischem Prestige und wirtschaftlicher Annäherung belohne. In São Paulo, wo Lottenberg Brasiliens führendes Krankenhaus leitet, befindet sich die größte jüdische Gemeinde des Landes. Sie ist derzeit sichtlich aufgebracht und plant Aktionen gegen Ahmadinedschads Besuch.
Für Gemeindepräsident Boris Ber passt nicht zusammen, dass die Lula-Regierung einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat einfordere, jedoch jemanden empfange, der die Zerstörung eines Mitgliedslandes predige. Ber nannte es einen Positionswechsel Lulas, auf eine ethisch-moralische Bewertung Ahmadinedschads zu verzichten. Früher sei Lula in solchen Fragen eindeutig gewesen. Wenn der iranische Präsident in Brasilia willkommen sei, beleidige dies nicht nur die Juden Brasiliens, sondern auch alle Verfolgten im Iran selbst, sagte Ber im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen.
Lateinamerikas Juden befürchten, dass der Besuch auch radikalen Kräften der starken und einflussreichen muslimischen Gemeinden den Rücken stärkt. Antisemitismusexperten beobachten, wie gerade die Hamas immer aggressiver auftritt, in Parteien und Organisationen des linken Spektrums sowie unter der studentischen Jugend Brasiliens zunehmend Unterstützung findet.
Boris Ber bemerkt keineswegs nur in Brasilien zunehmenden Judenhass. »Wir haben alles getan, damit der Nahostkonflikt nicht nach Brasilien importiert wird. Doch jetzt bringt ausgerechnet Ahmadinedschad diesen Konflikt hierher – und macht unsere ganze Arbeit zunichte.« Die Warnungen des früheren brasilianischen Außenministers Luiz Felipe Lampreia seien daher von größtem Wert. Der hatte Lula öffentlich geraten, den Besuch abzusagen, weil es sich beim iranischen Präsidenten um einen der »gefährlichsten Akteure der internationalen Szenerie« handele.
Pressekommentatoren empfehlen Lula, sich ein Beispiel an Argentiniens Regierung zu nehmen. Sie lehnt jeglichen direkten Kontakt mit Ahmadinedschad ab, weil er islamische Terroristen schütze und nicht ausliefere. Die Generalstaatsanwaltschaft Argentiniens hatte 2006 sechs ranghohe iranische Regierungsvertreter angeklagt wegen Beteiligung am Anschlag auf das jüdische Kulturzentrum in Buenos Aires 1994. Damals waren 85 Menschen getötet und 300 weitere verletzt worden.
Ahmadinedschad reist mit einer großen Wirtschaftsdelegation nach Brasilien, weil zahlreiche Kooperationsvereinbarungen geplant sind. Dem Vernehmen nach möchte Präsident Lula Teheran noch in diesem Jahr einen Gegenbesuch abstatten. Klaus Hart

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Terror

Polizei: 9 Tote bei Angriff in Sydney

Was bislang bekannt ist - und was nicht

 14.12.2025

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025