Restitution

»Dieses Verhalten ist unverantwortlich«

Ronald S. Lauder am Montag bei der Eröffnung der internationalen Tagung über Provenienzforschung und den Umgang mit NS-Raubkunst Foto: dpa

Restitution

»Dieses Verhalten ist unverantwortlich«

Weltkongress-Präsident Lauder fordert mehr Einsatz von Deutschland bei der Rückgabe von Raubkunst

 26.11.2018 16:09 Uhr

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, hat kritisiert, dass es nach wie vor in fast allen europäischen Staaten Kunstwerke gibt, die in der NS-Zeit Juden gestohlen und noch nicht an die rechtmäßigen Besitzer rückübereignet wurden. Lauder forderte in Berlin bei der Eröffnung einer internationalen Tagung über Provenienzforschung und den Umgang mit NS-Raubkunst vollkommene Transparenz der Sammlungen von Museen und öffentlichen Archiven durch Digitalisierung der Bestände. Die dreitägige Konferenz steht unter dem Motto »20 Jahre Washingtoner Prinzipien: Wege in die Zukunft«.

Im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen sagte Lauder zudem: »Deutsche Museen und Sammlungen haben in den vergangenen 20 Jahren viel zu wenig getan. Es scheint fast so, als wären viele immer noch geneigt, alles zu tun, um gestohlene Kunstwerke um jeden Preis in ihren Sammlungen zu halten und so die Aufarbeitung der Verbrechen des Nazi-Regimes zu verhindern. Es gibt keinen Grund mehr, dieses unverantwortliche Verhalten fortzusetzen.«

LIMBACH-KOMMISSION Scharfe Kritik übte Lauder auch an der sogenannten Limbach-Kommission. »Ich denke, die Tatsache, dass die Limbach-Kommission in 15 Jahren nur 15 Fälle bearbeitet hat, spricht für sich selbst – das ist beschämend. Die von Grütters vor zwei Jahren eingeleiteten Reformen waren ein guter erster Schritt, aber ich habe immer gesagt, dass die damals ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen.«

»Deutsche Museen und Sammlungen haben in den vergangenen 20 Jahren viel zu wenig getan«, sagte Lauder.

Bezüglich der jüngst angekündigten Reformen der Limbach-Kommission durch die Bundesregierung betonte Lauder: »Leider haben wir schon früher vielversprechende Ankündigungen gehört. Ich werde erst zufrieden sein, wenn die Reformen auch wirklich umgesetzt worden sind.«

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bekräftigte auf der Tagung den Willen der Bundesregierung zur Aufarbeitung und Rückgabe von NS-Raubgut. Es seien weiter erhebliche Anstrengungen nötig, »um die Aufarbeitung des NS-Kunstraubs voranzutreiben«, sagte Grütters.

PRINZIPIEN Die 1998 vereinbarten Prinzipien hätten weltweit Maßstäbe für »gerechte und faire Lösungen« gesetzt, sagte Grütters. Dies sei eine Verpflichtung gegenüber den Opfern der NS-Terrorherrschaft und deren Nachfahren. Schätzungen zufolge haben die Nazis zwischen 1933 und 1945 mindestens 600.000 Kunstwerke geraubt, die Hälfte davon allein in Osteuropa. Mehrere Zehntausend befinden sich noch immer in öffentlichen Sammlungen oder in Privatbesitz.

Grütters unterzeichnete zum Auftakt der Konferenz gemeinsam mit dem Sonderbotschafter des US-Außenministeriums für Holocaust-Fragen, Stuart Eizenstat, eine Erklärung, in der sich beide Staaten zur weiteren Umsetzung der »Washingtoner Prinzipien« bekennen. Zugleich werden darin die bisherigen Fortschritte in Deutschland anerkannt.

Das 1998 in der US-Hauptstadt verhandelte Abkommen war seinerzeit von rund 40 Staaten und von jüdischen Organisationen unterzeichnet worden, ist aber völkerrechtlich nicht bindend.

RÜCKGABEN Grütters betonte, Deutschland habe die Rahmenbedingungen für die Erforschung und Rückgabe von NS-Raubkunst seitdem stetig verbessert. Dabei verwies sie unter anderem auf die steigende Zahl von Rückgaben und den Ausbau der Provenienzforschung. Seit der Verabschiedung 1998 sind demnach bis September dieses Jahres mehr als 5750 Kulturgüter an die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben zurückgegeben worden. Hinzu kamen mehr als 11.670 Bücher und anderes Bibliotheksgut. Von 2008 bis 2017 habe der Bund rund 31 Millionen Euro für Provenienzrecherche zur Verfügung gestellt. Für 2018 und 2019 seien rund 17 Millionen Euro vorgesehen.

Grütters verwies auch auf die Gründung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste 2015 in Magdeburg als entscheidenden Schritt für die Provenienzforschung. Hinzu gekommen seien einschlägige Professuren an deutschen Hochschulen und spezifische Datenbanken.

Die 1998 vereinbarten Washingtoner Prinzipien hätten Maßstäbe für »gerechte und faire Lösungen« gesetzt, sagte Grütters.

Geplant ist außerdem eine zentrale Anlaufstelle, ein sogenanntes Help Desk, für Opfer des NS-Regimes. Auch die einseitige Anrufung der »Beratenden Kommission« solle bei Streitfällen mit Einrichtungen, die Bundesgelder erhalten, erleichtert werden. Zudem soll die Erbensuche finanziell unterstützt werden.

DIGITALISIERUNG In der gemeinsamen Erklärung wird unter anderem die weitere Digitalisierung der Bestände in öffentlichen Museen, Bibliotheken und Archiven als nützliches Werkzeug beschrieben. Zudem soll die Prüfung der Bestände in deutschen Einrichtungen beschleunigt werden. Grütters rief private Kunstbesitzer, Sammler und Auktionshäuser auf, die Herkunft ihrer Kunstwerke zu erforschen.

Die historische und moralische Verantwortung für die Aufarbeitung des NS-Kunstraubes liege nicht allein beim Staat, sagte Grütters. Eizenstat ergänzte, Provenienzforschung sei die Voraussetzung, um den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.  epd/ja

Lesen Sie mehr in der nächsten Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen am kommenden Donnerstag.

Politik

Dobrindt in Israel - Treffen mit Netanjahu geplant

Innenminister: »Ich will zeigen, dass wir Israel als engsten Partner im Kampf gegen den Terror unterstützen.«

 28.06.2025

Berlin

Frei informiert die Fraktionschefs über Lage in Nahost

Die Bundesregierung ist nach dem US-Angriff auf den Iran im Krisenmodus. Am Vormittag findet ein Informationsgespräch im Kanzleramt statt, an dem auch die rechtsextremistische AfD teilnimmt

 23.06.2025

Ethik

Zentralrat will sich für Schächten auf europäischer Ebene einsetzen

In manchen Ländern und Regionen Europas ist das Schächten verboten

 22.06.2025

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025