Buddhismus

Das »Jubu«-Phänomen

von Hannes Stein

Buddha war kein Jude. Schade eigentlich, denn immerhin war Jesus einer, und Mohammed hat viele seiner Speisevorschriften und eine Handvoll ethische Regeln aus der Tora abgekupfert – also wäre es sub specie aeternitatis nur passend, wenn es sich auch bei Buddha um einen abtrünnigen Sohn des auserwählten Volkes handeln würde. Nebbich, in Wahrheit war Siddharta Gautama ein indischer Prinz. Vielleicht um diesen kleinen weltgeschichtlichen Fehler zu korrigieren, laufen in Amerika jede Menge »Jubus« herum: Leute, die von Geburt Juden, ihrer religiösen Praxis nach aber Buddhisten sind.
Genaue Zahlen zu bekommen, ist unmöglich, die letzte Umfrage wurde in den 70er-Jahren durchgeführt. Demnach sollen ungefähr ein Drittel aller amerikanischen Buddhisten eigentlich irgendwie Juden sein. Sicher ist nur eines: Ungefähr sechs Millionen Juden leben in den USA – und drei Millionen Buddha-Anhänger. Wie groß die Schnittmenge zwischen beiden Gruppen ist, weiß nur Gott allein (der vielleicht auch das Nirwana erschaffen hat).
Wie bringt man es fertig, ein »Jubu« zu sein? Wie hält man seiner jüdischen Abstammung die Treue und stellt zugleich eine nette geschnitzte Götzenstatue auf, die den »Erleuchteten« zeigt? Indem man nach dem Vorbild von Marc Lieberman verfährt, einem Augenarzt aus San Francisco, der 1989 einen Dialog zwischen dem Dalai Lama und jüdischen Geistlichen in Gang brachte. »Ich bin ein gesundes Mosaik aus beiden Religionen«, sagte Lieberman. Ob er damit einer oder gar beiden religiösen Traditionen Gewalt antue, sei ihm – pardon – schnurzpiepegal.
Kritiker sehen in der Hinwendung amerikanischer Juden zum Buddhismus nur eine weitere Variante, im postmodern-unbestimmten Wohlfühlgefühl zu baden. Schon wahr. Andererseits bietet der Buddhismus aber auch eine Möglichkeit, mit dem jüdischen Leid theologisch fertig zu werden. Innerhalb des Judentums gibt es auf die Frage »Warum passiert immer uns dieser Mist?« ja nur jene Antwort, die in der Bibel einst Hiob erhielt. Diese Antwort fällt zwar ziemlich gewaltig aus (Gott fragt sein Geschöpf zurück: »Wo warst du, als ich die Welt erschaffen habe?«), ist aber nicht sehr befriedigend. Der Buddhismus dagegen erklärt allen irdischen Zores für eine Illusion, der letztlich aus zwei Ursachen erwachse: Unwissenheit und Begehren. Durch Askese und die Einsicht, dass das Selbst nichtig ist, lasse sich der ganze schauerliche Schlamassel überwinden.
Wird die Sympathie, die viele Juden der fernöstlichen Erlösungslehre entgegenbringen, vom Buddhismus eigentlich erwidert? Oder handelt es sich wieder einmal um eine jener einseitigen Liebesaffären, zu denen Juden so ungeheuer begabt sind? Zumindest der Dalai Lama scheint Juden mit echter Wärme zu begegnen. Dies durfte etwa Nathan Katz erfahren, der an der Florida International University lehrt und ein Spezialist für die Geschichte der indischen Juden ist. Schon in den 80er-Jahren besuchte er den Dalai Lama zusammen mit einer Gruppe von Rabbinern in seinem indischen Exil in Dharamsala. Tibetaner und Juden hätten allerhand gemeinsam, betonte das Oberhaupt der tibetischen Buddhisten damals, schließlich hielten beide sich für auserwählt. Die Tibetaner bewunderten die Juden, denn »obwohl sie in alle vier Windrichtungen verstreut wurden, haben sie ein Bewusstsein dafür bewahrt, dass sie eine Einheit sind«.
Das Manifest der Buddhisten jüdischen Glaubens in Amerika ist das 1994 erschienene Buch Der Jude im Lotus. Es stammt von Rodger Kamenetz, der übrigens auch den Ausdruck »Jubus« prägte. Kamenetz schrieb kürzlich einen flammenden Artikel, der im Jewish Daily Forward veröffentlicht wurde. Bald feiern wir unseren Seder, heißt es dort; wir erinnern uns, wie Pharao unser Leben bitter machte mit schwerer Arbeit bei Ton und Ziegeln. Heute werde das Leben der Tibetaner bitter gemacht. Die Volksrepublik China habe, seit sie sich 1949 dieses Land einverleibte, in Tibet einen »kulturellen Genozid« verübt. Rodger Kamenetz verurteilt die Gewalt, die junge Tibetaner verübten, als sie Geschäfte anzündeten und Chinesen ermordeten; auch der Dalai Lama habe diese Gewalt verurteilt. Aber nun sei die chinesische Armee einmarschiert. Als Nächstes werde sie den Widerstand mit enormer Brutalität brechen.
»Als Juden wissen wir bis tief in unsere Knochen, wie es sich anfühlt, unterdrückt und ermordet zu werden, während die Welt schweigt – und wir sollten laut aufschreien, um an das Schicksal des tibetanischen Volkes zu erinnern«, schreibt Rodger Kamenetz. 1997 habe er mit dem Dalai Lama einen »Seder für Tibet« gefeiert und auf einem Tonband die Stimmen von tibetischen Nonnen gehört – Teenagern, die im grässlichen Gefängnis von Drapchi eingesperrt waren und von der Freiheit sangen. Zum Abschluss des Seder hätten alle gemeisam ausgerufen: »Nächstes Jahr in Jerusalem! Nächstes Jahr in Lhasa!«

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